Einmal im Jahr kommt Tante Louise mit einer Überraschung vorbei. Meist in ein silber-rot glitzernden Kleidchen gehüllt, durfte es zuletzt etwas rustikaler sein. Eine Honda GL 1800 – Gold Wing mal anders .

Louis’ jährlicher Beitrag zur gehobenen Custom-Kultur hat schon einige lovely Machines hervorgebracht. Im letzten Jahr hatten die Fischköppe aber scheinbar den Teufel dabei. Wer mit dieser gestrippten Gold Wing durchzieht, wählt definitiv lieber das Höllenfeuer als Euro-5-konform im Bikerheaven zu vergammeln.

Honda GL 1800 – umfangreicher elektronischer Ballast

Aber der Reihe nach: Wer als Basisbike für sein Projekt eine 2018er Goldwing wählt, muss ein wenig irre sein. Von der Sitzheizung über alle erdenklichen Assistenzsysteme bis zum Airbag – die Ausstattungsliste von Hondas 400 Kilo schwerem Topmodell ist schier endlos und entsprechend umfangreich ist der elektronische Ballast. Die Louis-Schrauber-Crew ist begeistert.

Sieht im Profil schon irgendwie scheiße aus, so ein nackter Goldflügel. Aber mit Klamotten ist’s ja noch weitaus schlimmer

Doch weniger von der opulenten Verwöhnausstattung, sondern von dem hochmodernen, 1800er Sechszylinder-Boxer und dem phantastischen Doppelkupplungs-getriebe, das im „Feuer-Frei!“-Modus blitzschnell und ohne jeglichen Schubverlust automatisch die Gänge wechselt. Vom Reisedampfer bleiben lediglich Motor, Getriebe, Kardanschwinge und unbe-dingt nötige Elektronik. 

Eigens angefertigte, sechsflutige Auspuffanlage

Sam Wassermann fertigt einen neuen Rahmen, dazu kommen eine USD-Gabel und ein Federbein von Wilbers, ein Satz Kineo-Räder aus Italien sowie eine eigens angefertigte, sechsflutige Auspuffanlage von Shark. Michael Naumann baut einen neuen Tank aus Aluminium, der direkt im Rahmen hinter dem Motor platziert wird. Denn der Raum unter der ebenfalls aus Alu gefertigten Tankattrappe wird dringend für die Elektrik benötigt.

Was aus den sechs Rohren kommt, ist nicht mehr normal. Der Sound nutzt fast die ganze Klaviatur, die Verbrennungsinfernos bieten: Kehliges Triple- und Four-Röhren, Sechsender-Fauchen und V8-Grollen. Der von Tuning-Papst Ulf Penner abgestimmte Boxer speit all das aus

 

In Zeiten von CAN-Bus führt das Weglassen von elektronischen Bauteilen gerne dazu, dass das Bike keinen Mucks mehr macht. Erst nach einer gefühlten Unendlichkeit im Reich des Kabelsalats war alles wieder so zusammengesteckt, dass die Mühle wieder ansprang.

Richtig hübsch ist die Wing ja nicht geworden

Nach einem kurzen Ausritt können wir astreine Arbeit bescheinigen. Richtig hübsch ist die Wing ja nicht geworden, was bei dieser Basis ja auch ein Ding der Unmöglichkeit ist. Aber die Performance … alter Schwede! Kann mich nicht erinnern, jemals dermaßen in den Arsch getreten und in ein akustisches Inferno gehüllt worden zu sein.

Bremshydraulik von Magura und ABM

 

Die absolute Hölle, unendlich geil! Und da man nicht schalten muss, kann man sich voll und ganz auf den brutalen Schub konzentrieren. Und genau dafür ist sie ja auch gebaut worden – für den Sprint auf der Achtelmeile. Das wird sehr sehr hart für die Gegner …

 

Carsten Heil