Gute Geschichten müssen einfach erzählt werden. Die von Wolles Harley-Davidson Sportster XLH ist eine davon, denn neben dem Aufbau ist auch das Drumherum interessant. Vor allem zeigt es mal wieder, dass kein Umbau wirklich reibungslos vonstatten geht.

Oldschool ist fast schon eine Lebenseinstellung, könnte man sagen. Sich nur oberflächlich damit zu befassen, geht einfch nicht, denn man muss eintauchen in eine längst vergangene Zeit, um das Lebensgefühl wiederzuentdecken, das so wunderbare Chopper hervorgebracht hat wie die Eisenkopf-Sportster von Wolle.

Wolles Werkstatt hat sagenhafte 20 Quadratmeter

Der schraubt, wie so viele, nebenbei, aber fast täglich, und steht auf alte Bikes, die er kauft, auf- oder umbaut, um sie in der Regel wieder zu verkaufen. Und so fand auch die Harley-Davidson Sportster XLH von 1979 ihren Weg in die rund zwanzig Quadratmeter große Werkstatt, in der betagte Bikes fit gemacht werden für ein neues Leben.

Sichtbare Mechanik, viel Metall statt Plastik, eine offen laufende Kette und jede Menge Details. Was will man mehr?

»Ich stand irgendwo in der Nähe von Leipzig auf der Autobahn im Stau und bin die Kleinanzeigen durchgegangen«, ­berichtet Wolle, wie er auf die Ironhead-Sportster stieß. »Das Ding stand noch nicht einmal weit weg, war Baujahr 1979 und wurde für gerade mal 3.900 Euro zum Verkauf angeboten.« Ein Schnäppchen angesichts der stabilen Marktpreise für die Kultbikes aus Milwaukee. »Also bin ich direkt die nächste Ausfahrt runter, habe sie angeschaut und bin probegefahren. Der Zustand war wirklich gut, vor allem war die Sportster noch original, unverbastelt und liebevoll gepflegt. Mit dem Verkäufer habe ich heute noch Kontakt.« 

Harley-Davidson Sportster XLH – Außer Oldschool kam nichts in Frage

Wolle leistet eine Anzahlung, holt das Bike drei Tage später ab und bringt es in seine Werkstatt. Mit einem klaren Ziel vor Augen beginnt der Strip-down: »Über den Umbaustil musste ich mir keine großen Gedanken machen, denn außer Oldschool kam ja nichts in Frage. Das ist einfach mein Ding. Außerdem sollte die Sportster so schmal wie nur irgendwie möglich werden.« 

Eigenbau ist für Wolle selbstverständlich. So ließ er sich es auch nicht nehmen, den Auspuff selbst zu gestalten und ihn stilgerecht hinten hochzuziehen. Richtig gesehen: Es ist eine 2-in-1-Anlage

Das Zerlegen geht relativ schnell und bietet zudem Gelegenheit zur Bestandsaufnahme wichtiger Teile wie Motor und Getriebe. Während am Motor lediglich kleinere Wartungsarbeiten fällig sind, verlangt das Vierganggetriebe nach etwas mehr Zuwendung. »Da war doch einiges marode und musste ersetzt werden. Darum habe ich es gleich komplett überholen lassen.«

Vorausschauendes Fahren ist Pflicht

Um die Sportster möglichst schmal werden zu lassen, widmet sich Wolle zunächst dem Frontend. Von einem Bekannten lässt er neue Gabelbrücken fräsen, denn der Markt gibt nichts superschmales her, das Wolles Vorstellungen entspricht. Die Gabel selbst wird gekürzt und angepasst, doch auch beim Vorderrad wird es schwierig, eine passende Dimension zu finden. Doch er wird fündig und verbaut eine Felge mit 1,60 x 20 Zoll samt einer Aermacchi-AMF-Nabe, die allerdings etwas abgedreht wird, damit sie zwischen die Tauchrohre passt. Für den super­schmalen Look verzichtet Wolle sogar auf Scheiben­bremsen und begnügt sich mit einer Trommelbremse – am Hinterrad übrigens auch. Vorausschauendes Fahren soll die mäßige Bremsleistung kompensieren. 

Oldschool rules! Statt Scheibenbremsen gibt es ordentliche Trommelbremsen

Stunde um Stunde steht Wolle, wann immer er Zeit findet – meistens ab acht Uhr morgens – in seiner Werkstatt und schraubt. »Oft dann bis gegen 18 Uhr, dann lass ich es gut sein.« Viele Teile wie Sissybar, das Gestänge für die Handschaltung oder auch den Auspuff baut er selbst. »Meine kleine Drehbank ist da sehr hilfreich, außerdem habe ich ein Schweißgerät, mit dem sich vieles selbst machen lässt.« Doch auch wenn Vieles in Handarbeit hergestellt werden kann, manche Teile muss er sich aus dem Zubehörhandel auf Teilemärkten wie der Veterama besorgen.

