Manche Bikes lassen sich nicht klassifizieren, sie verweigern sich jeglichem Schubladendenken. Auch auf die Gefahr hin, auf Ablehnung statt Zustimmung zu stoßen. Doch das ist das Risiko bei Kunstwerken. Dafür sind sie frei vom Zwang – so wie diese Suzuki GSX-R 750.

Ist das Kunst oder kann das weg? Eine berechtigte Frage oder etwa doch nicht? Nein, denn im Custombike-Bau gibt es keine Regeln. Zwar versuchen wir, alles in Kategorien einzuteilen, aber das kann nicht immer gelingen. Muss es auch nicht, denn letzten Endes ist es Sache des Erbauers, ob er mit dem Ergebnis zufrieden ist oder nicht. Die Meinungen anderer spielen da eher eine untergeordnete Rolle. Ronald Knoll ist Metallbildhauer und baut große wie kleine Metallskulpturen.

Suzuki GSX-R 750 im Scraspeed-Style

Außerdem ist er ein Motorradenthusiast, der bereits eine Vielzahl an Bikes umgebaut hat. Eigentlich sind Cafe Racer sein Ding, die Suzuki mit dem polarisierenden Design ist etwas Neues, was seinen Ursprung in seiner künstlerischen Tätigkeit hat. »Da ich kleinere Custom-Modellmotorräder mit dem Namen Scrapspeed erschaffen habe, lag es nahe endlich mal ein 1:1-Modell zu bauen, das auch fährt.« Das Basismotorrad, die Suzuki GSX-R 750 SRAD, erwirbt er in einem Tauschgeschäft gegen seine Honda CBX 750 F, die er zuvor für magere 360 Euro bei eBay ersteigert.

Der weit nach vorn gezogene Frontfender stammt von einer Harley-Davidson E-Glide und wurde entsprechend modifiziert und zwischen den Gabelholmen eingepasst

Doch aufgrund seiner Tätigkeit als Metallbildhauer und der damit verbundenen Arbeit bleibt die Suzi für rund zwei Jahre in der Garage stehen, bevor Ronald Hand anlegt. Sein Ziel beim neuen Projekt: Improvisation auf höchstem Niveau, wie er es selbst nennt. Wichtig ist ihm dabei, Teile zu verwenden, die bereits an anderen Motorrädern verbaut waren und diese einer neuen Bestimmung zuzuführen, sie neu zu kombinieren. So finden sich zahlreiche Motorschutzbleche von verschiedenen Herstellern an ganz unterschiedlichen Stellen am Bike wieder.

Der Heckfender stammt aus einem Agrarschrottcontainer

Die Frontverkleidung schützte einst den Motor einer Kawasaki KLE 500. Ronald hat ihn angepasst und einen Scheinwerfer samt Einstellmechanismus konstruiert. Als Scheinwerfergehäuse dient eine alte Taschenlampe. Auch die Seitenteile am Heck sind zweckentfremdet. Teilespender hier: eine Honda MTX 80.  Die Heckfenderhalterung konstruiert der Metallbildhauer selbst, baut sich für die Formgebung der Kastenprofile sogar eigens eine Biegemaschine. Der Heckfender selbst stammt aus einem Agrarschrottcontainer. Ein Zufallsfund, als Ronald auf der Suche nach Ersatz für den Fuß einer seiner Skulpturen war. 

Improvisation statt Katalogteilen: Das Scheinwerfergehäuse war mal eine antike Taschenlampe, die so weit modifiziert wurde, dass sie ihrer neuen Bestimmung gerecht werden kann

Ungwöhnlich ist auch der Auspuff. Kenner werden angesichts des unterm Motor sitzenden Sammlers schnell den Tank einer Simson KR51 Schwalbe identifizieren, den Ronald umkonstruiert und in einen Auspuff verwandelt hat. Um bei einem Ölwechsel nicht den Auspuff demontieren zu müssen, bringt Ronald einen Tunnel für die Ölablassschraube ein. Die Elektrik verschlankt der Künstler und reduziert sie aufs Wesentliche. Auch bei der Lackierung greift er auf einfachste Mittel zurück. Die Dose soll’s richten.

Suzuki GSX-R 750 als Botschafterin gegen Plastik-Müll

Beim Abschleifen des Tanks entdeckt er eine ältere Lackierung, die in seinen Augen stylish genug wirkt, um sie weiterzuverwenden. Die Schriftzüge bringt er mit einem Malpinsel auf und überzieht alles mit 2K-Klarlack. Mit wenig etwas zu erschaffen und sein Ziel zu erreichen ist nicht so einfach. Doch Ronald bleibt sich als Künstler treu und sieht auch die Suzuki, wie alle seine Kunstwerke, als Botschaft: »Fuck Plastic« ist ein Statement gegen Kunststoff-Müll. Das Beste aber: Mit ein paar kleinen Änderungen gibt es sogar den amtlichen Segen.

 

Christian Heim