Marcels Suzuki GS 450 war in einem bescheidenen Zustand, als sie in seine Werkstatt kam. Ein Neuaufbau schien die beste Lösung zu sein.

Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, in der Geräte offenbar bewusst auf eine kurze Lebensdauer ausgelegt sind und vieles nur noch aus Kunststoff besteht. Wenn etwas kaputt geht, wird gleich neu gekauft und nicht mehr repariert. Unzählige Onlineshops unterbieten sich gegenseitig bei der Preisgestaltung. Nur die Qualität, die scheint nicht mehr zu zählen.

Viele kennen Marcel als Blechkünstler, doch er baut auch komplette Motorräder. Sein Ziel ist es, hundertprozent perfekte Komponenten zu bauen

Marcel van der Stelt sieht ein ähnliches Problem inzwischen auch in der Customszene, vor allem, wenn es um Cafe Racer geht. »Bei Aliexpress billig einzukaufen scheint heutzutage die Norm zu sein. Ich habe keine Lust mich dem anzupassen, ich baue maßgeschneiderte Teile und Motorräder auf die traditionelle Weise und das kostet nun mal. Mein Ziel ist es, hundertprozent perfekte Komponenten zu bauen, die meinen Laden verlassen.

Der Blechkünstler baut auch komplette Motorräder

Wenn Marcel über seinen Beruf spricht, oder besser gesagt seine Berufung, dann fangen seine Augen zu funkeln an. In seiner geräumigen Werkstatt hat er alle möglichen Maschinen für die Blechbearbeitung, aber auch zum Drehen und Schweißen. »Viele Leute kennen mich als Blechkünstler, aber ich baue auch komplette Motorräder.« Davon haben einige feine Exponate seine Werkstatt verlassen, darunter auch eine radikal umgebaute Laverda und eine Ducati.

Sitz, Fußrasten und Griffe aus Eichenholz – und selbst beim den Auspufftöpfen funktioniert Holz sehr gut

»Es gibt nichts in meiner Werkstatt, was ich nicht mag. Und wenn ich einmal mit dem Ergebnis meiner Arbeit nicht zufrieden bin, dann ändere ich es solange, bis es perfekt passt. Auch wenn es mich unbezahlte Stunden kostet. Das Bauen von Teilen und Motorrädern ist nun mal meine Leidenschaft, auch wenn es auf Kosten meiner Freizeit geht«, so Marcel.

»Ich mußte das Gehen wieder erlernen«

Über die Gründung seiner Firma »The Custom Factory« sagt er: »Ich war schon immer im Motorradmotorsport tätig und hatte ein Unternehmen in der Metallbranche, das ich aber verkauft habe. Eine Beinverletzung zwang mich damals fast ein Jahr lang zur Rehabilitation, ich musste das Gehen wieder lernen. Irgendwann wollte ich wieder mit Metall arbeiten und habe dann bei einer Autowerkstatt angefangen.«

Fahrwerk und Motor bleiben Serie, den Rest – bis auf wenige Ausnahmen – fertigt Marcel selbst

Doch seine Liebe zu Motorrädern ist stärker und so fängt er an, sich wieder mit den Zweirädern zu beschäftigen. Doch das läuft schnell aus dem Ruder, wie seine bessere Hälfte Patricia erzählt: »Die Garage wurde schnell zu klein, weil immer mehr Projekte kamen. Die fertigen Motorräder mussten aus Platzmangel sogar im Wohnzimmer abgestellt werden. Da war es an der Zeit für ein größeres Gebäude.« Das wurde auch schnell gefunden.

