Thunderbike hat die »Battle-of-the-Kings«-Herausforderung angenommen und eine Harley-Davidson Sportster Iron 883 mit originalen Zubehörparts bei schmalem Budget auf die Räder gestellt. 

Die Motorradhersteller legen sich mächtig ins Zeug, wenn es um die Käufergunst geht. Customizing steht dabei inzwischen ganz oben auf der Liste, denn Individualität zieht bei den Kunden immer. Kein Wunder, dass sich Harley-Davidson da nicht ausnimmt. Schließlich sind Bikes mit den V2s aus Milwaukee ein Grundpfeiler der Customszene. Der Wettbewerb »The Battle of the Kings« richtet sich daher direkt an die Händlerschaft, denn laut Harley-Davidson gibt es bei jedem Vertragshändler einen Custom King, also einen Techniker, Künstler oder Experten, also jemand, der Ahnung von Custombikes hat, der weiß was die Kunden wünschen und der das vor allem umsetzen kann.

Harley-Davidson hat den Wettbewerb knallhart diktiert. 16.660 Euro inklusive Motorrad sind selbst für erfahrene Profis wie Thunderbike eine harte Nuss. Doch manchmal setzen eng gesteckte Regeln jede Menge kreative Energie frei und führen ebenso zum Ziel, wie die totale Freiheit beim Umbau. Sportster-Besitzer, oder solche, die’s noch werden wollen, wird’s freuen. Wann bekommt man schon mal so ein Bike zu so einem günstigen Kurs?

Unter den dreißig teilnehmenden Händlern in Deutschland wählte das Publikum den Custom King per Online-Voting. Die Regeln in dieser Customschlacht sind von Harley-Davidson bewusst strikt gehalten worden, um extreme und überteuerte Umbauten zu vermeiden. Einschließlich der Iron 883 war das Budget der Teilnehmer auf 16.660 Euro brutto begrenzt. Zieht man davon noch den Kaufpreis der Sportster ab, bleiben rund 6.600 Euro für die Planung der Umbaukosten übrig. Da wollen Lohn, Lackierung und Customparts, von denen ein bestimmter Anteil aus Harleys eigenem Zubehörkatalog stammen muss, genau kalkuliert und eingesetzt sein.

Harley-Davidson Sportster – Umbau mit knappem Budget

Größere Änderungen am Rahmen, andere Räder, aufwendige Customlackierungen oder gar Blecharbeiten sind da von vornherein ausgeschlossen. Sie würden schnell das Budget sprengen. Aufgrund des knappen Budgets muss man sich schon im Vorfeld ein paar wesentliche Gedanken zum Umbau machen. Doch gerade darin liegt der Reiz, wie Andreas Bergerforth im Interview betont. Aus dem Vollen schöpfen kann jeder, wenn Geld keine Rolle spielt. Aber mit der Rückkehr zum ursprünglichen Gedanken des Customizings sieht so ein Umbau plötzlich ganz anders aus.

»Der erste wichtige Schritt war es, alles zu demontieren, was überflüssig war – oder in unseren Augen nicht schön«

Da Harley-Davidson zudem bei der Custom-King-Aktion auch junge Menschen einbinden möchte, entscheidet sich Andreas, zusammen mit seiner Tochter Kim, die ebenfalls im Unternehmen arbeitet, im Wettbewerb anzutreten. Es ist das erste gemeinsame Projekt der beiden. Als die Iron 883 in der Werkstatt steht, beginnt die Planungsphase. Also wird die Sportster erst einmal gestrippt und um etliche Teile erleichtert. Ein nacktes Bike ist die bessere Ausgangsbasis, vor allem um die Stilrichtung festzulegen. Es ist der Anfang eines kreativen Prozesses, in dem alles kann und nichts muss.

Harley-Davidson Sportster als Dirty Dragstyle-Chopper

Kim und Andreas probieren aus, halten Teile ans Bike, verwerfen wieder und fangen von vorn an. Irgendwann entwickelt sich ein klares Bild der neuen 883. Kurzes Heck, hochsitzender Tank, tiefe Lenkerhaltung – und vor allem Stollenreifen. Ein Chopper im Dirty Dragstyle. Von nun an ist der Weg vorgegeben, greifen die Mechanismen des Customizings, fügt sich ein Teil zum anderen. Für das kurze, knackige Heckteil müssen die Struts weg. Warum Harley-Davidson nach Jahrzehnten diese Modellreihe noch immer ohne schraubbare Struts ausliefert, wissen sie wohl selbst nicht. Dabei haben sie es bei der Softail auch schon vor Ewigkeiten geändert. Die Flex muss her.

Abschrauben und Weglassen was nicht unbedingt gebraucht wird, ist immer noch die günstige Art des Customizings

Es ist die einzige tiefgreifende und nicht rückbaubare Maßnahme, mit der die Sportster in Zukunft unterwegs sein wird. Alles andere kann wieder geändert werden. Als Heckfender kommt der Kotflügel einer Yamaha XV 1600 Wildstar zum Einsatz, der modifiziert und von dem ein Abdruck genommen wird. Andreas hat da schon eine Kleinserie vor Augen. Auch die Sitzbank fliegt raus. Das neue Gestühl ist minimalistisch und sieht eher unkomfortabel aus. Dafür ist die Sitzposition nun deutlich tiefer. »Normalerweise sitzt man bei einer Sportster ja mehr auf dem Motorrad.

