Es empfiehlt sich, schnell das Totenhemd überzustreifen, bevor man dieser KTM 1290 Super Duke R die Sporen gibt. Von der Selbstverständlichkeit nämlich, mit der sich die Super Duke normalerweise abklappen lässt, ist nicht viel übrig geblieben. Dafür aber: mehr Leistung, weniger Gewicht – und kein Vaginaldesign.

Apropos Vaginaldesign: Dieses possierliche Wörtchen hatte dem Kollegen Kratschmar seinerzeit reichlich Ärger eingebracht. Es hagelte erboste Leserbriefe und Abokündigungen, dabei hatte er doch nur nach einem treffenden Wort für die verschwurbelte Optik der Mattighofener Maschinen gesucht. Wer das Frontend einer KTM ein Weilchen auf sich wirken lässt, kommt auch als politisch korrekter Mensch kaum umhin, Kratschmar vollumfänglich recht zu geben …

KTM 1290 Super Duke R im neuen Outfit

Wie dem auch sei: Tante ­Louises Sprintgerät hat sich des polarisierenden Outfits glücklicherweise komplett entledigt. Der Hamburger Motorradmulti stellt ja jedes Jahr ein heftiges Gerät auf die Räder, um damit an Achtelmeile-Sprints teilzunehmen. Dazu wurde die KTM zunächst bis auf den Rahmen gestrippt. Obwohl die Louis-­Schrauber-Crew fast alles selbst erledigt, werden bestimmte ­Arbeiten an Spezialisten außer Haus vergeben. So auch die Blecharbeiten und der neue Heckrahmen. Da das Heck an der KTM geschraubt ist, ­musste zum Glück nicht geflext werden.

Wie lässt sich das dreilagige Schuppen-Design von Frontmaske und …

Stattdessen konstruierte Blechkünstler Michael­ Naumann nach einer Zeichnung von Pressemann Kay Blanke ein neues ­Backend, ebenso wie einen Tank und eine Lampenmaske. Ein ­Problem brachten die Änderungen am Scheinwerfer allerdings mit sich. Wie bei fast allen CAN-Bus-Systemen verlaufen auch bei der KTM Elektronik und Sensorik über das Zentralinstrument. »Wenn du das Instrument entfernst, fangen die Probleme an. Darum haben wir uns ­entschieden, das Ding hinter der Lampen­maske zu platzieren. Es bleibt voll ­funktionsfähig und lässt sich im Handumdrehen herausziehen«, erzählt uns Kay.

Probleme, das Vorderrad am Boden zu ­halten

Auch wenn das Bike für Sprint­rennen vorgesehen ist, stellt sich die Frage nach der Leistung bei einer Super Duke eigentlich nicht: Die Werksangabe liegt bei 175 PS. »Den Motor haben wir daher weitgehend unangetastet gelassen. Er wurde lediglich geschwärzt und mit silbernen Schrauben und offenen Tüten versehen.« Dennoch nimmt sich Motorenguru Ulf Penner der Elektronik an und stimmt den brutalen V2 mit einem ­neuen Mapping ab. Was bleibt, ist der explosive Leistungseinsatz und das damit verbundene Problem, das Vorderrad am Boden zu ­halten und einen Überschlag zu verhindern. Also konstruiert Ulf eine elek­tronisch-mechanische Wheelie-Control, um die Bestie beim Antritt etwas zu zähmen.

… Heckbürzel interpretieren? Louis, Hamburg, Fisch?

Im Zuge der Umbauarbeiten verlor die ohnehin gertenschlanke­ KTM noch mal satte 40 Pfund, womit sie fahrfertig deutlich unter 200 Kilo bleibt. Der Inhalt des Spritfässchens schlägt dabei mit lediglich 3,5 Kilo zu Buche, nicht einmal vier Liter passen da rein. Mehr brauchts auch nicht, denn das Revier dieser Super Duke ist ja die Achtelmeile. Für einen halbstündigen Ausritt reicht die Pfütze­ im Tank aber schon. Viel weiter mag man ohnehin nicht fahren, weil das Ding einen komplett aussaugt. Aus dem ehemals mit leichter Hand zu führenden Kurvensuchgerät ist ein sturer Sprintbock geworden.

KTM 1290 Super Duke R – Sehr schnell viel zu schnell

Der Stummellenker verschiebt die Sitzgeometrie Richtung Vorderrad, was ja erst mal willkommen ist. Aber wenn dieses V2-Urvieh durch die ­offene Shark-Fanfare zum Angriff bläst, geht einem ganz schön der Zapfen – wohlwissend, dass die Traktionskontrolle abgeklemmt ist und Louis sein Unikat wohl eher ungern kaltverformt zurückhaben will. Also hopp, Hahn auf. Sehr schnell bin ich viel zu schnell. Die Pirellis grippen schlecht, wenn sie nicht ordentlich auf Temperatur gebracht werden. Dafür aber bleibt ja kaum Zeit noch Sprit. Doch die Gummis grippen nicht nur schlecht, sie wollen auch nicht in Schräglage.

Der doppelläufige Shark-Topf hat nix drin, hat’s aber dennoch ­extrem in sich. Das brüllt dermaßen infernalisch, dass Ortsdurchfahrten nur mit schwarzem Visier zu ertragen sind

Viel zu laut, viel zu schnell und mit kalten Pneus ohne elektronische Helferlein würge ich die Fuhre durch die Kurven. Uiuiuiii. Stakkato-Puls, ­Adrenalin-Flutung. Geil! Bei Ortdurchfahrten suggeriere ich den Dorfbewohnern augenscheinlich den Kriegsausbruch. Männer ziehen ihre Köpfe ein, Mütter ziehen instinktiv ihren Nachwuchs zur Seite. Puh, schnell raus aus dem Kaff, bevor mich jemand mit der Mistgabel vom Bock holt …

Mein Totenhemd riecht etwas streng …

Es dauert einige Kilometer, bis ich mich auf das Biest eingeschossen hab und die Rosso II halbwegs Haftung­ aufbauen. Die Kurvenun­willigkeit aber bleibt, weil das Gummi scheinbar übelst ­hergeburnt wurde.  Richtig harmonisch wird’s also nicht mit uns, aber extrem auf- und anregend. Auf einer ­normalen Super Duke würde ich mir ­gerade selbst um die Ohren fahren – bei deutlich geringerem Erlebniswert allerdings. Und schon sind drei Liter Super weg. Und ich jetzt auch. Muss mein Totenhemd waschen,­ es riecht etwas streng.   

 

Carsten Heil, hat die typische Zweiradkarriere der 80er-Jahre-Jugend durchgemacht: Kreidler Flory (5,3 PS), 80er-Yamaha DT und mit achtzehn dann die erste 250er Honda. Nach unzähligen Japanern über Moto Guzzi ist er dann schließlich bei Rohrrahmen-Buell gelandet. Seit 1992 mit Fotoapparat und Schreibgerät in Sachen Kradkultur unterwegs.