Wir lieben unseren Job und unsere Schrauber und Customizer. Aber manchmal könnten wir gepflegt auf den Schreibtisch brechen – zum Beispiel, wenn wir euch ein Motorrad zeigen wollen, dessen Besitzer sich aber wie der letzte Vollhorst benimmt. Jeff Wrights Kawasaki KZ900 ist ein cooler Stuhl, ihr Erbauer hat uns nicht überzeugt.

Liebe und Hass, anders lässt sich das Verhältnis zu einem Typen wie Jeff Wright, dem Mann hinter »Church of Choppers«, nicht beschreiben. Seine »FTWCO«-Aufkleber haben es, auch dank dem Zusatz »kostenlos«, um die halbe Hipsterwelt geschafft, und doch steckt noch viel mehr hinter der Geschichte.

Imagepflege mit Aufklebern

Aufkleber sind nur ein ganz kleiner, wenn auch verdammt wichtiger Teil, des ganzen CoC-Kosmos, denn schließlich muss ein Image gepflegt werden, um möglichst viele Shirts und sonstigen Merchandise-Kram an die treu folgende Gemeinde zu verkaufen.

Ein Bike, das aussieht, als hätte eine Hausfrau aus Milwaukee ein Verhältnis mit einem Samurai gehabt und neun Monate später einen Bastard geboren

Wenn Jeff mal wieder nicht gerade schwerst angetüdelt über eine Party stolpert, baut er tatsächlich auch Motorräder. Genau diese Art von Bikes, die man liebt oder eben hasst. Man muss Jeff zumindest zugestehen, dass seine Bikes nicht nur nach verdammt viel Bumms aussehen, sondern auch so fahren, als hätte sie der God of Speed selbst mit einem mächtigen Donnerschlag auf die Erde hernieder fahren lassen.

Kawasaki KZ900 – Amerikanisch-japanischer Bastard

Wir verstehen aber eben auch jeden, der sagt, die hier gezeigte Kawa ist der größte Scheiß, weil sie aussieht, als hätte eine Hausfrau aus Milwaukee ein Verhältnis mit einem japanischen Samurai gehabt und neun Monate später einen Bastard geboren, um ihn anschließend auf der hippen, kalifornischen Born-Free-Show Zuschauern und Presse zum Fraß vorzuwerfen. So auch uns.

Die groben Schweißnähte verraten es uns, dieser Tank ist selbst gedengelt. Auf die Außenseiten des Spritgefäßes schraubte Jeff außerdem Abdeckungen an. Die Sieben steht für das siebte Fullcustom aus der »Church of Choppers«-Schmiede

Nun zeigt die medial ausgeschlachtete Born-Free-Show schon Monate vor dem eigentlichen Event fast jede Schraube der Bikes, die »invited« sind. Außer bei Jeff, denn von seinem Bike gab es bis auf ein paar wenige Bilder und ein bezeichnendes Musikvideo nichts zu sehen.

Kawasaki KZ900 – Per Biketransporter an die Westküste

Auch wir sind eher zufällig über die Kiste gestolpert, sie stand nämlich auf einem Biketransporter, der alle Ostküsten-Bikes quer durch die Staaten an die Westküste zur Show gebracht hatte. Da klar war, das Jeff niemals nüchtern genug oder auch nur im Ansatz dazu geneigt gewesen wäre, sich Zeit für einen normalen Fototermin zu nehmen, haben wir unsere Chance genutzt.

Crossover: Teile aus dem Motocross-Sport zu benutzen ist ein Markenzeichen der Church-Bikes. Vergaserblende, die Gabel oder auch den vergitterten Scheinwerfer findet man normalerweise eher auf dem Dirttrack

Zwischen dem gefühlten dritten oder vierten Mal Be- und Entladen des LKWs haben wir uns die KZ900 geschnappt, in die Sonne geschoben und die Fotos gemacht. Warum? Nun, weil das genau die Bikes sind, an denen auch wir uns gern reiben und die aus Heftchen Magazine machen. Love or fucking hate it.

Technische Eckdaten und Hintergrundinfos? Pustekuchen

Zu diesem Zeitpunkt waren wir übrigens noch fest in dem Glauben, Jeff würde uns in nüchternem Zustand zumindest die Ehre erweisen, ein paar technische Eckdaten und Hintergrundinfos zu liefern … Pustekuchen.

Ein brachialer Motor hängt im dürren Starrrahmen, offene Technik wie beim nach außen verlegten Zündverteiler lässt genau hinschauen. Auf der linken Motorseite wurde die Lichtmaschine entfernt

Als wir höflich um das Ausfüllen unseres Datenblattes bitten, bekommen wir folgende Antwort: »Schön, dass ihr mein Bike zeigt, aber ich will euch keine Daten liefern. Mein Motorrad soll allein für sich sprechen. Ich bin müde, dass alle immer denselben alten Weg gehen. Die Leute interessieren sich sowieso einen Dreck für die technischen Daten eines Motorrades.«

Über diese Kawasaki KZ900 wissen wir so überhaupt gar nichts

Das hat gesessen, wir sind leicht angepisst und befinden uns in einem Dilemma. In unseren Facebook-Timelines drücken wir alle im Laufe eines Tages gefühlte 200 Mal »Gefällt mir« bei einem Foto von einem Motorrad, über das wir so überhaupt gar nichts wissen. Nur die wenigsten begeben sich wirklich auf die Suche nach dem Bikebuilder oder der Story dahinter. Auf der anderen Seite haben wir als Magazin einen Anspruch.

»Es langweilt mich, Leuten technische Daten zu erklären. Dafür interessiert sich sowieso niemand, meine Bikes sollen für sich allein stehen«

Wir wollen eben mehr liefern als die endlosen Seiten im Netz und dafür reißen wir uns den Arsch auf, um eine bunte und fundierte Mischung aus der Customwelt zusammenzustellen – und dazu gehören eben auch technische Daten und Fakten. Wer bis hierher gelesen hat, weiß sicher schon, dass dies kein übliches Bikeporträt ist. Wir haben nicht viel mehr Infos zu Jeffs Kawa, als jeder halbwegs begabte Google-User mit ein paar Klicks herausfinden würde. Der technische Datenkasten fällt damit etwas kürzer aus als normal, wir haben das zusammengetragen, was wir verantworten können.

Ein Hoch auf den salzigen Nachgeschmack

Wir haben uns trotzdem entschieden, die Kawa zu zeigen, weil wir halt auch ein Herz für bescheuerte Typen mit ihrer Lecktmichdochalleamarsch-Einstellung und ihren verkorksten Ideen haben. Auch wenn sie im Umgang mit anderen eher dummbatzig und unprofessionell daherkommen. Dieses Bike – und davon sind wir überzeugt – gehört gezeigt. Ein Hoch auf den salzigen Nachgeschmack, damit beenden wir diese Premiere – einen Artikel über ein Bike, ohne auch nur ein Wort über das eigentliche Motorrad zu verfassen. Ob ihr jetzt noch »Gefällt mir« klickt, liegt an euch.

Info |  churchofchoppers.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.