Wer eine echte Männermaschine will, sollte sich diesen roughen Bobber auf Basis einer Harley-Davidson Softail genauer anschauen. Vorsicht, bissig!

Eine Sportster hatte Andreas nachhaltig mit dem Harley-Virus infiziert, verkauft wurde sie irgendwann trotzdem. Etwas Erwachseneres musste her. Eine Harley war gesetzt, Andreas liebäugelte zunächst mit einer Breakout. Doch letztlich war die ihm zu brav, zu wenig rau, zu glatt, »und 99 Prozent der umgebauten Breakouts sehen irgendwie gleich aus«, ergänzt der Österreicher.

Harley-Davidson Softail als Newschool-Bobber

So gingen die Gedanken schnell hin zum kompletten Neuaufbau – durchgeführt von »68 Custom« in Salzburg. Die Wahl der Basis wurde von Andreas’ Konzept bestimmt: Tief, große Big-Spoke-Räder, roher, rostiger Stil, das Ganze aber bitte fahrbar – »quasi ein Newschool-Bobber in altem Look, aber mit moderner, verlässlicher Technik«, erklärt Andreas seine Idee.

Die rostige Optik täuscht, unter der rauen Schale verbirgt sich ein technisch einwandfreier Kern. Tank und Fender wurden erst verätzt und durften danach Rost ansetzen. Versiegeln mit mattem Klarlack, fertig

Aufgrund des Konzeptes entschied man sich in Salzburg für eine Softail Standard als Basisbike, einfach, weil allein der Motor schon die anvisierte raue Optik hat. Der Motor kam aus dem Rahmen und wurde zerlegt, neu abgedichtet und wieder zusammengebaut. Die Rockerboxen und sämtliche Cover wurden schwarz gepulvert.

Raw-Metal-Parts und einen Motor mit etwas Patina

»Es ging dabei nie darum, eine Ratte zu bauen, sondern ein Bike im Raw-Style, also Raw-Metal-Parts und einen Motor mit etwas Patina mit schönen schwarz gepulverten und lackierten Parts und handgemachten Messingteilen zu kombinieren. Der Kontrast zwischen diesen Teilen macht es aus«, erklärt Andreas das weitere Vorgehen. Alle Messingteile am Bike wurden aus Vollmaterial gedreht oder gefräst, einige sind mit 68-Custom-Logos oder Schriftzügen versehen. Die Rahmenstruts wurden gechoppt und der Rahmen gecleant und neu lackiert.

Messingteile schaffen eine rustikale Atmosphäre. Die hier verbauten wurden allesamt aus dem Vollen gedreht oder gefräst – gut, wenn der Chef sich auskennt

Auch die Schwinge wurde gesäubert, eine neue Aufnahme für die Ritzelbremse angeschweißt, danach alles sandgestrahlt und neu lackiert. Jochen, der Besitzer von 68 Custom, ist gelernter Spengler und Karosseriebauer, daher sein Spitzname »Man of Steel«. Er formte aus dem Rohling einen perfekt angepassten Heckfender mit Metallapplikationen, die sich auch auf dem Cole-Foster-Tank wiederfinden.

Die Kabel wurden im Rahmen versteckt

Die Tankhalterungen wurden so verändert, dass er quasi »schwebend« auf dem Rahmen montiert werden konnte. Der Rahmen wurde derart bearbeitet, dass alle nötigen Kabel darin versteckt verlegt werden konnten. Dazu wurde der Kabelbaum auf das Nötigste reduziert, der Startknopf und die Steuerung der verbauten Luftfederung wurden ins Scheinwerfergehäuse der Frontlampe integriert. Der Tacho von Motogadget wurde seitlich montiert.

Die moderne Interpretation des Bobber-Themas verzichtet auf eine Springergabel und lässt vorn ein 23-Zoll-Big-Spoke-Rad drehen. Cole-Foster-Tank, Stummellenker und die auffällige Auspuffanlage setzen weitere Duftmarken

Um auf die notwendige Tiefe zu kommen, wurden vorn die Tauchrohre der Gabel gekürzt und mit Progressive-Suspension-Federn kombiniert. Gabelbrücken und Standrohre wurden schwarz gepulvert. In die Aussparung für die Riser wurden in der oberen Gabelbrücke ebenfalls zwei Messingeinsätze mit je einer gefrästen 6 und 8 eingesetzt. Um die tiefe Optik zu unterstreichen verbauten die Salzburger Stummellenker von LSL in Kombination mit Kustom-Tech-Armaturen. Die Auspuffanlage von BSLs Outline-Serie unterstreicht die Optik der Kiste zusätzlich, Mad Max hätte seinen Spaß dran gehabt.

Harley-Davidson Softail Bobber für die Feierabendrunde

Bleibt noch die Lackierung, die im Grunde keine ist. Tank und Fender wurden zunächst verätzt und durften danach auf natürlichem Weg rosten. Mit mattem Klarlack versiegeln, fertig. Klar ist, dieses Bike wurde nie für lange Touren gebaut, sondern dient vor allem für die Feierabend- oder Wochenendrunde durchs Salzburger Seenland. Aber da fühlt sich die Softail, die nach der Generalkur alles andere als Standard ist, pudelwohl.

Info |  68custom.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.