Nicht nur der Wolf wird in Deutschland allmählich wieder heimisch. Erstmals versuchte sich eine deutsche ­Bikeschmiede auch mit der Ansiedlung des Schakals. So wurde ein Exemplar der flinken Wildhundgattung in freier Wildbahn gesichtet. Oder war es am Ende doch eine Suzuki GS 1000 im Scrambler-Pelz?

Das mit den ganzen Scramblern ist ja alles schön und gut. Nur so ein bissl mehr Bums ist eben auch schön“, erklärt mir Flo von Mellow Motorcycles den Grund für die Wahl einer Suzuki GS 1000 als Basis für ihre Jackal. „Und wenn die Kiste dann sogar noch einigermaßen für die Tour taugt, ist das doch auch eine tolle Sache, oder?“, steht seine rhetorische Frage in der Werkstatt, als wir uns heißen Kaffee gönnen. Flo ist der kreative Kopf bei Mellow. Er bringt den sauberen Stil ein und sorgt für diesen spannenden Look irgendwo zwischen toprestauriertem Oldtimer und exklusivem Custombike.

Mellow hat schon ordentliche Duftmarken gesetzt

Mellow Motorcycles hat beim großen Spiel des Customizing bereits ordentliche Duftmarken gesetzt: mit dem Sieg der Jackal in der Kategorie „Best Scrambler“ auf der EICMA, dem Gewinn des Custombike-Wettbewerbs und dem ­Titel „Best Roadster” mit einer umgebauten GS 550 auf der CUSTOMBIKE-Messe. Mittlerweile ist die Customschmiede Teil der Triumph-Dealership Frankfurt Nord und dementsprechend ziemlich auf Umbauten von Brit-Bikes fokusiert.

Allerfeinste Bremsware aus dem ­Super-­Moto-Bereich wurde gekonnt an die alte Gabel der Suzi angepasst. Die Bremsleistung ist als ­vehement zu betiteln

Aber zurück zur Suzuki. „Einen Tag vor der Intermot wurde die Jackal fertigt. Vor allem der aufwendige Umbau der Bremsen dauerte sehr lange. Ich musste mittags noch nach Bonn fahren und seltene Spezialteile von Moto-Master abholen. Nachts haben wir dann noch die Adapterplatte gefräst und alles zusammengebaut“, fährt Flo fort. „Aber das war ja nur die Krönung. Wir haben extrem viel Arbeit in die GS gesteckt, die leider keiner sieht.“ Im Detail bedeutet das die Neukonstruktion des Heckrahmens – jetzt wesentlich höher platziert und ohne Absenkung an den Hauptrahmen angeschweißt.

Suzuki GS 1000 mit Kawasaki Z1R-Tank

Oder die komplett selbstgefertigte Auspuffanlage, deren Abschluss ein e-geprüfter Endtopf unbekannter Marke und Art bildet. „Bisher haben wir immer darauf ge­achtet, Rahmen von vor 1980 zu verwenden, da sind die Bestimmungen noch etwas lockerer in Sachen Lärm und so“, erklärt sich die Wahl der angejahrten Basis-­Mopeds. Eyecatcher und stilistischer Höhepunkt der Jackal ist der angepasste Tank einer Kawasaki Z1R in der kleinen Version mit zwölf Litern Fassungsvermögen.

Die Suzuki GS 1000 von 1980 war mit 233 Kilogramm damals schon ein leichter Vertreter ihrer Art. Mellow hat nochmal knapp 40 Kilo runtergeschnitten: Unter 200 Kilo für eine alte 1000er sind ein Wort

»Das Ding alleine hat uns einen Tausender gekostet, das gab’s nicht oft. Und es sind nochmal knapp vierzig Stunden rein­geflossen, damit es passt. Aber ich wollte genau diesen Stil haben«, erklärt Flo auf der Fahrt zum Shooting die außer­gewöhnlich exklusive Wahl des Spritbunkers mit der ­klassischen Suzukifarbe: Candy-Jackal aus den 1970er Jahren. Womit der Name auch geklärt wäre.