Der Sitzbankbezug war im früheren Leben eine Lederhose

Kim sitzt jetzt dafür ins Motorrad integriert«, so Andreas. Der Sitzbankbezug war im früheren Leben eine dreiviertellange Lederhose, die Andreas bei eBay erworben hatte. Nach einem bedeutungslosen Dasein wird sie von Kim und Andreas zweckentfremdet und einer neuen Bestimmung zugeführt. »Wir haben sie einfach zugeschnitten, umgedreht und einen Sitzbankbezug daraus gemacht.« Um die typische, ansteigende Chopperlinie zu bekommen, entscheiden sich die beiden für einen Sportster-Custom-Tank, der höher gelegt wird. In das Fässchen gehen noch nicht einmal acht Liter Sprit rein, dafür ist die Optik besser als die des Originalteils der 883.

Frontfender gibt’s nicht, ganz nach alter Schule muss ein Minimal-Spritzschutz reichen – in diesem Fall ein paar alte Hosenträger, die um die Gabel geschlungen sind

Erwartungsgemäß sollte bei so einem Bike wenigstens ein Mini-Ape-Lenker für die standesgemäße Armhaltung sorgen, doch weit gefehlt. Kim möchte lieber einen kurzen Dragbar, der umgedreht montiert wird und fast wie ein Stummel wirkt. Und die Haltung? »Überraschend gut«, bestätigt Andreas. »Dank der Midshifts kommt Kim sehr gut an den Lenker und hat damit keine Probleme.« Geschraubt wird teils während der Arbeitszeit, teils nach Feierabend. Je nachdem, wie die entsprechenden Teile zur Verfügung stehen oder es die Zeit einfach zulässt. Für Kim eine völlig neue Erfahrung, zumal sie bei Thunderbike sonst andere Aufgaben wahrnimmt.

Pulley und Riemenscheibe fliegen raus …

Die Änderung des Sekundärtriebs geht aber voll auf ihre Kappe. Sie besteht auf eine Umrüstung auf Kette. Ganz einfach weil es ihr besser gefällt als der serienmäßige Zahnriemenantrieb. Pulley und Riemenscheibe fliegen raus, die Übersetzung von Kettenrad und Kettenblatt wird neu berechnet, damit nachher das Verhältnis stimmt.

Kurzes Heck, tiefe Sitzposition, hoher Tank, Stollenreifen – Schritt für Schritt entwickelt die Sportster ihren eigenen Charakter. Dirty Dragstyle nennen sie den in Hamminkeln. Bis auf die Änderungen am Heck ist das Motorrad theoretisch komplett rück-rüstbar – aber ehrlich, wollen wir das?

Bleibt, neben vielen kleineren Arbeiten, noch die Auspuffanlage. Auch hier folgen Kim und Andreas dem »Trial-and-Error«-Prinzip. Verschiedene Muster werden an der Iron ausprobiert und anschließend wieder verworfen. Favorisiert war ursprünglich eine Remus-Anlage, doch die ist leider nicht mit den Midshifts adaptierbar. So fällt die Entscheidung zugunsten der italienischen Auspuffschmiede »Zard«. Die Komplettanlage mit Krümmern und Endtopf wird leicht modifiziert und schräg nach oben geführt. Das passt einfach zum Stil des Bikes.

Knapp 27 Stunden reine Umbauzeit

Noch zwei Burly-Shocks dran montiert und einen seitlichen Kennzeichenträger angebracht, dann kann die Iron 883 zum Lackieren. Die Lackierung bleibt minimalistisch, was die Optik noch mal deutlich aufwertet. Insgesamt beträgt die reine Umbauzeit knapp 27 Stunden. Allerdings sind da die Stunden der Stilfindung und des Ausprobierens sowie die Teilesuche nicht mit eingerechnet. Aber so ist das nun mal bei der Entstehung eines Custombikes. Der Riesenvorteil für Sportster-Besitzer ist nun, dass sie sich genau so ein Bike jetzt jederzeit bei Thunderbike zusammenstellen und bauen lassen können. Das Konzept steht, und bei der Wahl der Teile kann jeder noch einen Schuss Individualität draufpacken.

