Da rauscht uns irgendwann einmal ein Bild dieser Suzuki DR 800 Big auf den Schreibtisch. Freude im Team, die müssen wir im Heft haben.

Chopper hin, Cruiser her, manchmal geht doch nix über eine kecke Japanerin mit großem Herz – und knackigem Arsch. Denkt sich auch Philipp und schickt uns ein Foto vom Motorrad seines Arbeitskollegen. Dazu eine öminöse Wegbeschreibung, die unseren Knipser per Google Maps – »mit Navi findet ihr das nie« – zu Michael nach Tangerhütte in Sachsen-Anhalt führt.

Der seitliche Kennzeichenhalter ermöglicht das ultraknapp geschnittene Heck

Fotograf Ben übersendet uns seine Fotos schließlich mit dem Kommentar: »Der Stuhl ist so hammergeil – verknallt.« Seine Euphorie steckt an, auch wir weinen leise Tränen des Glücks angesichts der fiesen, schwarzen Ansage auf zwei Rädern. Nur Michael, der Erbauer und Besitzer der DR Big, versteht unsere Aufregung nicht: »Ich hätte nicht gedacht, dass ihr da scharf drauf seid. Ist doch nur ein normaler Lowbudget-Umbau.«

Immer die Kosten und vor allem den eigenen Stil im Blick

Tatsache ist aber, dass seine Suzuki, käme sie aus einer der angesagten Schmieden des neuen Customzeitalters, mit großen Worten und noch mehr beweihräuchernden Pressemitteilungen präsentiert worden wäre. Umso schöner finden wir das Understatement des Privatschraubers, der seine Brötchen in einer Glasfabrik verdient.

Stummellenker und Stollenreifen? Auf jeden Fall!

Für seine Motorräder hat sich Michael eine ganz eigene Arbeitsweise angeeignet. Zum einen kosten seine Basisbikes nie mehr als 1.000 Euro, zum anderen baut er pro Modell zwei Motorräder. Der erste Umbau deckt dabei in der Regel die Schwachstellen eines Motorrades auf und bewahrt ihn beim zweiten vor Fehlern.

Suzuki DR 800 Big als Cafe-Crosser

Und für noch einen entscheidenden Punkt ist Michaels Vorgehensweise hilfreich. Als er sich entschließt, das Heck der Suzuki DR 800 Big zu cutten, kann er mit seinem Prüfer schon anhand des ersten Umbaus klar festlegen, in welche Richtung es gehen wird und was wie eingetragen werden muss oder nicht. Der späteren Zulassung des Dreckfressers steht damit nichts im Weg.

No place for Sozia: Knapp geschnittene Solositzbank

Der Prüfer nickt das gekürzte Heck ab und erkennt, dass der Umbau in puncto Sicherheit easy mit dem Original mithalten kann, vielleicht sogar hier und da punktuell verbessert wurde. Die unzähligen Verkleidungsteile der Big sind zu diesem Zeitpunkt übrigens schon längst in der Plastiktonne.

Wohin mit der Batterie?

Ein Dorn im Auge des Schraubers ist die Batterie, »im Original ein furchtbar großer Koffer«, stöhnt der Mann aus Sachsen-Anhalt. Eine passende Lösung bietet ein Lithium-Polymer-Akku, der sich in den »Rohren« seitlich neben Motor versteckt. Bei der Suche nach dem passenden Tank schielt Michael nach München. Die Jungs vom dortigen Diamond Atelier hatten letztes Jahr eine kleine DR umgebaut, Michael verwendet denselben 70er-Jahre-Hondatank wie sie.

In den Rohren versteckt sich die neue Lithium-Ionen-Batterie

Die Lampenmaske aus Aluminium sowie die Sitzbank fertigt er dagegen selbst. Als Instrumente verwendet er oft verpönte Ware aus China, »das Zeug funktioniert prima«, zuckt er mit den Schultern. Nicht jeder kann sich den teuersten Kram leisten, schon gar nicht, wenn Frau und zwei Kinder durchgefüttert werden müssen.

Die Oberflächen übernehmen Profis

Lediglich für die Oberflächenarbeiten holt Michael sich Hilfe. Die Pulverbeschichtung übernimmt ein Fachbetrieb, dasselbe gilt für die Lackierung. »Schwarzmatt bekommt man vielleicht selbst noch hin, aber an Hochglanz würde ich mich nie rantrauen. Schon gar nicht in meiner Werkstatt, wo ich im Winter schon mal bei luftigen acht Grad arbeite«, erklärt der Hobbyschrauber.

Jetzt ein Kippchen und die Idylle genießen – bon!

Diese Bezeichnung ist übrigens wörtlich zu nehmen, denn Michaels Hobby ist das Schrauben, das Fahren interessiert ihn dagegen kaum. »Mal zum Bäcker oder so, aber lange Touren? Kein Interesse.« Auch ein Grund, warum er die Suzuki wieder verkaufen möchte. Das Geld, das sie bringen wird, sichert den Bau der nächsten Karre. »GSX 1100 vielleicht, aber auf jeden Fall irgendwas Langes, Großes«, Interessenten für die Big dürften aber mittlerweile zu spät dran sein.

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.