Markus ist eigentlich Oldtimer-Typ durch und durch. Auch als ihm eine Harley-Davidson Softail in die Hände fällt, ändert das an seinen Vorlieben nichts. Schließlich ist sie eine extrem dankbare Grundlage für stimmige Oldschool-Optik.

Seit Markus Richter in der Motorradwelt unterwegs ist, dreht sich bei ihm alles um Oldtimer. Das alte Eisen hat es dem gelernten Industriemechaniker einfach angetan, seine erste Maschine ist eine Zündapp DB 200, Baujahr 1949, die des Studiums wegen leider nach zehn Jahren weichen muss. Dafür wird die Sammlung nach Beendigung seines Ingenieurstudiums kontinuierlich erweitert, ein Querschnitt deutschen Motorradbaus der 50er Jahre steht nun in seiner Garage. NSU Superlux, Triumph Nürnberg BDG 125, Triumph BDG 250 – alle weitgehend im Originalzustand, das versteht sich zu diesem Zeitpunkt bei Ihm von selbst.

Es braucht nicht viel, um den Bobberlook der Fünfziger zu erreichen: Springergabel, Solositz, Auspuff und vor allem die Lackierung sind alten Vorbildern nachempfunden

Und dann läuft Markus letztes Jahr eine 1987er Harley-Davidson Softail Custom über den Weg. Noch nie vorher ist er mit der Marke aus Milwaukee in Kontakt gekommen, trotzdem wird die Motivation zum Kauf umso größer, als einige seiner Kumpel meinen: »Bleib lieber bei deinen Oldtimern.« Die Jetzt-erst-recht-Mentalität gewinnt, Markus kauft das für seine Verhältnisse hochmoderne Motorrad. Fahrbar ist sie für ihn in ihrem Zustand allerdings kaum. Die Fußrasten sind zu weit nach vorn gelegt und auch optisch ist das alles so gar nicht sein Ding.

Harley-Davidson Softail – Eigentlich nicht die optimale Basis

Warum also nicht aus der Softail ein Bike im Fifties-Style, angelehnt an Harleys Panhead, bauen? Die Recherche im Internet und in einschlägigen Magazinen, sowie eine persönliche Empfehlung weist Markus schließlich den Weg zu einem Customizer, dem er sein Bike anvertrauen will. Benni Adlers Werkstatt »Mean Machines« in der Nähe von Coburg scheint die Richtige für den Job zu sein. Nach zwei Telefonaten geht es für die Softail dorthin, Chef Bennis Statement fällt kurz und knackig aus: »Eigentlich nicht die optimale Basis für dein Vorhaben … eigentlich.«

Die Softail war bei Kauf ein 90er-Jahre-Aufbau. »Egentlich bemerkenswert, was die Jungs damals schraubten, als es nicht alles im Katalog zu kaufen gab«, so Customizer Benni Adler

Unerlässlich für die Fünfziger-Optik ist die Gabel, W&Ws Springerversion ist dafür perfekt. Sie wird mit einem GMA-Zweikolbenbremssattel kombiniert. Als hintere Bremszange setzt Benni auf einen Vierkolben-Billetsattel, ausreichend, um die Fuhre vernünftig zum Stehen zu bringen. Das originale Softail-Fahrwerk bleibt erhalten, allerdings mit einem Tieferlegungskit versehen, vor allem, um das Bike optisch näher an den Asphalt zu bringen. Zeitgenössisch ist es außerdem, vorn und hinten gleiche Radgrößen, in diesem Fall sechszehn Zoll, zu wählen. Bestückt werden sie mit den Classic-Bobberpellen von Shinko.

Der 3,5-Gallonen-Tank ist ein Harley-Original

Wichtiges Element außerdem die ausladenden Fender, die Benni näher an die Reifen bringt, was die komplette Maschine noch mal tiefer und geduckter erscheinen lässt. Stilsicher dazu der 3,5-Gallonen-Tank, ein Harley-Original. Und weiter gehts mit dem Wühlen im Oldschool-Regal. Das bringt einen 6,5- Zoll-Scheinwerfer hervor oder auch die fetten Trittbretter. Die Sitzplatte wird von Benni maßgefertig, vernünftig gepolstert und bietet eine tiefe Sitzposition, die in Kombination mit dem relativ breiten Lenker auch auf längeren Touren kaum unbequem wird.

Es muss nicht zwingend eine Panhead sein, will man wahren Rock ’n’ Roll auf die Straße bringen. Das kann tatsächlich auch eine Evo-Softail übernehmen

Fehlen noch zwei wichtige Details. Die Krümmer für die Auspuffanlage fertigt Benni selbst, die Replikas der Rocket-Fin-Muffler – die Harley in seinen 40er-Jahre-Big-Twins nutzte – passen dazu perfekt, ihr Sound ist dumpf und laut. Weil Markus bei den Ausfahrten zu seinen geliebten Konzerten, Oldschool-Treffen und Rock-’n’-Roll-Events außerdem nicht nur stilecht fahren, sondern auch stilecht anlassen will, ist ein Kickstarter Pflicht. Das Kit von Müller Motorcycles hat sich da vielfach bewährt und funktioniert zuverlässig an modernen Bikes.

Harley-Davidson Softail – Gelungener Fifties Style

Der Elektrostarter ist allerdings trotzdem geblieben, »sicher ist sicher«, schmunzelt Markus. Keine Experimente auch in Sachen Lackierung, klassisch in zwei Farben mit passender Linierung. Völliges Understatement für ein Motorrad, an dem auf den ersten Blick nicht viel passiert ist. Das aber auf den zweiten Blick durch die wunderbar legale und vor allem zuverlässige Kombination aus modernem Motor und ohne große Fahrwerksänderungen, aber eben einer gelungenen 50er-Jahre-Optik überzeugt. Dass das Zusammenspiel zwischen Kunde und Customizer hier außerdem perfekt funktioniert hat, macht die Story rund. »Wir haben das einfach smooth durchgezogen«, freuen sich die beiden. Smooth – eigentlich genau das richtige Wort für die Oldschool-Softail.

Info |  mean-machines.de

 

Customizerkurt
Kustomizerkurt bei

Kurt Goller, Jahrgang 1965, schreibt als »Kustomizerkurt« für die CUSTOMBIKE. Der Zweiradmechanikermeister arbeitet im Hauptberuf bei SSCycle und steht auf alte Motorräder mit Charakter. So befindet sich eine 1977er Harley-Davidson Shovelhead FXE ebenso in seinem Besitz, wie eine 1991er EVO-Softail und eine 1994er Kawasaki ZR 550.