»Normalerweise sitzt man bei einer Sportster ja mehr auf dem Motorrad. Durch die deutlich tiefere Sitzposition ist der Fahrer nun wirklich in das Motorrad integriert«

TÜV gibt’s natürlich auch, denn eintragungspflichtig sind nur die Heckänderung mit der Eintragung auf Solositz, der Lenker und der Kennzeichenträger. Der Rest ist Bolt-on mit geprüften Teilen, die übrigens auch zum Teil als Kleinserien aufgelegt werden. Ach ja, eins noch: Die geilen Räder sind ab Werk an der Iron 883 montiert. Die gab’s quasi als Zugabe aus Milwaukee. Die Iron ist Kim mittlerweile ans  Herz gewachsen. Selbst Schrauben verbindet eben. »Ja, sie darf sie behalten. Vorerst«, grinst Andreas. Ein zweites Bike auf Basis der 883 ist bereits im Aufbau. Wer jetzt Lust auf ein Custombike im Stil von Kims »The Battle of the Kings«-883-Iron bekommen hat, weiß nun, wohin er sich wenden kann. Eine Serien-Sportster sollte allerdings schon vorhanden sein, denn neu gibt’s sie ja leider nicht mehr.

 

Interview – Mit Kim und Andreas Bergerforth am Familientisch

CUSTOMBIKE: Kim, wie war’s, zusammen mit deinem Vater so einen Umbau zu stemmen und war das euer erstes gemeinsames Projekt?
Kim: Als wir an Weihnachten Geschenke ausgepackt haben und für mich doch tatsächlich ein Thunderbike-Gutschein dabei war, habe ich noch gelacht. Als ich ihn geöffnet habe, war ich sprachlos. Ich habe mich von Anfang an unglaublich darüber gefreut, mit meinem Vater zusammen an diesem Projekt arbeiten zu dürfen, und das hat sich auch während der Laufzeit nicht geändert. Da das unser erstes gemeinsames Projekt war, habe ich viel Neues von einem sehr guten Lehrer lernen dürfen. 

Ihr habt euch für einen Chopper im Dirty Dragstyle entschieden, obwohl zurzeit Scrambler und Cafe Racer schwer angesagt sind? Wolltest Du diese Richtung einschlagen?
Ich finde und fand Cafe Racer immer cool, aber war noch nie ein Fan davon, der Masse hinterherzulaufen. Der erste wichtige Schritt für uns war es, alles zu demontieren was überflüssig bzw. in unseren Augen nicht schön war. Der Stil entwickelte sich dann im Laufe der Zeit einfach durch ausprobieren.

»Dieses Motorrad werde ich nie vergessen«

Bei einem Customprojekt gehen trotz aller Planung ziemlich viele Stunden drauf. Ist noch etwas übrig geblieben für Freizeit und Freunde?
Da das alles ziemlich neu für mich war, habe ich es nicht als Arbeit gesehen! Es war einfach eine schöne und interessante Zeit mit meinem Vater und meine Freunde kamen auch nicht zu kurz.

Du hast sicher viel Herzblut in das Bike gesteckt. Wirst du die Iron behalten und fahren?
Das Motorrad werde ich nie vergessen, ich hoffe, ich werde es lange fahren dürfen.

CUSTOMBIKE: Wenn man mit seiner Tochter so ein Projekt angeht, ist man dann nachsichtiger als mit den eigenen Mitarbeitern?
Andreas: Ich habe versucht, möglichst neutral zu bleiben. Es gelingt mir aber nicht immer, Kim hat natürlich einen kleinen Bonus. Für mich war gut zu sehen, dass es ihr Spaß macht und dass sie das Thema völlig unbefangen angeht. 

Die Bedingungen im »The Battle of the Kings« sind sehr strikt, das Budget extrem knapp kalkuliert. Wie viele Kompromisse muss man da bei der Wahl der Parts eingehen?
Als ich von dem Custom-King-Projekt gehört habe, war ich sofort begeistert. Nachdem ich dann das Regelwerk gelesen hatte, hielt sich meine Begeisterung zunächst stark in Grenzen. Bei dem Budget war klar, dass wir nicht viel ändern konnten. Alles, was mir zu Beginn durch den Kopf ging, wie Rahmenänderungen, Blecharbeiten oder Räder, konnten wir aufgrund des Budgets ausschließen. Nach einiger Zeit gefiel mir die Geschichte dann doch mehr und mehr. Es entwickelte sich ein gewisser Ehrgeiz, mit möglichst geringem Aufwand möglichst viel zu bewegen. Also aus dem, was vorhanden ist, das Beste rauszuholen. Was dich übrigens auch unweigerlich zu den Wurzeln des Custombikes führt – Abbauen kostet nix und ist sehr effektiv. 

Coole Umbauprojekte mit bezahlbaren Lösungen

Waren die Vorgaben von Harley-Davidson realistisch, um so einen Umbau zum gleichen Preis auch an die Kunden weiterreichen zu können?
Ja, aus meiner Sicht ist das sogar das Wichtigste der Custom-King-Aktion: coole Umbauprojekte mit bezahlbaren Lösungen. Die Idee dahinter ist sehr gut und wird sicher für ein wenig »Kustom Kultur« bei jedem Harley-Davidson-Händler sorgen, der sich damit ernsthaft auseinandergesetzt hat. Das Ganze ist ja zusätzlich auch adaptierbar auf eine Menge von Sportstern, die bereits auf der Straße sind. 

Das Projekt ist abgeschlossen. Dürfen wir uns auf weitere Tochter-Vater-Umbauten freuen?
Das will ich doch ganz stark hoffen.

Info | thunderbike.de

 

Christian Heim