Wer sich schon länger in der deutschen Customszene bewegt, der wird Hans Lang kennen. Vor allem mit radikalen Suzuki-Cruisern hatte er sich einst einen Namen gemacht. Neben BMW R18 ist er natürlich auch in Sachen US-Bikes aktiv. Hier mit einer Harley-Davidson Softail Slim,  deren Stil an eine goldene Custom-Ära erinnert.

Jeder Customizer, der länger als zehn Jahre in diesem Geschäft tätig ist, wird es bestätigen: Es gab eine Zeit, da war alles möglich und das Bauen von Motorrädern kannte keine Grenzen. Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre boomte unsere Szene, als ob es kein Morgen gäbe.

Highnecker, Dragstyler und Breitreifen-Cruiser ohne Ende

Motorräder waren angefangen von den Rahmen über nahezu jedes Detail bis hin zu den wahnsinnigsten Lackierungen selbstgebaut, eine Rat’s Hole Show in Daytona war eine Quelle an krassesten Umbauten, Highnecker, Dragstyler und Breitreifen-Cruiser bevölkerten Custommessen, die wie Pilze aus dem Boden schossen. 

Breitreifen unter mitschwingendem Heckfender: Die 330er-Pelle macht auf dicke Hose, ein fetter Auftritt ist damit garantiert und passt zur massiven Front des Motorrades

Hans Lang war mit seinen LMC-Bikes mittendrin. Früh hatte er sich auf Suzukis Intruder-Modelle spezialisiert, die den Harleys dieser Zeit in Aufmerksamkeit und Beliebtheit kaum nachstanden. Hans Lang schaffte es, den Japan-Cruisern eine völlig neue Richtung zu geben. Mit eigenen Rahmen und cleanen Details regnete es Anerkennung, Preise und Kunden.

Die Harleys eroberten sich ihr Revier zurück

Trotzdem ist Hans heute nachdenklich, wenn er über diese Zeit spricht. »Hätte ich damals auf Harley gesetzt, wäre es vielleicht anders gekommen.« Denn die Truden wurden irgendwann weniger, die Nachfrage sank, die Harleys eroberten sich ihr Revier zurück.

Der breite »Hardline«-Lenker ist eine LMC-Eigenentwicklung, der Tacho wurde direkt integriert. Luftfilter und Auspuffanlage sind Aftermarket-Teile, die passend zu den EIgenbauten ausgewählt wurden

Anders freilich, irgendwann mit mehr Oldschool-Umbauten, die Fullcustoms werden immer weniger. »Und diese Zeit wird auch nie wieder zurückkommen. Allein schon aus zulassungstechnischen Gründen, immer mehr Vorschriften und Bürokratie«, da ist Hans sich sicher. Auch er selbst hat einstecken müssen, war aber trotzdem nie weg.

Leistungssteigerungen von mehr als fünfzig Prozent

Er hat sein Unternehmen umstrukturiert, fasste schnell Fuß im Harley-Segment, baute zwei, drei Komplettprojekte auf Milwaukee-Basis. Heute hat der Mittfünfziger seine neue Mitte gefunden. Immer noch baut er Suzukis Intruder um, versieht die Cruiser mit Einspritzanlagen und verhilft ihnen zu Leistungssteigerungen von mehr als fünfzig Prozent.

Aus dem Vollen: Auch die massive Gabel samt Brücken stammt aus der Manufaktur des Customizers

Daneben aber auch Yamaha, BMW oder eben Harley, keine Scheuklappen, alles ist möglich. Hans Lang versteht sein Handwerk und die Ideen im Kopf sind nicht weniger geworden. Und dann kommt da ein Kunde um die Ecke, der den Customizer richtig fordert, der inspiriert von Hans’ früheren Umbauten ein perfektes Motorrad, in diesem Fall auf Harley-Basis, bestellt. Plötzlich ist alles wie damals und die Arbeit an einem technisch aufwendigen Projekt beginnt: El Matador muss auf die Straße.

Harley-Davidson Softail Slim – Viel Leistung musste es werden

Marko, der Kunde, ist das, was man gemeinhin als Perfektionisten bezeichnet. Er hat hohe Ansprüche und genaue Vorstellungen, keine halben Sachen und bei Weitem kein Motorrad von der Stange. Eine Harley mit viel Leistung soll es werden, das steht fest. Alles andere erarbeiten sich Kunde und Customizer gemeinsam, die Besprechung für das Projekt dauert mehrere Stunden.

