Tom hat genug von modernem Zeug und geht mit seinem Ironhead-Chopper zurück auf Anfang. Vorhang auf, für die wunderbare Harley-Davidson XLCH 1000

Normalerweise zeigen wir ein Bike nicht zweimal im Heft, schon gar nicht zweimal auf jeweils mehreren Seiten. Wenn sich beide Interpretationen aber doch deutlich unterscheiden und außerdem eine dieser schönen Geschichten dahintersteckt, die das Leben so schreibt, lassen wir uns doch erweichen. Abgesehen davon ist Toms Ironhead-Chopper so blitzsauber, dass er es einfach verdient hat. 

Harley-Davidson XLCH 1000 – Hogkiller II

Vor über drei Jahren, als wir das Bike das erste Mal im Magazin hatten, war die Sportster deutlich kompakter und trug eine graue Lackierung. Tom zeigte uns schon damals deutlich, was sein Ding ist. Oldschool, lange Gabel, schmale Reifen – trotzdem seinerzeit noch eher moderat umgesetzt.

Legal, illegal, scheißegal – Toms Chopper ist eine Wucht, mehr müssen wir nicht wissen

Tom fährt die Harley-Davidson XLCH 1000 nach dem Umbau nicht lang und verkauft sie schließlich an einen deutschen Tattookünstler, der sie zu Dekozwecken in sein Studio stellen will. Danach widmet sich der gelernte Maschinenbauer mehr neueren Motorrädern, baut einige Evos auf und um. Bis er wieder Lust auf was Altes verspürt und die Suche nach einem Basisbike beginnt.

Zeit, zu schauen, was aus der alten Ironhead geworden ist

Der Österreicher schaut sich in der Folge einige Panheads und Shovels an, allesamt verbastelt und motortechnisch nicht zu gebrauchen. Eigentlich kennt Tom nur ein Bike, bei dem er genau weiß, dass der Motor in Topzustand ist, denn schließlich hat er ihn selbst aufgebaut – Zeit, zu schauen, was aus der alten Ironhead geworden ist.

Der Starrrahmen kommt von Paughco aus den USA, die Gabel weist mit 8-inch-over eine adäquate Chopperlänge auf

Die Recherche nach dem Tattoostudio in Deutschland gestaltet sich mühsam, Tom hat den alten Kaufvertrag nicht mehr, kann sich nur noch dunkel an den Namen erinnern. Er sucht im Netz, findet nichts. »Konkurs, ausgewandert, abgebrannt, keine Ahnung, wo der Typ war«, Tom gibt auf und hakt das Projekt Ironhead ab. Zu früh, wie sich zwei Monate später rausstellt. Bei eBay steht Toms alte Sportster zum Verkauf, das Tattoostudio soll umgebaut werden, das Bike wird nicht mehr gebraucht. 

Der Benzinhahn der XLCH blieb zwei Jahre geschlossen

Kurz darauf ist Tom auf dem Weg nach Stuttgart und kann sein Glück kaum fassen. »Die XLCH wurde keinen Meter bewegt, der Benzinhahn wurde von mir vor zwei Jahren Jahren abgedreht und nach zwei Jahren auch von mir wieder aufgedreht … einfach geil«, beschreibt er sein Gefühl. Nur ein anderer Lenker war montiert, ansonsten ging die Harley genau so zurück auf die Hebebühne nach Österreich, wie sie das Land verlassen hatte. 

Eine King-and-Queen-Sitzbank ist ebenfalls Pflicht, Toms Frau wird es freuen

Das Einzige, was Tom von seinem alten Bike übernimmt, ist der Motor. »Und das Benzin, das war auch noch gut«, schmunzelt er. Er schaut einmal alles durch, wechselt die Öle und entfernt sämtliche Spinnweben … nach zwei Kicks läuft die Ironhead wie eine Eins. 

Überschaubarer Umbau – an Choppern ist ja nicht viel dran

Auch den alten Lenker – der Vorbesitzer hatte ihn mitgegeben – soll aufs neue Bike montiert werden. Alles andere nicht. Im Netz wird ein Paughco-Starrrahmen bestellt, der akribische Aufbau zu einem Seventies-Chopper nach Toms Vorstellungen beginnt. Das Ganze ist naturgemäß überschaubar, an Choppern ist ja nicht viel dran.

Sauberes Detail: Die Sissybar fertigt der Privatschrauber selbst und integriert die Rücklichter sauber ins Stahlgeflecht

Schmale Speichenräder, vorn mit den gern genommenen 21 Zoll, hinten mit 18, besohlt mit den Avon Speedmasters. Dazu eine Harley-Gabel und der Tank von W&W aus Würzburg. Sissybar und Fußrasten baut der Mann aus der Nähe von Salzburg selbst, Lampen kommen von Bates und Hella, der Doppelscheinwerfer vorn ist Pflicht. Einmal noch gehen Teile des Bikes nach dem Bau nach Deutschland. Chiko aus Pforzheim übernimmt die Lackarbeiten. Nur sechs Wochen hat der Umbau gedauert – drei Jahre und sechs Wochen.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.