Udo Sacher stand mit seinen Bikes auf Bühnen, werkelte vor Kameras unter Anspannung, baute Filmrepliken unter Hochdruck. Und entschied zum Jubiläum seiner Firma, dass er nun mal einen Chopper mit richtig Druck bauen wollte. Als Basis diente ihm eine K&P-Shovelhead.

Unzählige Male hörten Storys schon mit »… aber das ist eine andere Geschichte!« auf. Und wenn wir bei Udo Sacher von »einer anderen Geschichte« sprechen, so ist sie für ihn auch wirklich anders. Anders, weil er, der in Sachen Motorrad-Customizing schon so ziemlich alles in Deutschland Machbare probiert hat, sich die Messlatte dabei immer wieder höher gelegt hat. Udo, der in seiner jugendlichen Sturm- und-Drang-Periode die flachen, langgezogenen Digger eigentlich so gar nicht ausstehen konnte, hat sich in den letzten Jahren auch mit dieser Spielart beschäftigt. »Die gehören genauso zur Choppergeschichte wie Bobber oder Langgabler«, gibt er uns zu verstehen.

Stollenreifen waren eigentlich nicht geplant. Doch mangels entsprechender Anbieter in den gewünschten Dimensionen, blieb keine andere Wahl

Nicht zu übersehen ist, dass diese Digger, wie sie in den siebziger und achtziger Jahren in den USA entstanden, zur Leistungssteigerung nicht selten Supercharger, auch Blower (deutsch= Ladekompressor) genannt, angebaut hatten, oft sogar von Auspuffabgasen angetriebene Turbolader. Aber all diesen meist seitlich angeklatschten Geschwülsten konnte Udo lange Zeit nichts abgewinnen, bis er irgendwann doch tatsächlich eine AME-BMW mit 75/5-Motor ins Haus bekam. Warum sollte er es nicht auch mal mit einer BMW wagen?

K&P-Shovelhead – Ein Ladekompressor schien wohl machbar

Beim Check, was es denn da schon alles gab beziehungsweise was bisher noch kaum Verwirklichung fand, kam ihm der CAD-Entwurf des Holländers »Duckman« in den Sinn, eine beachtenswerte Kompressor-BMW, die in unserem Buch »Save the Choppers!« ausgiebig abgebildet ist. Ja, so ein Lader wäre an dieser BMW wirklich clean zu integrieren. Turbos schieden für Udo aus, denn da gefiel ihm das Gewurstel mit den Auspuffrohren einfach gar nicht – ein Ladekompressor aber, das schien wohl machbar. Die Suche nach einem solchen verlief zunächst frustrierend: Alles schien irgendwie viel zu groß zu sein, zu massiv.

Der dezent bauende Kompressor setzt den ehrwürdigen Shovel milde unter Druck, nachdem die Luft durch einen offenen Filter angesaugt wurde

Selbst für eine BMW, wo er das Teil ja längs über dem Kurbelgehäuse platzieren hätte können. Dann hörte er etwas über japanische Kleinwagen, die – im Vergleich zu dem, was sonst so in Autos Verwendung fand – sehr kleine Kompressoren angebaut haben sollten. Das Internet spuckte den Namen Aisin aus und auf einer der Versteigerungsplattformen waren solche Teile tatsächlich zu haben: in neu, gebraucht oder überholtem Zustand, klein und noch kleiner. Udo bestellte den größeren der Kompressoren und bis der geliefert wurde, waren die Überlegungen zur Befestigung und dem Antrieb gediehen und es hätte eigentlich mit den Anpassungsarbeiten losgehen können. Doch inzwischen hatte die gechoppte BMW überraschend einen Käufer gefunden.

Warum nicht das schnuckelige Teilchen an einen Harley-V2 anbauen?

Udo kam das letztlich nicht ungelegen. Es waren ihm doch in letzter Zeit viel zu viele Custom-BMWs entstanden, da musste er ja nicht auch noch mitmischen. Aber der Blower lag halt nun bei ihm rum: Kleiner und schlanker als alle Magnuson-Bolt-on-Kits, wie er sie bisher an Harley-Diggern angebaut sah, gerade eine kräftige Hand voll. Warum also nicht das schnuckelige Teilchen an einen Harley-V2 anbauen? Die Idee ließ ihn nicht mehr los. Aber und allerdings: Der Herr Sacher wollte weit weg vom bekannten Bolt-on-Look, viel mehr wollte er zu seinem fünfundzwanzigsten Firmenjubiläum sein ganz eigenes Ding machen. Für seinen neuen Aufbau sollte es nämlich keine Harley-Davidson sein, zumindest fahrwerksseitig nicht.

