Es hat schon seinen Grund, warum Hans-Georg seiner Harley-Davidson Street Bob den Namen eines Antihelden verpasst. Kein Chrom, kein Showlack, kein Bling-Bling und erst recht keine Selbstdarstellung. Dafür Kraft und Performance – und das nicht zu knapp.

Harley fahr’n is, wie wenn de fliechst.« Genau das fällt mir sinngemäß ein, als sich Hans-Georg von 8Tech Racing mit seiner Dampfhammer-Street-Bob vorstellte und fragte, ob ich nicht Lust auf etwas Power und Performance hätte. Was für eine Frage, und ob ich hatte. Endlich mal eine Harley, die sich mehr zutraut als den Cruising-Modus und die, soll man ihrem Erbauer Glauben schenken, genau das hat, was man sich ab Werk von einer Dyna gewünscht hätte: Dynamik. Und das nicht zu knapp. 

Die drei Ingenieure lassen sich nicht auf eine Motorradmarke festlegen

Zeit für einen Besuch im hessischen Dreieich, in der Nähe von Frankfurt. Hier hat 8Tech Racing seinen Sitz, widmen sich Hans-Georg, Merlin und Colin dem Auf- und Umbau von Motorrädern. Dabei lassen sich die drei Ingenieure nicht auf eine Motorradmarke festlegen und schon gar nicht auf einen bestimmten Stil. Egal ob Honda, Harley-Davidson, BMW oder Aprilia, es wird gebaut, was gefällt. Cafe Racer, Scrambler, Cruiser oder Supersportler, so ziemlich alles ist vertreten.

Kurz, knackig und reduziert – die ehemalige Street Bob präsentiert sich sehr puristisch. Dem Heckfender geht kurz hinterm Sitz das Material aus, der vordere existiert gleich gar nicht. Das passt zum Look und spart nebenbei ein wenig Gewicht. Ein angenehmer Nebeneffekt

Mit der »Venom« getauften Street Bob – die 2017 noch eine Dyna und keine Softail war – hat sich Hans-Georg sein persönliches Bike zusammengestellt. Dass die Wahl auf Harley gefallen ist, hat zwei Gründe: Bevor er ins Studium ging, lernte Hans-Georg den aussterbenden Beruf des Zweiradmechanikers bei Harley-Davidson. »Ich wollte unbedingt eine Street Bob umbauen. Sie hatte schon immer Charakter und letztlich kam für mich sowieso nur eine Dyna infrage.

Harley-Davidson Street Bob wird zur Performance-Machine

Allerdings sollte sie deutlich mehr Bums haben als das Serienbike.« Das Design legt er vorher fest, es soll schlicht und rudimentär sein, da das Bike eine Performance-Maschine werden soll. Auch die verwendeten Räder und der kurze Heckfender sind ihm schon vor dem Umbau klar. Im Frontend steckt nun ein Fünfspeichen-Gussrad der unpopulären Rocker, im Heck dreht sich das adaptierte Scheibenrad einer V-Rod, auf das er einen 180er-Hinterreifen aufzieht. Um das ewige Gekratze in Schräglage zu beenden, entscheidet er sich für eine 2-in-1-Auspuffanlage von Red Thunder.

»Als Umbaubasis kam für mich nur eine Harley-Davidson Dyna infrage, da das Bike Charakter haben sollte. Außerdem wollte ich schon immer einen Street Bob umbauen, aber sie sollte auf jeden Fall mehr Bums als das Serienbike haben. Deshalb habe ich den Motor ein wenig modifiziert und anschließend auf dem Prüfstand abstimmen lassen«

Im Hinblick auf die angestrebte Fahrdynamik verschwinden auch die Midshifts, die Fußrasten wandern etwas nach vorn. »Am Fahrwerk habe ich die hinteren Stoßdämpfer durch straffere aus dem Harley-Zubehörkatalog ersetzt. In der Gabel stecken nun progressive Federn.« Damit ist der Fahrwerksumbau abgeschlossen. Bleibt nur noch der Motor, der mit seinen serienmäßigen 78 PS eigentlich genügend Leistung hat, um flott voranzukommen, doch Hans-Georg reicht das längst nicht. Er weiß, was Harley-Motoren können und wie viel sie vertragen.

Das Ergebnis liest sich schon auf dem Papier berauschend

Und so ändert er Nockenwelle, Manifold, Luftfilter, Auspuff und ein paar andere Kleinigkeiten und lässt die Street Bob auf dem Prüfstand abstimmen. Das Ergebnis liest sich schon auf dem Papier leicht berauschend, gibt aber nicht annähernd das wieder, was man beim Ritt auf diesem Kraftbolzen empfindet. Zeit für einen Selbstversuch. Die Sitzprobe verspricht viel, den Hans-Georg ist über 1,90 Meter groß und hat die Ergonomie entsprechend gestaltet.

Die Red-Thunder-Auspuffanlage klingt nicht nur gut, sie gibt dem Bike auch etwas mehr Bodenfreiheit und damit mehr Schräglagentauglichkeit

Der Abstand zum Lenker ist unverschämt perfekt, die Beine ruhen nicht zu weit ausgestreckt auf den Fußrasten. Der Kniewinkel ist also angenehm und bietet gute Kontrolle – alles, ohne in der Hüfte abzuknicken oder zu verkrampfen. Mit dem Druck auf den Anlasser erwacht der dunkle Antiheld zum Leben, knurrig und zugleich fordernd, ihn von der Leine zu lassen. Der Motor erinnert mich ein wenig an den herrlichen 110er Twin Cam der Low Rider S, nur mit noch mehr Druck aus dem Drehzahlkeller und er hängt etwas direkter am Gas.

Diese Harley-Davidson Street Bob kann Kurve ohne zu kratzen

Die Kolben schütteln das Chassis durch, der Auspuff fängt an zu grummeln und als sich die Drosselklappen öffnen, peitscht die Street Bob vehement nach vorn, stürmt in wildem Galopp durch Drehzahlen und Gänge. Dazu lässt sie sich äußerst willig einlenken, folgt sauber der angepeilten Spur und frisst geradezu gierig alle sich bietenden Kurven, ohne auch nur einmal zu kratzen.

Kollege Merlin musste für die Fahraufnahmen einspringen, da Hans-Georg aufgrund einer schweren Knieverletzung nicht aufs Bike kam

Auch wenn sie den lässigen Cruisingmodus ebenfalls beherrscht, so ist das Wechselspiel aus Beschleunigung und Schräglagen doch tatsächlich wie eine Droge, die nach immer höheren Dosen verlangt. Der Motor ist ein Sahnestück, das ich mir genau so ab Werk gewünscht hätte. Soll ja niemand behaupten, mit einer Harley könnte man nicht mal ordentlich einen wegbrennen. Hans-Georgs umgebaute Street Bob zeigt, wie gut das geht. Beinahe wie fliegen, nur eben tiefer. 

Info |  8tech-racing.de

 

Christian Heim