Gert ist verrückt nach American Iron und der festen Meinung, dass man nie genug Motorräder haben kann. Mit dieser Harley-Davidson Softail hat er den tiefen Wunsch nach einem selbst aufgebauten Custombike Wirklichkeit werden lassen. Und zwar schneller, als er es sich je vorgestellt hat.

Gert van de Laars Softail erinnert mit ihren geschwungenen Linien an die Bikes der Salinas Boys aus Kalifornien und die langen Fender bilden beinahe eine perfekte Leinwand für den klassischen, roten Candy-Lack. Doch der Hingucker ist der wuchtige S&S-Motor mit satten 1,8 Litern Hubraum, der einem die Gehörgänge durchpustet. Ein Freund seiner Schwester, der eine Harley fuhr, erweckte irgendwann Gerts Leidenschaft für Harley-Davidson. »Es ist hauptsächlich die rohe Technik, die mich bei Harleys anspricht, nicht so sehr das vermeintlich harte Biker-Image oder so.

Der Heckfender stammt von Penz Custombikes aus Österreich und wurde leicht modifiziert

Vor allem der Klang der V2-Motoren beeindruckt mich – eine elektrische Harley dagegen werde ich niemals mögen. Eigentlich hatte ich immer gesagt, wenn meine Kinder älter wären, würde ich mir eine Harley kaufen, doch meine Scheidung vor rund zehn Jahren, hat meinen Wunsch schneller in Erfüllung gehen lassen.« Nach der Trennung verwandelt er sein Wohnzimmer in eine echte Männerhöhle, die ab sofort Motorradschuppen und Werkstatt gleichzeitig ist. Auf dem Granitboden lässt es sich sogar schweißen und es stinkt laut Gert noch nicht einmal nach Benzin.

»Wer hierherkommt, mag Motorräder mehr als Gemälde an der Wand«

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er den Geruch inzwischen gewohnt ist und ihn mag. »Jeder, der hierherkommt, mag die Motorräder mehr als ein Gemälde an der Wand«, lacht er und erzählt von seiner ersten Harley-Softail, die ihm leider gestohlen wurde und von der Shovel im Dragstyle-Look, die er anschließend besaß. Angesichts seines technischen Backgrounds wollte Gert aber immer selbst ein Bike aufbauen.

Der Cole-Foster-Tank passte natürlich hervorragend in Gerts Konzept

Die Gelegenheit bietet sich ihm, als er auf einen Softail-Rahmen samt Papieren stößt und sein Vorhaben endlich umsetzen kann: »In meinem Kopf erschien der Rest des Motorrads und ich schaute mich bei eBay um, um die Teile zusammenzusuchen. Meine Dragstyle-Shovel war dabei eine wahre Quelle an Inspiration. Ihr rassiges, schlankes Aussehen wollte ich auch bei meinem Softail-Projekt haben. Es gibt für mich nichts Besseres als einen großen, fetten V-Twin unter einem schmalen Kraftstofftank. Das war Voraussetzung, ebenso wie die langen Fender.

Harley-Davidson Softail – Gebrauchte Teile halten die Kosten im Rahmen

Außerdem fand ich im Wing-Palace-Bike-Shop einen speziell dazu passenden Lenker, den ich natürlich auch haben musste. Die meisten Teile an dem Bike sind gebraucht, um die Kosten im Rahmen zu halten. Außerdem macht es mir Spaß, solchen Parts mit der richtigen Behandlung neues Leben einzuhauchen. So sind zum Beispiel die Narrow-Glide-Gabelbrücken gebraucht, ebenso wie die Gabelholme oder der Cole-Foster-Tank. Eigentlich ist dieser von Haus aus schon schmal, doch für meinen Geschmack war er immer noch zu breit im Verhältnis zu den Gabelbrücken.«

Tankdeckel und Instrument wurden für den cleanen Look eingelassen

Kurzerhand halbiert Gert den Tank und macht ihn rund zwei Zentimeter schmaler. Der Tankverschluss wird versetzt und auch das MMB-Instrument findet einen Platz. Jetzt sieht das Bike in diesem Bereich sehr clean aus. »Die Neugestaltung des Tanks war eine große Aufgabe«, wie Gert zugibt. »Aber ich bereue es auf keinen Fall, denn es sieht super cool aus. Nur der Tankinhalt … « Gerade aufgrund des bulligen 1,8-Liter-Motors wäre ein größeres Tankvolumen kein Fehler gewesen.

