Noch in der Ausbildung und trotzdem schon mit ganz klaren Vorstellungen, wie sein erstes Milwaukee Iron aussehen muss: Joshua hat seine Harley-Davidson Softail konsequent auf den Stil der sechziger und siebziger Jahre getrimmt.

Harleys gibt es nicht für kleines Geld. Und wenn, dann sind es mehr oder weniger überteuerte Schrotthaufen, in die man Unsummen investieren muss. Zugegeben, auch wenn es ein Klischee ist, das sich hartnäckig hält, ein Stückchen Wahrheit liegt dennoch darin.

Harley-Davidson Softail – Projekt: Meine erste Harley

Joshua kann ein Lied davon singen, denn so ähnlich fing bei ihm das Projekt »Meine erste Harley« an, mit dem er nach Fertigstellung gleich an der Bikeshow des Thunderbike-Jokerfests teilnahm und sofort einen Preis gewann.

Schlank in jeder Beziehung, selbst die Gabel durfte nicht in die Breite gehen. Die Tauch- und Standrohre stammen aus einer Shovel. Letztere wirken mit ihren 35 Millimetern Durchmesser fast schon fragil. Die Gabelbrücke lieferte Thunderbike

Zu Beginn der langen Reise hätte er das noch nicht einmal zu träumen gewagt, denn wie bei fast allen Projekten war auch der Weg von Joshua und seinem Bike lang und geprägt von Hindernissen, die es zu überwinden galt. Wenn man noch in der Ausbildung steckt, sitzen die Euros nicht so locker …

Harley-Davidson Softail als völlig verbastelte Bruchbude

Trotzdem ist er auf der Jagd nach einer Harley, die er nach seinen Vorstellungen gestalten möchte. Nach einer mehr oder weniger aufwendigen Suche findet er eine Softail. »Eine Bruchbude, nicht fahrbereit und völlig verbastelt. Da hat nichts gepasst.«

Choppen heißt in der Übersetzung »hacken« oder »kleinkriegen«, gemeint ist aber eher »weglassen«. Also traf es auch das Primärgehäuse, das durch einen schmalen und vor allen Dingen offen liegenden Belt ersetzt wurde

Und als wäre das nicht genug, ist das Teil auch noch genauso umgebaut, wie Joshua es gar nicht leiden kann. »In Deutschland sind fast alle umgebauten Harleys schwarz, tief und breit. Ich mag es aber lieber hoch, schmal und weiß«, wie er unumwunden zugibt. Doch die verunstaltete 91er Softail ist ein Anfang, da er sowieso plant, sie auseinanderzureißen und neu aufzubauen. 

Ein Schrauberplatz bei den Freightyard Monkeys

Die kommenden Monate wird die Harley bei den Freightyard Monkeys in Gelsenkirchen verbringen. Dort hat Joshua einen Platz zum Schrauben bekommen und gleichzeitig auch Unterstützung für sein Projekt. Nach dem Strip-down folgt die Bestandsaufnahme. Es gibt viele Stellen, die Nachbesserungen erfordern oder ganz neu aufgebaut werden müssen.

»Ich wollte meine Harley schlank und mit schmalen Reifen, da die meisten umgebauten Harleys in Deutschland schwarz und breit sind«

Die Struts, die an diesem Modell noch fest mit dem Rahmen verbunden sind, hatte der Vorbesitzer so tief abgeschnitten, dass erstmal Material aufgeschweißt werden musste, um anschließend verschliffen zu werden. Parallel dazu sucht Joshua nach passenden Teilen, um den von ihm bevorzugten Chopperlook der sechziger und siebziger Jahre zu erreichen.

Harley-Davidson Softail mit 23-Zoll-Vorderrad einer 500er Honda

Dazu gehören für ihn in jedem Fall ein Apehanger, eine schmale Gabel sowie ein hohes, schmales Vorderrad. Statt der chopperüblichen 21 Zoll entscheidet sich Joshua für ein 23-Zoll-Vorderrad einer alten Honda XL500, mit Trommelbremse versteht sich.

Eine Softail, die so konsequent auf Oldschool und Starrrahmen-Look macht, findet man nicht alle Tage. Das Zusammenspiel der Komponenten transportiert sofort das Lebensgefühl einer längst vergangenen Generation und einer Zeit, in der alles etwas leichter und vor allem schlanker war. Für ein Erstlingsprojekt eine mehr als respektable Leistung

Oldschool bleibt eben Oldschool. Selbst bei den Reifen geht er keine Kompromisse ein. Wobei die Stollenreifen genau dieser Sturheit geschuldet sind, denn einen 23-Zoll-Reifen mit klassischem Straßenprofil gibt es nicht auf dem Markt.

Harley-Davidson Softail mit Shovelhead-Frontend

Am Heck greift er auf ebenso schlanke 19 Zoll zurück. Joshua speicht das Hinterrad mit einer Nabe aus dem Aftermarket zusammen mit einer Dyna-Schüssel selbst ein. Beim Frontend kommt eine Shovel als Teilespender zum Einsatz, deren Gabel mit einer extrem schmalen Thunderbike-Gabelbrücke verheiratet wird. 

Dazwischen müssen aber auch Rückschläge verkraftet werden. Über drei Monate dauert die längste schöpferische Pause des Projekts. Schuld sind Motivationsverlust und ein fehlendes Auto. Die Werkstatt, in der Joshua schraubt, liegt fünfundvierzig Fahrminuten von seinem Wohnort entfernt, einfache Wegstrecke wohlgemerkt.

Glückliches Händchen bei der Teilebeschaffung

Letztendlich dehnt sich die Bauzeit auf gut eineinhalb Jahre. Zwischenzeitlich gibt es aber auch Lichtblicke. Gerade bei der Teilebeschaffung beweist er ein glückliches Händchen und schießt sich bei eBay USA einen offenen Belt von BDL – für knapp ein Drittel des üblicherweise aufgerufenen Preises.

Die modifizierten Paughco-Pipes passen perfekt zum Stil des Bikes

Und er hat viele helfende Hände an seiner Seite. So verbringt er einige Zeit bei Alex von den Freightyard Monkeys, um nicht jedes Mal nach Hause fahren zu müssen. Auch auf der Arbeit greifen sie ihm unter die Arme, übernehmen Schweißarbeiten, wo seine Künste noch nicht ausgereift sind.

»Eine hohe Sissybar gehört für mich einfach zu diesem Style dazu«

Joshua ist dankbar für die Unterstützung, die er bei seinem Projekt erfährt. Gleichzeitig motivieren der Fortschritt und das nahende Ende. Endlich fügen sich die Puzzleteile zusammen, ergeben ein stimmiges Bild. Die Auspuffanlage wird modifiziert und eine Sissybar gefertigt. »Ursprünglich war sie ja noch höher, aber ich hatte Bedenken, dass die wegen der Vibrationen abgeschüttelt wird. Aber eine hohe Sissybar gehört für mich einfach zu diesem Style dazu.«

Der Evolution-V2 brachte es wegen verschärfter Emissionsbestimmungen zwischenzeitlich auf gerade noch 50 PS

Beim Motor belässt er alles beim Alten. Lediglich die Zylinder werden kurz abgenommen und sämtliche Dichtungen erneuert. Tuning braucht er nicht. Dabei würden ein paar Mehr-PS der Softail sicher gut stehen. Sie gehört leider zu den Baujahren, in denen die V2-Motoren der Company nicht einmal mehr 50 PS erreichten. Joshua ist es egal, denn er ist erstmal happy, dass er endlich mit seinem Bike on the road sein kann.

 

Christian Heim