Mit Mitte 20 wagt sich Marco  an seinen ersten Umbau, der direkt durch Linie und Leichtigkeit überzeugt. Ein Hoch auf den Nachwuchs – und eine wunderschöne Honda CB 550.

Manchmal fällt es mir schwer, begeistert zu sein. Ich sehe jeden Tagen Motorräder, über die Jahre in meinem Redakteursjob müssen es tausende gewesen sein. Manche sind ganz nett, manche sehr nett, manche richtig schön und durchaus auch einige echt kacke.

Honda CB 550 – Überschäumende Begeisterung

Aber überschäumende Begeisterung lösen sie immer seltener aus, denn – Achtung Phrase – das Rad erfindet keiner neu. Diese Honda hat es trotzdem geschafft, mir ein großes Grinsen in mein manchmal motorradmüdes Gesicht zu treiben, und das hängt untrennbar mit ihrem Erbauer zusammen.

Die Originalgabelbrücke wurde von all ihren Halterungen befreit, Marco fräste sie sauber ab. Jetzt ist hier nicht mehr viel und der Blick aufs Instrument herrlich aufgeräumt

Denn es gibt zwar, dem Trend geschuldet, zahllose gut gemachte Roadster und Racer mit schöner Linie und sauberer Arbeit. Sie kommen von den Mellows, Wolfs, Diamonds, Urbans oder Benders – Profi-Schmieden mit jahrelanger Erfahrung und entsprechendem Erfolg.

Honda CB 550 – Lorbeeren für Marco

Aber bei der rot-weißen Honda ist das anders. Sie kommt aus einer Dreißig-Quadratmeter-Garage in Belgien, gebaut von Marco, jung, motiviert und besessen. Und alle Lorbeeren, die ich gleich über ihm ausschütten werde, wert.

Der Motor wurde komplett revidiert, auch die vier Keihins von Grund auf neu gemacht

»Du machst beruflich irgendwas mit Motorrädern oder bist mindestens Schlosser oder so?«, frage ich den Youngster auf der Suche nach Erklärungen. »Nö«, sagt Marco, »ich arbeite im Krankenhaus als Röntgentechniker.« »Okay«, bohre ich weiter, »das ist nicht dein erstes Bike, du hast schon vorher welche gebaut?«, »Nö«, sagt Marco wieder, »ist mein erstes Motorrad und deshalb auch mein erster Umbau.«

Glorreiche Motorradvergangenheit? Zehn Jahre Motocross …

Verdammt, gibt’s doch nicht. »Bitte, bitte, erzähl mir irgendwas von einer glorreichen Motorradvergangenheit«, bettle ich. »Mhm, ich bin zehn Jahre Motocross gefahren und habe von meinem Vater viel gelernt, der schraubt schon immer an Bikes. Gilt das?« »Na Gott sei Dank«, denke ich und wische mir die Schweißperlen von der Stirn, also doch.

Der Höcker ist nicht nur klassisch schön, sondern versteckt auch den auf ein Minimum geschrumpften Kabelsalat

Natürlich ist das nur eine kleine Erklärung, denn den Sinn für Linie und Eleganz, den bekommst du beim Crossfahren und Werkzeug schwingen dann doch nicht, den hast du einfach. Als Marco die Honda kauft, ist sie original und läuft schlecht. Es ist ihm klar, der Motor muss gemacht werden.

Honda CB 550 – Freies Rahmendreieck muss sein!

Er öffnet ihn und führt die Revision allein durch. Vergaser neu machen, auf die K&N-Filter einstellen, synchronisieren, der Auspuff selbstgeschweißt aus Edelstahl – das volle Programm. Heute läuft der Vierzylinder optimal. Dass zu einem guten Racer ein freies Rahmendreieck gehört, weiß Marco.

Beide Speichenräder haben neue Lager bekommen, wurden gepulvert und mit neuen Inox-Speichen versehen. Die hintere Trommel bekam neue Beläge

So ändert er das Heck der Honda komplett. Einmal abtrennen, neu aufbauen und verschweißen, Ziel dabei ist es, eine möglichst horizontale Linie mit dem Tank zu erhalten. Es gelingt vorbildlich, vor allem im Zusammenspiel mit Sitzbank und Höcker, beides selbstgebaut.

Antrag auf Customasyl in Belgien

»Aber was ist mit TÜV und der ganzen Heckschweißerei?«, ha, jetzt hab ich ihn, den Rookie. »TÜV? Gibt es in Belgien für Motorräder nicht«, grinst Marco und ich stelle sofort meinen Antrag auf Customasyl im Nachbarland.

Unter der Sitzbank versteckt sich die Minibatterie, von Hersteller »Ballistic« stammt der Acht-Zellen-Leichtbau-Akku

Die Räder bleiben original, allerdings bekommen beide neue Lager, werden gepulvert und neu eingespeicht, die Firestones machen sich prächtig drauf, eine neue Stahlflexleitung für die vordere Scheibe ist obligatorisch, die hintere Trommel bekommt zumindest neue Beläge.

Honda CB 550 – Elektrik im Höcker versteckt

Um das nun aufgeräumte Bild des Motorrades nicht zu zerstören, baut der Youngster einen neuen Minimal-Kabelbaum, die Kabel laufen dabei unsichtbar durch die Rohre, die komplette Elektrik ist im Höcker versteckt. Die kleine Acht-Zellen-Batterie unterm Sitz ist ebenfalls ein Miniaturwunder.

Marco lebt im deutschsprachigen Teil von Belgien, kennengelernt hatten wir ihn im Rahmen der Custombike-Show. Dort sackte der Youngster mit seiner Honda gleich zwei Pokale ein: Wir kürten ihn zum »Rookie of the Year« und sein Bike zum »Best Roadster«

Klein wird es auch bei Rücklicht und Blinkern, Letztere von Motogadget fallen am Renthal-Lenker nicht weiter auf. »Und irgendwas, was du nicht selbst gemacht hast?«, ich bete, »Ja, die Lackierung. Da habe ich nur alles für vorbereitet, also gespachtelt, grundiert und geschliffen«, erlöst Marco mich.

What’s next? Yamaha-Bobber im Starrrahmen

»Aber das liegt halt daran, dass ich keine Lackierkabine habe, sonst hätte ich das auch versucht«, war ja klar. Ich freue mich auf jeden Fall derbe auf Marcos nächstes Bike, Yamaha-Bobber im Starrrahmen. Seiten im Printmagazin halte ich dafür vorsichtshalber schon mal frei.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.