»Wir bauen fast alles selber – ein großer Vorteil«

Inzwischen kümmert sich Marcel um die Blecharbeiten und den Motorradbau, während sich Patricia unter dem Namen »The Leather Factory« um Polsterungen kümmert. »Der Vorteil ist, dass wir fast alles selbst bauen und auf die Motorräder abstimmen können. Nur wenige Arbeiten gehen außer Haus, wie zum Beispiel Elektrik, Lackierung oder Motorüberholung. Dabei arbeite ich nur mit Menschen zusammen, die die gleichen Qualitätsansprüche haben wie ich.« »Aluminium ist mein bevorzugter Werkstoff. Leider ein aussterbendes Handwerk, das ich mir selbst beigebracht habe. Inzwischen gebe ich in Workshops mein Wissen weiter.«

Serienvergaser mit Aluminium-Ansaugstutzen

»Spätestens danach wissen die Teilnehmer, warum ein handgefertigter Tank nicht billig ist«, lacht Marcel. »Früher habe ich nur Cafe Racer gebaut, doch das macht hier in den Niederlanden inzwischen fast jeder. Heute dagegen mache ich fast alles, von der Rennmaschine mit Vollverkleidung bis hin zu Custombikes. Alles ist möglich und ich stehe zu meinen Qualitäten.«

Eine Visitenkarte für die eigene Werkstatt

So wie bei der Suzuki GS 450 Cafe Racer. »Ich habe das Bike bereits vor einigen Jahren gebaut, es aber kaum publik gemacht. Das Bike ist mit einem sehr kleinen Budget von gerade einmal 2.000 Euro entstanden. Wobei viele mit ihrer kostenlosen Arbeit zu dem niedrigen Preis beigetragen haben.« Als die Suzuki in seine Werkstatt kommt, ist sie ein hässliches, weiß lackiertes Motorrad, das ihn nur 200 Euro gekostet hat.

Der Motor wurde ein wenig aufgefrischt, es blieb aber bei der Serienleistung von weniger als 50 Horse

Lediglich der Auspuff ist etwas undicht. Der Vorbesitzer hatte das Problem mit einer Abdeckplatte kaschiert. »Mir gefiel das überhaupt nicht, also habe ich auseinandergenommen und von vorn angefangen. Gleichzeitig sollte das Bike ein Art Visitenkarte für meine Werkstatt werden.«

Suzuki GS 450 mit Holz und Aluminium

Den Motor frischt er mit neuen Schrauben und polierten Deckeln auf, dreht neue Ansaugstutzen aus Aluminium und bohrt unzählige Löcher in Abdeckungen und sogar das Kettenblatt, um Gewicht zu sparen. Eine kleine Reminiszenz an seine Motorsportvergangenheit. Selbst die Trommelbremse unterzieht er dem sogenannten Speedhole-Verfahren. Ein weiteres Thema sind die Holzarbeiten, die sich überall am Motorrad wiederfinden – vom Tankdeckel bis hin zu den Fußrasten und den Auspufftöpfen.

Nur sehr wenige Arbeiten werden außer Haus vergeben, etwa die Elektrik

»Ich selbst hatte es noch nie an einem Motorrad gesehen, also musste ich es machen. Inzwischen will jeder von mir wissen, ob das mit dem Auspuff gut geht oder die hölzernen Fußrasten nicht abbrechen. Aber ich kann sie beruhigen, alles ist gut durchdacht«, grinst Marcel und fügt hinzu: »Ja, auch von der Holzsitzbank bekommt man keinen wunden Arsch. In der Kneipe sitzt sich schließlich auch keiner auf den hölzernen Barhockern wund.

Suzuki GS 450 – einfach, sauber, aber sehr speziell

Mit der Suzuki tendiert er nach eigenen Aussagen eher zum klassischen Stil, obwohl er Cafe Racer liebt, die aus modernen Komponenten bestehen. »Sie sollte klassisch sein: einfach, sauber und sehr speziell.« So fehlen am Lenker die Schalter, die Marcel in einer Box unter dem Sitz untergebracht hat. Außerdem legt er Wert auf kleine Details. Für einen alten Tacho baut er ein Aluminiumgehäuse, ebenso für den Scheinwerfer.

Aus der häßlich lackierten Suzuki ist ein stattlicher Cafe Racer geworden

Auffällige Teile für Marcels Arbeit sind allerdings der Tank, das Heck und der Frontfender. »Das Aluminium habe ich bewusst blank gehalten. Es unlackiert und sauber poliert, sodass die Handwerkskunst nicht unter einer Lackschicht verschwindet. »Vieles ist Handarbeit, aber genau das macht das Bike zu etwas Besonderem.«

Floris Velthuis