Viele Teile beschafft sich Wolle übers Netz

Gleichzeitig kann er aber auch auf ein gutes Netzwerk aus Bekannten und Freunden zugreifen. Außerdem ist das Internet ein wichtiger Helfer bei der Teilebeschaffung. So ist auch der Tank zugekauft, wird aber entsprechend modifiziert und an das Rahmenoberrohr der Sportster angepasst. Die Sitzgrundplatte fertigt er wiederum selbst, überlässt aber das Beziehen einem befreundeten Sattler. 

Am Heck eine Sissybar, die auf keinen Fall fehlen darf – natürlich handgefertigt in der eigenen Werkstatt

Auch bei der Lackierung legt er Hand an, bereitet sämtliche Teile vor, trägt den Grundlack auf, bevor er alles dem Profi fürs Finish übergibt. Gut dreieinhalb Monate steht die Ironhead-Sportster in der Werkstatt, bevor sie ihren Rollout hat. Soweit sollte eigentlich alles gut sein, denn auch der Zulassung steht nichts im Wege, schließlich hatte Wolle während des gesamten Umbaus den TÜV mit im Boot. Doch dann schlägt das Auge des Gesetzes gnadenlos zu und sorgt für richtig Stress. 

 Harley-Davidson Sportster XLH – Im Visier der Gesetzeshüter

Ein etwas, um es zurückhaltend auszudrücken, übereifriger Polizeibeamter, hat es sich zur Mission gemacht, seiner Meinung nach »illegale« Motorräder aus dem Verkehr zu ziehen. Pech für Wolle, dass er und seine Sportster ebenfalls ins Visier des Gesetzeshüters geraten, der keine Gnade walten lässt und in einer Über­raschungsaktion bei Wolle aufschlägt.

Schmal, reduziert – so wie man das von einem Oldschool-Chopper erwarten darf. Geschaltet wird per Hand und nicht mit dem Fuß

Mit dem Vorwurf der Lizenzfälschung will er sich das Bike schnappen, muss sich aber vorerst mit Fahrzeugbrief, Fahrzeugschein und Kennzeichen begnügen. »Das war schon eine irrwitzige Nummer«, blickt Wolle zurück. »Der tauchte einfach hier auf, hat seine Maßnahmen durchgezogen und eine Anzeige geschrieben. Schließlich sei der Rahmen nicht mehr im originalen Zustand, wie Harley ihn seinerzeit gebaut hatte.«

Nach drei Wochen wird das Verfahren eingestellt

Starker Tobak, denn im Nachgang stellt sich heraus, dass schon in der aufgesetzten Strafanzeige rund fünf Harley-Modelle von dem ausführenden Polizeibeamten durcheinandergebracht und verwechselt wurden. Selbst dem zuständigen Staatsanwalt wird das zu viel – nach drei Wochen wird das Verfahren eingestellt. Kurioserweise sind nach Abschluss des Verfahrens plötzlich die Papiere der Sportster nicht mehr auffindbar. Warum weiß keiner, doch am Ende tauchen sie ebenso plötzlich auf wie sie verschwunden waren.

Ende gut, alles gut. Zeit, um Kilometer abzureißen, denn Wolle hat sich vorgenommen mit dem fertigen Bike nach Schweden zu fahren. Doch auch hier macht das Leben eine weitere Wendung. Nach zweitausend gefahrenen Kilometern bricht ihm auf einem Trip nach Tschechien die Ankerplatte am Hinterrad. Kleiner Wink des Schicksals ein neues Projekt anzufangen?

Nächstes Projekt – Shovelhead

»Ich liebäugele schon lange mit einer alten Shovel, deshalb habe ich die Sportster zum Verkauf angeboten.« Den Zuschlag erhält ein junger Mann aus Frankfurt, der auf Oldschool steht. »Ich bin mir sicher, dass sie bei Benedikt in guten Händen ist. Er ist ein entspannter Typ und passt sehr gut zum Bike«, fügt Wolle abschließend an.

Besitzer Benedikt ist glücklich und freut sich, wenn er seine Eisenkopf-Sportster antreten darf

Übrigens ist er auch ein Spezialist für Silikon und stellt die ausgefallensten und farbenfrohsten Griffe für Motorräder her, die man sich vorstellen kann. Wer etwas Besonderes für seinen Lenker sucht, wird in Wolles Old School Bude auf jeden Fall fündig. Vielleicht findet sich sogar ein altes Bike, das zum Verkauf steht. 

Info | facebook.com/oldSchoolBude/

 

Christian Heim