Die Suzuki VZ 800 Marauder stand optisch aber immer im Schatten der VN 800 von Kawasaki. Auch Umbauten auf dieser Basis sieht man seltener

Irgendwann spielt der Adrenalinkick nur noch eine untergeordnete Rolle, ist Speed nicht mehr alles. Plötzlich zählen andere Dinge, die das Motorradfahren genauso bedeutungsvoll und wichtig machen. Gelassenheit ist eines davon. »Ich bin immer nur Sportbikes gefahren, also die richtig schnellen und ein Chopper kam für mich nie in Frage«, gesteht der Norddeutsche freimütig und erwähnt seine zweijährige Abstinenz vom Motorradfahren so ganz nebenbei.

Weg mit dem Heck. Nach mehrmaligem Messen erledigt die Flex den Rest und der Hilfsrahmen verschwindet

Manchmal verschieben sich im Leben die Prioritäten, tritt man in einen anderen Lebensabschnitt. Doch lange dauert der motorradlose Zustand nicht an, juckt es den ehemaligen Tischler, sich an etwas Neues zu wagen, kommt die Lust am Schrauben. Ein Sportbike wird es nicht werden, denn gedanklich hat Michael sich längst für einen Bobber entschieden.

Vom Superbike zur Suzuki VZ 800

»Ein Chopper schied aus, aber nicht aus dem bereits genannten Grund, sondern weil ich nicht auf dünne Vorderreifen stehe. Der Bobber war daher ideal.« Inspiration holt er sich in Fachzeitschriften, sucht im Netz und schaut sich zahllose Umbauten an. Über die Preissuche bei mobile.de stößt er auf Suzukis VZ 800 Marauder, die idealerweise ab Werk einen 130er Vorderreifen verbaut hat.

Besserer Sound dank Klappenauspuff von MCJ

Fündig wird er letztlich bei eBay-Kleinanzeigen. »Dort wurde eine in unmittelbarer Umgebung angeboten. Die Suzuki stand nur in der Garage, war selten bewegt worden und hatte lediglich zehntausend Kilometer runter. Ich hab sie dann auch gleich mitgenommen.« In der heimischen Garage beginnt der Umbau, macht Michael sich Gedanken, wie er sein Projekt angehen soll.

Der mitschwingende Heckfender war für die Suzuki VZ 800 quasi Pflicht

Ein Problem ist vor allem die Teilebeschaffung, wie er schnell feststellen muss. Im Gegensatz zu den Bikes aus Milwaukee werden für Japan-Crusier kaum noch Aftermarket-Parts angeboten. »Da war mir klar, dass ich viel selbst machen und kreativ werden musste.« Vor allem das lange Ducktail-Heck soll weg und auf Bobbermaße gestutzt werden. Ein mitschwingender Heckfender ist quasi Pflicht.

Umbauen bedeutet auch, sich immer wieder zu hinterfragen, ob man noch seinem Weg folgt, ob die Linie passt und alles so wird, wie man es sich vorgestellt hat

Aus der Umbauerfahrung mit seinen Autos weiß er, dass es besser ist, den TÜV in sein Vorhaben mit einzubinden. Er liest sich in das Thema ein, da viele Aussagen über das Abtrennen des Hecks doch schwammig sind, wie er berichtet. Irgendwann wagt er sich an den Rahmen und flext nach mehrmaligem Messen die Struts ab. Für den modifizierten Heckfender konstruiert er eine schraubbare Halterung, denn am Rahmen schweißen will er nicht.

Der Big Sucker ist eine Attrappe

Den Tank belässt er, trennt sich aber von der »Brotdose« wie die Luftfilterattrappe spöttisch bezeichnet wird. »Das Ding sah einfach scheiße aus. Deshalb habe ich ein Grundplatte konstruiert und diese Big-Sucker-Attrappe drangebaut. Luft holt sich der Motor durch die Filter unter Sitzbank und Tank.« Das Auspuffthema erledigt Michael fast im selben Atemzug und besorgt sich einen gebrauchten Auspuff mit Klappensteuerung des italienischen Spezialisten MCJ.

Der Big-Sucker-Luftfilter hat keine Funktion und dient lediglich der Optik. Die Luft wird unterm Sitz angesaugt

»Den habe ich günstig bekommen, allerdings war er auch defekt und ich durfte ihn erst einmal auseinanderbauen und reparieren.« Während des Umbaus sitzt er immer wieder lange vor dem Bike, lässt die Linie auf sich wirken und verändert hin und wieder, das, was ihn stört. So auch den Lenker, den er zuerst montiert hat. »Der war einfach zu hoch und zu schmal. Das hat mir überhaupt nicht gefallen.« Bei Fehling findet er das passende Teil, benötigt aber noch entsprechende Lenkerhalter, um die gewünschte Optik zu erreichen. Er misst die Abstände aus und begibt sich erneut im Netz auf die Suche. »Riser von Triumph Thruxton sollten passen. Ich hab dann Gebrauchte im Netz erstanden, die passen jetzt perfekt.«

Welche Reifen nehmen?

Andere Umbauteile wie Scheinwerfer, Blinker und viele andere Kleinteile besorgt er sich bei Louis, den Solositz mit den passenden Federn bei Chop-it. Die Gabelcover fertigt er selbst. »Allerdings sind die nicht gedreht, wie man meinen möchte«, lacht Michael. »Nein, das sind ganz einfach Auspuffrohre, die ich auf die richtige Länge zugeschnitten habe.«

Die Qual der richtigen Reifenwahl. Nachdem Michael mit den Metzelern nie richtig zufrieden war, wechselte er auf Cobras des britischen Herstellers Avon

Und als ehemaliger Sportfahrer sind Reifen für ihn nicht nur schwarz und Rund, sonder genauso wichtig wie ein gutes Fahrwerk. »Auch das war eine kleine Suche. Mit den Metzelern war ich nie wirklich zufrieden. Die Avon Cobra liegen mir viel besser.« Die Lackierung zum Abschluss überlässt er einem Fachbetrieb. »Ich mache Vieles selbst, aber es gibt Arbeiten, da sollen besser die Spezialisten ran.«

Fertig ist der Bobber

Pünktlich zum Saisonbeginn ist der Bobber fertig geworden, der Winter in der Garage ist Vergangenheit. Der Rumtreiber, nichts anderes heißt »Marauder« übersetzt, wird wieder dort zuhause sein, wo er hingehört – auf der Straße.

 

Christian Heim