Hört mein Wort, die Maschine muss radikal sein – Karl Renoult hält Predigten in Stahl. Seine Kawasaki Z 1000 ist Gotteslästerung und sakrale Kraft zugleich.

»Blasphemie«, werden sie schreien, die alten Schnellfahrer, die feuchte Augen beim Anblick einer originalen Kawa Z 1000 bekommen. Gotteslästerung im Angesicht einer Sportlegende – ist es das, was Karl Renoult im Sinn hatte, als er dieses Motorrad baute? Verstören, ja, das tut der Franzose. Gewaltige Motorräder schaffen, auch das.

Der Vernunft in den Arsch treten

Denen, die das Loblied der Vernunft singen in den Arsch treten, verdammt nochmal, ja! Mit Bibelzitaten ist der Tank der Kawasaki geschmückt – fünf Liter passen rein, die Verse 8 bis 17 aus dem Kapitel 21 des Buches Ezechiel in feinster Gravur obendrauf. Es geht in den Zitaten um Schwerter, Schlächter und den Zorn.

Fast filigran wirkt der Solosattel gegenüber der vollen Wucht von Reihen­vierer und Reifen. Dabei sind unter ihm noch listig Blinker und Bremslicht versteckt. Denn, so hört, dieses Motorrad soll legal die Straßen teilen

Wäre der Hintergrund zum Bau dieses Motorrades nicht bitterer Ernst, wir würden Karl Renoult tatsächliche bloße Provokation unterstellen. Aber die Dinge liegen anders. Grégoire heißt der Auftraggeber zu diesem Bike. Am 15. November 2015 überlebte er die Anschläge von Paris knapp und entschied danach schnell, dass man so viele Träume wie möglich in seiner Lebenszeit wahr machen muss.

Lebenstraum – Ein Bike von Karl Renoult

Ein Bike aus den Händen von Karl Renoult zählte für Grégoire dazu. »Nach zwei, drei Telefonaten stand das Projekt in Umrissen fest«, erzählt Grégoire, »aber ich wusste natürlich, vieles würde Karl nach seiner Fasson bauen, das gehört bei ihm einfach dazu.«

Geschmackssache ist der Autoreifen im Heck, wir finden ihn etwas überdimensioniert. Ein Headturner à la Ed Turner ist er aber allemal

Und so gibt der Kunde nur grobe Richtlinien wie einen präsenten Rahmen, ein Springer-Frontend und silberne Oberflächen. Sportlich würde die Kiste von allein werden, Karl Renoult ist Fan alter Racebikes. Dass er in diesem Fall aufgrund eines begrenzten Budgets nicht alle seine wilden Ideen umsetzen würde, ist vielleicht gar nicht mal so schlecht, denn nur so erhält er die Balance zwischen Fahrbarkeit und Design.

Kawasaki Z 1000 – Es blitzt grün zwischen den Rahmenrohren hervor

Also bleibt der Motor weitestgehend unberührt, wenn es Karl sich auch nicht nehmen lässt, das Motorgehäuse in anderer Farbe neu zu gestalten. Grün blitzt es jetzt zwischen den Rahmenrohren hervor. Den fetten Auspuff mit steil nach oben gereckten Pipes gibt es vom Meister der Radikalität obendrauf.

Kleines Meisterwerk: Aus einer ordinären Honda-CBR-Gabel wird mittels eines zwischen den Holmen justierten Federbeines eine gedämpfte Springer

Austoben darf sich der Bikebuilder aus der Nähe von Nantes auf der optischen Seite der Kawa, und da gibt es weitaus genug zu tun. Alles raus, was nicht gebraucht wird, und den Rahmen sauber halten. Leichte Modifikationen am Fahrwerk kommen on top, der Originalrahmen wird im Heck geschmälert und nimmt dort den fast etwas überdimensional wirkenden Autoreifen auf.

Kawasaki Z 1000 mit Honda-Monoshock-Gabel

Der wiederum dreht im verbreiterten Honda-Rad, das irdische Budget eines Motorradverrückten gibt da nicht mehr her. »Schön sind die Räder außerdem«, findet Renoult, »und passen in der jetzt polierten Version erstaunlich gut zur Honda-Gabel.« Die holt sich Karl aus einer CBR und versieht sie mit einer Monofederung.

Mag man über die Kardanabdeckung noch geteilter Meinung sein, so lässt spätestens die zurückgelegte Rastenanlage keine Fragen nach Detailbesessenheit offen

Nur für dieses Frontend begibt sich der Künstler entgegen seiner Gewohnheit ans Zeichenbrett, skizziert verschiedene Versionen vor und berechnet sie mathematisch. »Zusammen mit meinen Freunden Joe, Mikael und Gael entstand die Gabel dann endgültig.

Heiße Abluft aus den steil aufragenden Doppelflutern

Und sie funktioniert erstaunlich gut.« Über der Gabel thront ein ausladender Lenker, der an sich gar nicht racing ist, aber doch an diesem Bike verdammt scharf kommt. Klar renninspiriert ist da wiederum die Sitzposition, hoch oben auf dem Sattel, die Füße nach hinten zur zurückverlegten Rastenanlage gestreckt. Gut so, denn dadurch bleiben die Gräten halbwegs vor der heißen Abluft aus den steil aufragenden Doppelflutern verschont …

Brutale Kraft: Den Motor der Zett veränderte Karl Renoult nicht, überarbeitete aber zumindest das Motorgehäuse. Ganz passend Kawasaki-Grün – mehr Farbe gab es für den Bastard nicht

Die lohnt übrigens einen genauen Blick, nicht nur wegen des virtuosen Schaltgestänges, sondern auch wegen der Schaltwippe, mit der die Gänge eingelegt werden. Und weil Karl und sein Kunde eine Straßenzulassung des Bikes dringend haben wollten, sind unter dem Solosattel noch Notwendigkeiten wie Blinker und Bremslicht versteckt.

Kawasaki Z 1000 – Handwerkskunst aus der Bretagne

Für den letzten Streich an seiner Kreation verlässt sich Karl auf Handwerkskunst aus der Bretagne. »Stick your Cycle« heißt die Firma, die Worte über Schwerter, Stahl, Tod und einen zum Kämpfen bereiten Gott in den Tank graviert. Bibelzitate aus dem alten Testament, so aufwühlend wie dieses Motorrad. Amen.

Info | instagram.com/ed_turner_label

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.