Alles selbst gebaut: Rastenanlage …

Als Basis wird eine Harley Softail Slim angeschafft, bereits ausgestattet mit fettem 110-cui-Screamin’-Eagle-Motor. Marko will in jedem Fall einen 330er-Reifen im Heck der Harley haben, vorn soll dagegen ein großes, schlankes Vorderrad drehen.

Eigener Rahmenbau ist eine Spezialitäten von LMC

Weil der Besitzer ein großer Kerl ist, muss der Rahmen auf seine Größe individuell angepasst werden, samt tiefer Sitzposition und Änderung des Lenkkopfwinkels. Tatsächlich sind Rahmen eine der Spezialitäten von LMC, neben der Fertigung von eigenen können auch Serienrahmen samt TÜV-Gutachten entsprechend umgebaut werden, das hilft in diesem Fall. 

… Lenker mit Tastertechnik …

Für den Umbau auf den 330er-Reifen muss die gewählte Ricks-Schwinge verbreitert werden, auch eine längere Triebwelle für die Umlenkung stellt Hans im Eigenbau her. Dazu kommt ein mitschwingendes Heck und die erste Sitzprobe. Hier zeigt sich, ob alles passt, auch die Position der Fußrasten wird dabei festgelegt.

Durch die tiefe Sitzposition passt auch der Öltank nicht mehr

Eine fertige vorverlegte Rastenanlage kommt für Marko nicht in Frage, sie soll stattdessen unauffällig nach vorn gesetzt werden. Hans entscheidet, sie in den selbstgebauten Bugspoiler zu integrieren, der wiederum passt sich dem Radius des 21-Zoll-Rades harmonisch an. Durch die tiefe Sitzposition passt auch der Öltank nicht mehr, er wird komplett neu gebaut. Damit steht die Grundform des Motorrades so weit fest.

… seitlicher Kennzeichenhalter und vieles mehr hat Customizer Hans Lang selbst designt und gebaut

Als nächste Hürde zeigt sich der Tank. Der von Marko gewählte Hardline-Tank aus dem LMC-Sortiment ist eigentlich nur für Intruder-Modelle konzipiert, trotzdem besteht er auf genau dieses Design. Hans fertigt also einen neuen Tank aus Modelliermasse und baut ihn nach diesem Vorbild nach.

Das Vorderrad würde an die untere Gabelbrücke anschlagen

Auch die Gabelbrücken werden in Einzelanfertigung hergestellt und müssen entsprechend angepasst werden, da das große Vorderrad sonst beim Einfedern an die untere Gabelbrücke anschlagen würde. Der Scheinwerfer passt damit ebenfalls nicht zwischen die Brücken und muss neu gefräst werden.

Wenn Markus’ Frau Funny mal mitfahren möchte, ist die schnelle Sozius-Lösung möglich. In ein paar Sekunden ist das Stecksystem fürs Soziusbrötchen montiert. Lackiert wird es ebenfalls noch, passend zum Motorrad

So arbeitet sich Hans Schritt für Schritt durchs Motorrad, bis alle Hürden scheinbar genommen sind. Doch Kunde Marko hat da noch was auf dem Herzen, »wäre schön, wenn meine Frau auch mitfahren könnte.«

Harley-Davidson Softail Slim – In 10 Sekunden soziatauglich

Zu diesem Zeitpunkt sind alle Teile bereits lackierbereit. Aber der Kunde ist König und Hans möchte, dass er zufrieden vom Hof fährt. Also noch mal nachdenken. Der Customizer entwickelt ein Sozius-Stecksystem, in nur zehn Sekunden lässt sich die Softail nun von Solo- auf Zweimannbetrieb umrüsten.

Der 1800er Screamin’ Eagle-V2 bringt 100 PS und schiebt mit ordentlichen 160 Newtonmetern an

Jetzt aber ab zum Lackierer. Ingo Kruse ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet und findet auch in diesem Fall das richtige Motiv. Brutal und edel prangt der Stier in aufwendiger 3-D-Lackierung auf dem Tank, in den Heckfender ist eine Schattenlackierung von Tier und Matador eingearbeitet.

Harley-Davidson Softail Slim – Bereit für die Straße

Anschließend folgt der Zusammenbau, mit kleinen Elektro-Stolpersteinen. Der elektronische Gasgriff und die Umrüstung auf Taster im CAN-Bus-System bereiten Arbeit, aufhalten können sie den Abschluss des Projektes aber nicht mehr. El Matador ist bereit für die Straße – touché!

Info |  lmc-bikes.de

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.