Sebastian ist das Paradebeispiel für einen Hinterhofschrauber, der ohne viel Ahnung, aber mit Bock und guten Ideen beginnt, an einem Bike zu schrauben. Seine Honda VT 600 Shadow der Beweis, dass diese Herangehensweise zu einem richtig coolen Ergebnis führen kann.

Nun ist es nicht so, dass Sebastian gar keinen Plan von Mopeds hat. Auf einem Bauernhof im Ruhrgebiet bastelte er früher jahrelang an Schwalben aller Kategorien, fuhr seinerzeit im Alltag eine eher selten gesehene NSU.

Kein Platz zum Schrauben in der Stadt

Die Saat war damit ausgebracht, der Umzug nach Düsseldorf – der Liebe wegen – verhindert allerdings zunächst die reiche Ernte. Sein Werkzeug lagert Sebastian nach dem Umzug erst mal zwei Jahre ein, Platz zum Schrauben in der Stadt, Mangelware.

Die Shadow kriegt richtig was auf die Mütze: Als Daily Driver und Urlaubsgefährt macht sie um die 20000 Kilometer im Jahr

Die NSU begleitet ihn immer noch, trotzdem, irgendwann muss eine zweite Karre her. Eine Honda Shadow ist ein kostengünstiges Motorrad, das für den Alltag gut taugen sollte – gekauft. Zwei Monate fährt Sebastian die Kiste im Serienzustand, dann reichts.

Honda VT 600 Shadow – Heckumbau auf der Straße

Mit dem Schweißgerät baut er auf der Straße zwischen parkenden Autos das Heck um, »ziemlich verrückt, wenn ich daran zurückdenke«, grinst Sebastian. Und dass diese Aktion nur der Anfang einer längeren Geschichte ist, wird beim Blick auf seinen aktuellen Umbaustatus auch schnell klar.

Ein elektronischer Tacho vielleicht noch, mehr Wünsche hat ihr Besitzer nicht

Tatsächlich findet Sebastian in einem Internetforum einen Typen, der ähnlich tickt wie er. Markus, gelernter Dreher und Mister 110 Prozent wird zum Verbündeten, gemeinsam beschließen sie, das Thema Honda Shadow auf die Spitze zu treiben, der endgültige Startschuss für die Verwandlung vom biederen Softchopper zum lässigen Alltagskrad.

Honda VT 600 Shadow – Zuverlässiger Daily Driver

Am Motor der Honda ist nicht allzu viel zu machen, immerhin, das Bike soll tatsächlich kein Showbike sein, sondern Sebastian nahezu täglich begleiten. Das setzt Zuverlässigkeit voraus, da braucht es keinen Eingriff in den Zweizylinder.

Ungewöhnlich und selten für die Honda Shadow war der Umbau auf Fußkupplung und Handschaltung. Zunächst war das fahrtechnisch gewöhnungsbedürftig, heute ist es anders kaum vorstellbar

Ein Gimmick gönnt sich der Düsseldorfer trotzdem. »Ich wollte wissen, wie das ist mit Fußkupplung und Handschaltung«, erklärt er. In den USA findet er den passenden Kupplungszug, der tatsächlich recht idiotensicher einzubauen ist, wie er erzählt. Der Schalthebel wird selbst gebaut.

Honda VT 600 Shadow mit Fußkupplung und Handschaltung

Das mit dem Fahren später ist allerdings nicht ganz so einfach wie das Bauen. »Die ersten drei Wochen war das richtig scheiße, vor allem im Stadtverkehr, da gab’s schon ein paar kuriose Situationen.« Mittlerweile ist die Eingewöhnungszeit überstanden, Sebastian kann sich das Fahren gar nicht mehr anders vorstellen.

»Der Aufbau folgte dem Trail-And-Error-Prinzp. Viele Dinge hatte ich noch nie vorher gemacht.«

Die optische Umgestaltung der Shadow folgt dem Trial-and-Error-Prinzip. »Wir haben einfach gemacht und so entstand Schritt für Schritt das Motorrad.« Da wäre zum Beispiel der Bau der Sissybar, was hatten Sebastian und seine Kumpel Schiss davor, ob das auch wirklich gelingen würde.

Honda VT 600 Shadow – Umbau ohne größere Probleme

»Und dann waren wir regelrecht erschrocken, wie einfach sowas eigentlich ist. Da haben wir dann gleich fünf, sechs Stück von den Dingern gebaut«, lacht er. Auch die Anfertigung von Sitzbank und Fußrasten stellen die Jungs vor keine größeren Probleme, anders sieht es da mit dem Hinterrad aus.

Neben guten Freunden kann Sebastian beim Ausleben seiner Leidenschaften vor allem auf seine Frau Lorina zählen: »Sie hält mir den Rücken frei und hat allen Dank verdient.«

Sebastian besteht auf sechzehn Zoll statt den serienmäßigen fünfzehn, fündig wird er beim Rad einer Kawa VN 800. »Bis das allerdings gepasst hat, mit den Abstandshaltern und so, das war schon viel Arbeit, die man im Endeffekt gar nicht mehr so wahrnimmt.« Gleiches gilt für den innenliegenden Gaszug, teuer, aufwendig, nicht sichtbar. 

Honda VT 600 Shadow mit gekürztem Fehling-Ape

Dafür wird es an anderen Ecken sparsam. So wird der Fehling-Ape einfach passend gekürzt und auf eine Lackierung verzichtet. Freund Johnny darf sich dafür auf den Flanken des Eigenbau-Tanks oldschoolig austoben.

Der Fehling-Lenker wurde zusätzlich gekürzt. Wo manch einer Schmerzen in den Handgelenken vermutet, fährt Sebastian an die 20000 Kilometer im Jahr mit seinem Chopper

»Es war mir wichtig, dass das Bike nicht geleckt oder showmäßig aussieht. Letztlich nämlich hat es ein Typ auf der Straße gebaut, der eigentlich erst mal keinen Plan hatte. Und genau das darf man auch sehen.« Abgesehen davon haben wir es hier mit einer Karre zu tun, die wirklich gefahren wird.

Der Trip zum Wheels and Waves wird zur Feuerprobe

Nicht nur jeden Tag zur Arbeit, sondern auch auf großen Touren. So wird ein Trip zum Wheels and Waves nach Biarritz zur Feuerprobe. Mit drei umgebauten Shadows machen sich Sebastian und seine Freunde auf den Weg, 7000 Kilometer werden es am Ende, weil sie eine kleine Pyrenäen-Runde gleich noch mitnehmen.

»Mein Bike sollte nie geleckt oder showmäßig aussehen. Es ist mein Alltagsrad – und das darf man auch sehen«

Sein persönliches Highlight erlebt Sebastian allerdings am heimischen Motorradtreff, als ihn ein älterer Herr anspricht: »Krass, was du aus der Sportster gebaut hast!« – auch eine Art Kompliment.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.