Tag und Nacht schuftete Phillip, um seine Harley-Davidson WL fertig zu kriegen. In nur fünf Wochen schaffte er den kompletten Aufbau des Flathead-Choppers, das Ergebnis ist bemerkenswert.

Dark Star Kustoms ist eine der angesagtesten Adressen für professionelles Bike Building in Holland. Besitzer Phillip van Geest baut für seine Kunden Tanks, Fender, Rahmen und Motoren. Ein paar Wochen vor der Bigtwin-Show in Rosmalen, Hollands größter Bikeshow, wurde es jedoch ruhig um den tätowierten Oldschooler aus Den Haag, denn er vergrub sich in seiner Werkstatt.

Die Harley-Davidson WL weigerte sich, zu funktionieren

In dem Schuppen hatte sich nämlich schon lange ein riesiger Haufen an antiken Motorrad-Parts angesammelt und neben dran lag ein alter Motor, der sich aber weigerte zu funktionieren. Ein gefundenes Fressen für Phillip, der entschied, ein komplettes Bike auf Basis des alten WL-Flatheads für die Show in Rosmalen zu bauen.

»Die WL-Springergabel habe ich gegen einen Vespa-Roller eingetauscht. Besser so.«

Der Zeitplan sah fünf Wochen Aufbauzeit vor, der Tag wurde zur Nacht und umgekehrt. »Diese kurze Bauzeit ist einfach meine Art zu arbeiten. Es gibt jedoch viele, die damit nicht umgehen können. Sie glauben mir dann nicht, dass man ein Motorrad aus dem Nichts in so kurzer Zeit aufbauen kann. Aber was soll’s, Hauptsache ich komm damit klar, oder?«, meint Phillip.

Harley-Davidson WL – Purer 50er-Jahre-Stil

Phillip hatte eine ganz genaue Vorstellung, wie sein Chopper auszusehen hatte, ein typisches Dark Star Kustoms-Bike eben. Ein klassischer Motor in einem Starrrahmen umgeben nur von den nötigsten Teilen. Purer 50er-Jahre-Stil, auch der unpolierte »Patina«-Look passt dazu. 

Vor dem Linkert-Vergaser schützt ein filterloser Bird Deflector vor grobem Unrat im Ansaugtrakt

»Das Ziel war es ein wirklich schmales Motorrad zu bauen, das für den hektischen Verkehr in Den Haag geeignet ist. Wir starteten mit dem 42er 750-Flathead-Motor mit Magnetzündung. Ihn hatte ich im Tausch für einen BMW-Motor bekommen. Das Problem war nur, dass der Flathead sich später als ein einziges Stück Schrott entpuppte. Also rief ich meinen Freund Willem an und wir machten uns dran, das Ding zu überholen. Jetzt läuft der Motor spitze und sieht gleichzeitig auch noch fett aus.«

Der Flathead entpuppte sich später als ein einziges Stück Schrott

Der 750er Flathead-Motor ist nun mit einem ehemaligen Viergang-Shovelhead-Getriebe verbunden. Der Primär läuft mit einer BSA-Kette. »Ich benutze eine englische Kette, weil sie saugend auf das Harley-Zahnrad passt.« Der Ansaugstutzen des Vergasers musste verändert werden, damit Phillip den größeren M-74b-Linkert montieren konnte. Das Luftfilter-Cover ist ein so genannter »Bird Deflector«, ein schon etwas älteres Aftermarket-Modell mit »sensationeller Optik«.

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Natürlich musste auch beim Auspuff etwas anderes als Standardware her. Die neue Version kommt aus dem DSK-Haus und ist aus verschiedenen Harley-Teilen zusammengestückelt, kombiniert mit einem Stück flexiblen Rohr eines Auto-Auspuffs. »Ich fand das cool, weil die Rippen des Rohrs gut zu den Kühlrippen des Motors passen.« Der Schalldämpfer stammte ursprünglich einmal von einer Harley WL. 

Harley-Davidson WL – Rahmenbedingungen

Auch wenn der Rahmen nach einem original Harley-Starrrahmen aussieht, baute ihn Phillip doch komplett in Eigenregie. »Ich baute den Rahmen um Motor und Getriebe, so dass ich vorne eine WL-Springergabel verbauen konnte. Ich bekam sie im Tausch gegen einen Vespa-Roller. Ich würde sagen, guter Tausch, oder? Wie auch immer, die Gabel sollte dann ein schmales 21-Zoll-Vorderrad führen. Hinten landete ein Triumph-Pre-Unit-Rad mit einer wunderschönen Trommelbremse.

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Als Bereifung verpasste ich der Maschine den Firestone Champion Deluxe. Er ist mit seinem Zick-Zack-Profil der coolste Old-School-Reifen. Die Schutzbleche und die Fenderhalterungen sind hundertpro Eigenbau. Den ehemaligen Fahrradscheinwerfer bekam ich von meinem Freund Harry zum Geburtstag und das Rücklicht aus dem Zweiten Weltkrieg ergatterte ich auf einem Swapmeet.« Auch der Tank der Maschine ist ein Augenschmaus.

Dank Fußkupplung und Handschaltung bleibt der Lenker angenehm clean

»Ich schnitt den original Tank in zwei Hälften und reduzierte ihn auf eine Tränenform. Den Tankdeckel tauschte ich gegen den einer ostdeutschen Simson – wegen den schicken Buchstaben, die ihn verzieren. Der Lenker entstammt einer belgischen Flandria und wurde modifiziert. Da an ihn keine original Harley-Hebel passten, benutzte ich stattdessen die einer BSA. Die Fußrasten entstanden aus zwei rechten Fußrasten einer Triumph, von denen ich eine zu einer Fußkupplung umbaute. Durch sie und die Handschaltung bleibt der Lenker angenehm clean.«

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Man sieht also, Phillips Bike ist voll von extravaganten Teilen, von denen man sich bei einigen doch fragt, wie man an so was rankommt. Zum Beispiel die verrückte Abdeckung der Primärkette: »Die hat früher mal als Trittbrett eines russischen Seitenwagens gedient. Mein Freund Wang kam mit ihr zu mir und meinte, sie könnte irgendwann mal was für eines meiner Projekte sein«, grinst Phillip. Im Gegensatz zu den anderen Bikes, die Phillip in letzter Zeit gebaut hat, hat der Flathead-Chopper keine Lackierung bekommen.

Harley-Davidson WL – Rohes Metall in Reinform

»Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, welche Farbe der WL am besten stehen würde. Eines wusste ich aber: Das Bike sah so wie es vor mir stand schon richtig cool aus. Rohes Metall in Reinform. Also entschied ich mich, es einfach so zu lassen. Lediglich Klarlack habe ich drauf gesprüht, damit mir die Maschine nicht unter dem Arsch wegrostet. Schließlich haben wir hier in Den Haag Salzwasser in der Luft!«

 

 

Floris Velthuis