Für unseren Fukker-Contest nahm sich Marco eine 900er Honda Bol d‘Or zur Brust und kreierte ein Bike, das eigentlich in keine Kategorie passt.

Marco ist ein wilder Hund. Bereits seit seinem elften Lebensjahr fährt er Motorrad. Damals stellt ihm sein Opa eine Schwalbe hin und meint nur: »Fahr, und sieh zu, dass sie ganz bleibt.« Natürlich geht doch mal was kaputt und so lernt Marco schnell, sich selbst zu helfen. Was nicht da ist, wird eben selbst gebaut. Über die Jahre erarbeitet er sich die notwendigen Fähigkeiten, um seine Bikes so zu gestalten, wie es ihm gefällt. Dabei kommt es meist nicht auf die Optik an. Funktionieren muss es! Und wenn nötig, ist auch Hilfe von außen kein Thema. Schließlich wohnt der Schrauber am Ortsrand eines kleinen Nestes in Thüringen. Hier ist der Zusammenhalt noch vorhanden. Wie schon zu Ostzeiten helfen sich die Leute untereinander. Diese Philosophie herrscht auch in der örtlichen »Bikerszene« vor.

Die 900er Honda Bol d‘Or gab’s für kleines Geld

Inzwischen stehen in Marcos Scheune ein knappes Dutzend Zweiräder. Keines davon ist original. Sie stellen eine Mischung aus Fighter und Cafe Racer dar. Daraus entwickelt sich auch der Name seiner Schrauberbude, die er eben als »Cafighteria« betreibt. Allerdings ohne professionelle Absichten, nur zum Spaß. Und seine Bude soll auch Namensgeber fürs Fukker-Bike werden, ganz klar. Grundlage bildet eine Honda CB 900F Bol D’or, die günstig in Marcos Besitz kommt. Der ursprüngliche Besitzer hat daran schon einiges geändert, scheitert aber am Motor. Den hat er strahlen lassen und einiges falsch montiert.

Marco hat Stilelemente von Streetfighter, Cafe Racer, Superbike und Bobber in seiner CB 900F vereint. Dass dennoch nicht nur ein individuelles, sondern auch stimmiges Ergebnis entstanden ist, belegt das Talent des Thüringers

Strahlsand ist eingedrungen und diverse Gewinde sind zerstört. Das macht einen Neuaufbau nötig. Entnervt bietet er Marco die Kiste für 500 Euro an. Der schlägt natürlich zu. Der Motor wird komplett zerlegt und von Grund auf überholt. Da es sein erster Motor ist, den er auf diese Weise aufbaut, macht auch Marco Fehler, bekommt aber letztlich alles auf die Reihe. Vom restlichen Bike bleibt nicht viel übrig. Die verbaute, seltene Racing-Schwinge, Räder, Bremsen, Sitzbank und weitere Kleinteile werden einzeln verkauft und bringen fast das ausgegebene Geld wieder rein. In Marcos Kopf ist nämlich bereits ein Plan für den Aufbau des Bikes entstanden. Und den will er nun umsetzen.

Honda Bol d‘Or mit Gabel, Rädern und Bremsen der R1

Von einem Bekannten bekommt er im Tausch gegen eine verbreiterte CBR-Felge Gabel, Räder und Bremsen einer verunfallten Yamaha R1. Noch günstiger ist eine originale Schwinge, die aber nur das Lagerrohr für den geplanten Eigenbau spendiert. Der Radstand ist nun zehn Zentimeter länger. Aus seinem eigenen Fundus stammt der Tank einer VT 500. Eigentlich hässlich und verbeult, macht er in seiner jetzigen Form eine gute Figur. Der Tankdeckel ist einer der wenigen Parts, die Marco nicht selbst gefertigt hat. Den hat ihm ein weiterer Freund, der auch gern bastelt, schon vor längerer Zeit geschenkt.

Großes Kino ist die selbstgeschweißte Auspuffanlage, deren Enden in einem gemeinsamen Bogen zusammentreffen

Damit der Verschluss nicht so hoch steht, sitzt er nun in der mittigen Vertiefung. Der Heckrahmen entsteht aus Resten älterer Projekte, kostet also auch gnadenlos nix. Für die Abstützung der Schwinge hat Marco eigentlich ein Buell-Federbein im Sinn. Das passt aber nicht. Ein Paar zerkratzte, aber technisch fitte Softail-Federbeine für 50 Euro übernehmen nun den Job. Eine absolute Besonderheit ist dagegen Marcos Eigenbau-Auspuff. Aus Rohlingen verschweißt, treffen sich die Enden der 4-in-2-Anlage unterm Sitz und bilden einen Bogen. In den Rohren sitzen natürlich Dämpfer.

Die Herzspannungskurve zeigt: »Schrauben ist mein Leben«

Den Bezug für den flachen und in der Höhe verstellbaren Sitz darüber hat ein weiterer Kumpel angefertigt. Der ist auch für die Lederkissen an den Tankseiten verantwortlich. Erst sollten sie das gleiche Muster wie der Sitz tragen, werden nun aber von den Linien einer Herzspannungskurve (EKG) geziert. Marcos Aussage dazu: »Schrauben ist mein Leben. Das wird damit dargestellt.«

Regenreifen auf den Yamaha-R1-Rädern verleihen der Bolle den gewünschten Pfiff – und ein ganz spezielles Fahrerlebnis

Alle Details aufzuzählen, die Marco verbaut hat, würde den Rahmen sprengen. Hier nur einige: Als Unterlegscheiben dienen gebohrte 20-Cent-Münzen, an der Fußrastenanlage sind Ringschlüssel verbaut, die Abdeckung der Vergaser aus Aluminium ist ebenso handgefertigt wie die Halter für den kurzen Frontfender. Die Lenkerstummel in LSL-Schellen sind selbst geformt. Durch ein eingepasstes Mittelstück wird ein durchgehender Lenker vorgetäuscht. Darüber sitzt der Drehzahlmesser einer 125er. Den roten Bereich hat Marco etwas erweitert. Ein Tacho fehlt momentan. »Der lenkt nur ab«, grinst der gelernte Feinblechner verschmitzt. Ein eckiger Scheinwerfer ersetzt die ursprünglich geplante Bates-Leuchte. Die ist inzwischen zu Mainstream.

»Wenn es funktioniert, ist es gut«

Bei seinem Aufbau war es Marco wichtig, den Gedanken des Fukker-Wettbewerbs zu verinnerlichen und möglichst viel selbst zu fertigen, statt fertige Teile zu kaufen. Dabei muss die Optik nicht strahlen. Wenn es funktioniert, ist es gut. Hier zitiert Marco den Formengestalter Clauss Dietel, der auch Autos und Motorräder in der DDR gestaltete: »Symmetrie ist die Kunst der Dummen.« und weiter, »man darf ruhig sehen, dass hier gearbeitet wurde.« Wir sehen hier vor allem einen Mann, der seinen Weg geht und seine Vorstellungen umsetzt. Well done.

Info | facebook.com/cafighteria

 

Jens Müller