Für Tom war es der erste Umbau eines Milwaukee Irons. Für uns ist seine Harley-Davidson Softail ein Motorrad mit Charme und Linie.

Oft schafft es eine Harley erst spät in den Fuhrpark eines Schraubers – so wie bei Tom aus der Nähe von München. Klar, ein Jugendtraum ist so ein Milwaukee-Twin immer, auch bei ihm. Aber die Realität lässt den leidenschaftlichen Schrauber mit anderem Eisen beginnen.

Bei seinen Umbauten zeigt sich Tom als Perfektionist

Mit 13 Jahren schon wurde das erste Mofa bis zur Unkenntlichkeit umgebaut, viel später nimmt er mit einer Intruder an unserem ersten CUSTOMBIKE-Wettbewerb teil und an unserer kleinen Show, die wir in den 90ern veranstalten. Bei seinen Umbauten zeigt sich Tom als Perfektionist. Ungern gibt er Teile aus der Hand, will alles selbst machen. »Ich fange dann an, ein bestimmtes Handwerk oder eine Technik zu lernen. Dann frage ich Leute aus, bilde mich weiter. So lange, bis ich es kann.«

Neben den großen Arbeiten, beeinflussen kleine Details das Gesamtkonzept. Unterm Totenkopf zwischen den Springerfedern schlummert der Tacho

So wird auch seine Harley ein Motorrad, das komplett aus seiner Hand entsteht. Eigentlich ist Tom ein Oldschool-Fan, trotzdem entscheidet er sich bei seinem ersten Milwaukee Iron für eine Harley-Davidson Softail mit Twin-Cam-Motor. »Ich hatte ja keine richtige Ahnung von der Marke. Mir war nur klar, dass es ein Softail-Rahmen sein musste, wegen der starren Optik. Er beginnt, das Moped zu zerlegen und rauft sich die Haare ob der umfangreichen Elektrik, »einen Laptop wollte ich zum Fahren eigentlich nicht benutzen«, schmunzelt der Bayer.

Harley-Davidson Softail mit Handschaltung

Da er schon zu viel Geld investiert hat, macht er stur weiter und weicht von gewissen Vorstellungen nicht ab. »Ich wollte zum Beispiel immer eine Handschaltung haben, aber halt vernünftig fahrbar.« Damit er seinem Anspruch gerecht wird, verbaut er die Schaltung in Kombination mit einer Fliehkraftkupplung. »Der Wechsel der Kupplung war eigentlich recht einfach zu bewerkstelligen.«

Der Harley-Twin-Cam ist ein zuverlässiger moderner Motor. Trotzdem war eine Handschaltung ein langgehegter Wunsch des Schraubers

Als Belohnung für die Arbeit gibts keine Probleme im Stand, da die Kupplung immer trennt, wobei »ein leichter Zug an der Ampel immer da ist«. Tom weiß das zu händeln. Gerade, wer schon mal klassisch Handschaltung und Fußkupplung gefahren ist, kann sich vorstellen, um wie viel besser Toms Variante zu koordinieren ist.

Die Harley-Davidson Softail wird zum Tiefflieger

Als die Arbeiten am Antrieb erledigt sind, macht sich unser Schrauber an die optischen Details. Tiefer möchte er das Bike haben, verbaut deshalb die kürzeste Springergabel, die er finden kann und senkt die Schwinge ab. Zwar schränkt das die Schräglagenfreiheit ein – so sehr, dass der Ständer abgeschliffen werden muss –, der Optik aber kommt es zugute. Die Reifengröße ist identisch mit dem Original, neue Räder gibt es trotzdem. Die kommen von TTS, 80 Speichen jeweils.

Die Blinkerhalter sind mit Flügelmuttern fixiert, die Felgen weiß lackiert, was wiederum zum weißen Auspuffendtopf passt

Zahlreiche Teile fertigt der gelernte Metallbauer selbst an. Das reicht vom Heckfender über den Halter für die Satteltasche, bis hin zur Batterieabdeckung oder den Bremsanker für die Scheibe einer Road King. Dazu kleine Details wie der Totenkopf, der überm Tacho montiert ist, »für drei Euro gekauft in einem Aquariumshop«, erzählt uns Tom. Auch sein Schaltknauf ist totenkopfverziert.

Do-it-yourself auch beim Lack

Dazu gesellt sich ein Sattel aus dem Zubehör, der Apehanger und die ebenfalls selbstgebaute Sissybar. »An die hab ich noch ein Katzenauge gebaut, der TÜV hier in Bayern mag das so«, schmunzelt Tom. Freier kann er da bei seinem Paintjob agieren. Besessen, wie Tom vom Biken und Schrauben ist, bringt er sich das Lackieren selbst bei. »Vorstellungskraft und Affinität sind da schon nötig«, sagt er, »und das Handwerkliche, das kann man ja lernen.«

»Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden, dem einen gefällt’s, dem anderen nicht. Aber jeder darf bauen, was ihm gefällt. Das ist doch das Schöne und bringt die geilsten Ideen und kuriosesten Bikes hervor«

Für sein Farbkonzept verwendet er ausschließlich RAL-Farben, den alten Look erreicht er durch Pastelltöne. Eine Lackierung nur in Elfenbein wäre zu langweilig, so kommen Blau und Oxydrot hinzu. Letzteres wird nur zum Durchschleifen aufgetragen, um den alten Look perfekt zu machen. Ziemlich passend dazu wirkt der weiße Endtopf der Auspuffanlage. Der entsteht mehr durch Zufall. »Eigentlich war die komplette Anlage weiß lackiert«, erklärt Tom, »allerdings hat sie sich mit der Zeit verfärbt, ziemlich uncool.«

Voll legal auf Bayerns Straßen

Der Schrauber entschließt sich, die ganze Rotze mit dem Kärcher runterzuholen. Das gelingt am Krümmer auch prima, aber hinten will der Lack einfach nicht weichen. »Letztlich hab ich das dann einfach so gelassen, passt doch«, grinst er. Dass sein Helm das Farbkonzept des Bikes aufgreift, weist den Perfektionisten aus

Tom kombiniert die mit einer Fliehkraftkupplung. Das Stehen mit betätigter Bremse, zum Beispiel im Stau, ist damit zum Beispiel nicht nötig

Blieb für den Schrauber, die letzte Hürde zu nehmen. Die TÜV-Problematik in Bayern hatten wir schon angesprochen, hier ist sie kein Thema. Tatsächlich ist Toms Softail so sauber, sicher und legal aufgebaut, dass die Graukittel nix zu meckern haben. Den Jugendtraum von der Harley hat er sich damit erfüllt, einen anderen erfüllen wir ihm. »Einmal im Leben mit dem eigenen, selbstgebauten Moped in eine Zeitschrift kommen … einen eigenen Artikel, das war ein langer Traum von mir«

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.