Harley-Davidson Softail – Der Motor wird zerlegt und überholt

»Dafür kann man aber ohne Luftfilter einen schönen Gasstrahl sehen«, grinst Gert verschmitzt, der an den Tankstellen in seinem Umkreis inzwischen ein gern gesehener Gast ist. »Motor und Getriebe konnten wegen ihres Alters eine Auffrischung vertragen, also musste alles poliert werden. Außerdem stehe ich auf Blingbling.« Der Motor wird zerlegt und überholt, denn auch die Köpfe waren nicht mehr gut und das Getriebe verlangte ebenfalls nach ein wenig Aufmerksamkeit.

Beim Stil der Auspuffanlage orientierte sich Gert an Exile Cycles. Der Aufwand, selbst eine zu bauen, war dann aber zu groß. Doch die Vance-&-Hines-Anlage kommt dem Vorbild sehr nahe

»Diese Arbeiten hat Ruben von Wing Place für mich erledigt. Glücklicherweise war das Motorgehäuse in einem guten Zustand.« Und warum musste es ein 1,8-Liter-Motor sein? »Ich mag den coolen Sound, er ist einfach fett. Dabei passt der Motor gerade in Sachen Leistung nicht unbedingt zu so einem kompakten Chopper. Doch ich wollte ein minimalistisches Bike mit viel Power bauen, quasi eine Zündapp mit großem Motor. Ja, so kann man es bezeichnen.« Der Stil seiner Harley-Davidson Softail liegt laut Gert irgendwo zwischen einem klassischen Bobber und einem Chopper, wobei für letztere Kategorie die langen Fender besonders auffallen, da sie nicht unbedingt choppertypisch sind.

Harley-Davidson Softail – Linienfindung vom Sofa aus

Allerdings bereitete Gert das Anpassen der Penz-Schutzbleche einiges Kopfzerbrechen. »Mein Vorteil war, dass ich das Motorrad den ganzen Abend vom Sofa aus betrachten konnte, um die richtigen Linien und Details zu finden. Während der Bauzeit habe ich darum sehr wenig ferngesehen.« Den Heckfender schweißt er an zwei Streben, so niedrig wie möglich, um einen Hardtail-Look zu erzeugen. »Inspiriert durch Exile Cycles habe ich angefangen, selbst Dragpipes zu bauen, schließlich brauchte das Bike auch einen Auspuff.« Und wieder erwartet ihn eine Menge Arbeit.

Die Sitzbank ist ausreichend und bietet gerade noch genug Komfort, um auch eine längere Fahrt zu überstehen

Er setzt sich für den Sommer eine Frist, da er spätestens nach den Ferien das Bike fahren wollte, was allerdings nicht von Erfolg gekrönt war. Letzten Endes greift er auf ein Auspuffset von Vance & Hines zurück, das dem gewünschten Aussehen sehr nahe kommt. Neben weiteren Arbeiten an Sitz, Lenker und Elektrik widmet er sich auch den Bremsleitungen und ersetzt sämtliche Schrauben durch verchromte. »Unterm Strich fließt wirklich viel Geld in so einen Umbau. Eine Zeit lang habe ich ungläubig die Rechnungen angeschaut, vor allem als ich einen Satz K-Tech-Handschalter bestellt habe.

»In Bezug auf das Handling läuft das Bike nahezu perfekt«

Doch so ein Projekt verdient nun mal die besten Teile.« Auch bei der Lackierung findet er schnell zu Candy-Apple-Red, obwohl sein Freund Ruben vorher Root-Beer-Red ins Spiel brachte. Und um nicht immer wieder unwissenden Betrachtern erklären zu müssen, um welche Motorradmarke es sich handelt, steht nun Harley-Davidson in großen handgemalten Lettern auf dem Tank. »In Bezug auf das Handling läuft das Bike nahezu perfekt. Die Federung ist zwar etwas hart, aber immer noch komfortabel genug, um längere Fahrten gut zu überstehen.

Besser ist das: Das 1850er V2-Aggregat von S&S bekam einen Ölkühler spendiert

Der Motor hat ein aberwitziges Drehmoment und die Leistung liegt knapp über 100 PS. Zudem hängt er sehr nervös am Gas und will am liebsten marschieren. Der Bursche scheint fürs Drag Racing wie gemacht. Mit den großen Ventilen, der scharfen Nockenwelle und dem Super-G-Vergaser muss man echt aufpassen, dass man nicht Steine von der Straße ansaugt«, schaut Gert schelmisch, bereit sich einem neuen Projekt zu widmen. Denn: Motorräder kann man nie genug haben. 

 

Floris Velthuis