Die linke Seite wird vom Riemenantrieb des Kompressors dominiert, der teilweise in die linke Tankhälfte ragt

Udo wollte stattdessen als Basis eine der seltenen Shovelheads im Starrrahmen benutzen, die einst die deutsche Firma Kruska & Papenhöfer gebaut hatte. Vor gut drei Jahren hatte er so eine erwerben können. Damals sollte die K&P das Richtige für seinen Sohn Richard werden, wenn dieser mal den Führerschein in der Tasche hat. Doch der eiferte ganz anderen Idolen nach. Motor und Getriebe der K&P zeigten sich überholungsbedürftig. Und auch die relativ kurze Harman-Girdergabel musste sich, hinsichtlich der unteren Federhebel sowie der Abstützung und Anlenkung der intern versteckten Federn, eine Überarbeitung durch Udo gefallen lassen.

K&P-Shovelhead – Die Stollenbereifung war ein notwendiges Übel

Das Vorderrad einer Honda XL 500 ließ sich schön einpassen. So ordnete der Schrauber es mit schwarz beschichteter Felge und neuen Edelstahlbauteilen bestückt in das voranschreitende Konzept ein. Für Udo war die Stollenbereifung ein eher notwendiges Übel, weil sich für die vorn eingespeichte 23-Zoll-Felge eben nichts anderes finden ließ. Doch es zeigte sich schnell, dass sie genial zum angestrebten, rauen Bild einer hart rangenommenen Landmaschine passen würden. Ebenso aus dem eigenen Teilefundus stammend und für geeignet erachtet, scheint auch die außergewöhnliche Vorderlampe zu polarisieren. Was vielen zu futuristisch wirkt, wurde in den siebziger Jahren als Spiegel-Zusatzscheinwerfer-Kombi-Zubehör für US-Cars angeboten.

Auch den Öltank hat Udo gebaut. Lackkünstler Chiko hat für stilechte Patina gesorgt

Udo gefiel das alte Gehäuse aus Alu-Spritzguss und er passte Reflektor und Streuscheibe mit Zulassung ein. Wer genau hinsieht, kann hinten noch die Abflachung erkennen, wo ursprünglich der Spiegel angebracht war. Hinter den handgebauten Lenker kamen schmal geschnittene, ehemalige 3,5-Gallonen-Tankhälften, die der Schweißkünstler zusätzlich einseitig ausschnitt. Der Blower brauchte ja Platz und das Bike sollte so schmal wie möglich ausfallen. Am Öltank hingegen kamen für eine angestrebte, flüssiger wirkende Optik blecherne Verlängerungen und Halter zur Fixierung der Ölschläuche dran. Dass auch ein zusätzlicher Halter fürs Zündschloss im Öltank integriert wurde, übersieht man dabei fast.

K&P-Shovelhead mit Supercharger und mattgestrahltem Ansaugrohr

Auf geniale Weise hat am Ende Lackierer Chiko ihm und beinahe allen restlichen Blechteilen eine uralt scheinende Oberflächenversiegelung verpasst. Seine Arbeit bestätigt wieder einmal, dass Lackierer nicht unerheblich daran beteiligt sind, wenn die Teile eines Motorrades ein harmonisches Ganzes ergeben sollen. Diesem Ganzen untergeordnet fand der glasperlgestrahlte Aisin-Blower seinen Platz auf der linken Fahrzeugseite. Mit langem Keilriemen verbunden und direkt von der Kurbelwelle angetrieben, zieht nun zunächst eine geschwärzte, TÜV-konforme Riemenabdeckung den Blick an, um ihn dann aber auch gleich auf den Supercharger und das mattgestrahlte Ansaugrohr mit dem S&S-Super-B-Vergaser zu lenken.

Funktionales Ducktail mit integriertem Rücklicht und zwei fast unsichtbaren Blinkern

Alles ohne Glanz und Glitter verwirklicht, sind auch der elektronische Tacho und die Manometer für Überdruck (zwischen den Tankhälften) und Unterdruck (am Ansaugrohr) nur rein funktional gehalten. Und weil der Motor sich in manchen Drehzahlbereichen etwas ruckelig gab, bekam der S&S-Drosselklappenvergaser im Nachhinein noch einen dritten Benzinkreislauf mittels zusätzlicher einstellbarer Thunderjet-Düse.

Beide Tankdeckel und die hintere Rockerbox mit Schnellgravur

Jetzt, wo alles funktioniert und die »Road Runner« – wie Udo sie getauft hat – sauber läuft, sind all die Recherchen, Berechnungen und Anpassungsarbeiten fast vergessen. Zu guter Letzt bekamen sowohl die beiden Tankdeckel als auch die hintere Rockerbox eine Schnellgravur im Used-Look verpasst. Damit stellt Udo Sacher klar, wer das Bike gebaut hat » … und dass ich schon fünfundzwanzig Joohr emm Gschäfd bin«. 

Info |  us-custombikes.de

 

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