Wenn alte Hasen mit jungen Typen Bikes bauen, berührt das unser Herz. Wenn eine alte Simson SR 2 dabei zum Hauptprotagonisten reift, unsere Seele.

Jens ist uns kein Unbekannter, schon einmal hatten wir eine von ihm gebaute Yamaha in unserem Heft gezeigt. Und schon damals spielte Jens’ Bike in unserer Lowbudget-Rubrik die erste Geige. Günstige Basisbikes, keine Unsummen für Teile ausgeben, viel selber machen – es könnte keinen Besseren als den Mellinger geben, wenn es darum geht, einem jungen Typen Lust auf Mopeds zu machen.

Simson SR 2 – Das erste eigene Moped

Leon heißt der 16-jährige Stiefenkel von Jens, das richtige Alter fürs erste eigene Moped. Und weil der Junge schon länger dem Älteren beim Schrauben über die Schulter schaute, entschied der, dass selbstgemacht statt selbstgekauft die beste Ranführung ans Thema Customizing sein würde. Viel Geld für das Nachwuchsprojekt ist nicht da, folglich setzen Jens und Leon vornehmlich auf Teile, die aus anderen Projekten übrig sowieso noch in der Werkstatt rumliegen.

Für unter 500 Euro inklusive Basis entstand ein astreines und verdammt cooles Einsteigermoped

Darunter ist tatsächlich auch ein ganzes Moped. Die Ostlegende Simson SR 2 hatte Jens mal für kleines Geld von einem Bekannten gekauft. Lange hatte das Ding nur rumgestanden, jetzt aber auf zur Mission Wiederbelebung. Und weil ein bisschen Spaß dazu gehört und der Führerscheinneuling Leon auch dicke unterwegs sein soll, wird die Leistung »mal direkt brachial angehoben«, wie Jens lachend erzählt. Er hat nämlich noch ein Motörchen einer KR 50 rumliegen. Und das wiederum leistet mit 2,3 PS eine halbe Pferdestärke mehr als die SR 2.

Simson SR 2 mit Fußrasten aus Milwaukee

Zwar passen die Haltepunkte am Rahmen ganz gut, trotzdem muss nachgearbeitet werden. Gemeinsam verstärken Jens und Leon die Motoraufnahme. Und weil die ursprünglichen Pedale nun auch nicht mehr passen, gibt es ganz prima Fußrasten aus Milwaukee, das einzige Harleyteil an dem kleinen Renner. Mit den Arbeiten am Rahmen war der Drops allerdings bei Weitem nicht gelutscht, denn da kam noch mehr, einiges mehr.

Wiegt kaum mehr als ein Sack Zement, sorgt aber für große Augen bei jungen Typen und alten Hasen gleichermaßen. Wenn damit kein Nachwuchs zu gewinnen ist, dann wissen wir auch nicht weiter

Eine moderne USD-Gabel wird im Internet geordert, gekürzt nimmt sie das neu eingespeichte 23-Zoll-Rad auf, so weit so gut. Aber ehrlich, wer rechnet in so einem Winzling mit einer solchen Scheibenbremse am Frontend? »Die ist von einer Ninja«, Jens grinst, »wir mussten doch der brachialen neuen Motorleisung Rechnung tragen.« Überhaupt kann uns der Oldie mit süßesten Worten erklären, über was für Features die Simson verfügt.

Die örtliche Prüforganisation nickt den Umbau ohne Murren ab

»Fußgesteuerte Traktionskontrolle, areodynamische Sitzposition auf dem Echtleder-Sattel, verstellbarer Multifunktionslenker, feinste Premium-Anzeige im Cockpit, absolute Leichtbauweise, kaum Bolt-on-Teile und vieles mehr …«, sprudelt es aus dem Schrauber. Wir sind entzückt und tragen diesen Humor voll mit. Die DEKRA als örtliche Prüforganisation übrigens auch, erteilt sie doch ohne Murren Gutachten samt Zulassung, der teuerste Punkt in unserer Kostenaufstellung.

Harte Kontraste und ein bisschen was zum Schmunzeln: Um das satte Leistungsplus von einer halben Pferdestärke im Griff zu behalten, wurde eine USD-Gabel samt fetter Scheibenbremse montiert – und wirkt trotzdem nicht wie ein Fremdkörper

Und Leon? Nun, der fährt neuerdings mit der Simson in die Schule. Und Jens, der zwinkert uns zum Abschluss zu: »Wisst ihr, es gibt da eine App, mit der man gucken kann, wie viel Öl da reinkommt. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass Leon beim Thema bleiben wird. Mit ein bisschen neumodischem Kram kannst du den Jungs am Ende doch auch das Schrauben schmackhaft machen.«

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.