Der Radumbau war enorm aufwändig und teuer

Es ist saukalt Ende Januar beim Fotoshooting Ende Januar. Während der Lichtbildner am Knipsen ist, erzählt mir Flo von ­seinen ersten Erlebnissen als Shooting-Star in der Szene. „Eigentlich ist das Schwierigste an der Sache, den Leuten zu vermitteln, warum das alles so teuer ist. Die meinen, wir hätten einfach neue Räder in eine alte GS geschraubt“, stimmt Flo das Lied des Customizer-Leids an. „In Wirklichkeit war der Radumbau enorm aufwändig und auch teuer.

Motogadget Tiny, mehr braucht es nicht für die Kontrolle der GS. Nicht schnöde rangeschraubt, sondern in eigener Gummilagerung befestigt

Die Excel-Felgen sind eine Sonderanfertigung, die originale Nabe war auch nicht zu gebrauchen. Einspeichen, dann noch Spezialachsen drehen lassen und mit speziellen Lagern versehen“, klingt die zweite ­Strophe des alten Umbauersongs aus. Die Kosten sind absolut nachvollziehbar, denn jeder Werkzeugmacher freut sich ungeheuer, wenn man von ihm ganze zwei Teile gemacht haben will, da fordert er allein fürs Einrichten der ­Maschinen schon mal einen Hunni und dann kostet ein neues Speziallager eben locker mal 300 Talerchen – dafür made in Swabia.

Der Four der Suzuki GS 1000 wurde komplett überholt

Auch in den Motor floss eine Menge Zeit und Geld. Der alte Zweiventiler wird komplett überholt und alle Verschleißteile gegen neuwertiges Material ersetzt. Dem Zylinderkopf verpassen sie noch eine Frischluft-Kur mit neuer Abstimmung. Nun drückt er echte 99 Pferde an die Kette, wo 1980 nur 87 für Vortrieb sorgten. Auf die Straße – oder wahlweise die örtlichen Grumbeerenäcker – bringt die Kraft ein neu gebautes Fahrwerk: Die Schwinge wird um drei Zenti­meter verlängert und YSS baut zwei Feder­beine nach Wunsch.

Alles neu im alten 1000er-Vierender: Es wurden alle Teile erneuert und zusätzlich der Zylinderkopf überarbeitet. Dank offener Luftfilter und Abstimmung auf dem Prüfstand bitten nun 99 Pferde um Aufmerksamkeit

Die Gabel bekommt neuen ­Federn und frisches Öl und wird perfekt abgestimmt. Mit dem Schakal über die Haus­strecke? Kein Ding, trotz der groben Heidenau K60 Scout. Kleine Endurotour durch die herbstlichen Laubwälder? Geht alles mit dem ehemaligen Superbike GS 1000. Sollte nun immer noch jemand denken, dass dieses ­Custombike nur das Ergebnis schnöder Schrauberei nach Feierabend wäre, der irrt gewaltig: »Einen knappen Tausender haben wir allein in Edelstahlschrauben versenkt«, zeigt Flo auf die Schrauben der Gabel. Tatsächlich sind am Rahmen und Motor nur eine Sorte Schrauben verbaut – piekfein und ohne jede Prägung.

Frischgestrickter Kabelbaum mit schwarzem Gewebeschlauch

Der Detail-Orgie nicht genug sind alle Adern des frischgestrickten Kabelbaums mit schwarzem Gewebeschlauch ummantelt und Flo erzählt sich regelrecht in Wallung ob der ganzen Detaillösungen, die eine ­Mellow zu etwas ganz Besonderem machen. So wurde das ­Rücklicht von LSL mittels eines selbstentwickelten Sockels so umgebaut, dass das Kabel nicht einfach nach hinten abgeht, sondern unsichtbar nach unten verläuft. Spinnerei? Weit gefehlt: Die ­Kollegen von LSL waren schon da und haben mal geguckt. ­Adelung? Definitiv. Mellow Motorcycles und ihre Jackal haben es verdient.

Info | mellowmotorcycles.com

 

Jens Kratschmar