Osteuropa bringt in den letzten Jahren wirklich astreine Bikes hervor. Zum Beweis gibt’s heute eine Harley-Davidson Shovelhead aus Slowenien.

Vor vielleicht zehn Jahren trauten sich nur wenige Bikebuilder aus Europas Osten auf die internationalen Bikeshows, schraubten lieber unbeachtet vom Rest des Kontinents. Und zugegeben, manche Kreationen machten dabei den Eindruck, als wäre die Umbauzeit im Ostblock irgendwo in den Neunzigern stehen geblieben. Während nämlich hierzulande der Oldschool die Macht übernahm und spritzige Cafe Racer und Scrambler die Szene fluteten, bauten sie in Tschechien, Polen und Co. noch immer vorwiegend Breitreifen-Newstyler und überladene Themenbikes.

1900er Yamaha mit Einarmschwinge und Eigenbau-Rahmen

Wir erinnern uns zum Beispiel gut an den Mann aus Russland, der eines Morgens im Dezember auf unsere Bikeshow kam. Sein Motorrad hatte keinen Tank, das Benzin steckte in einem Heckbürzel, der aussah, als hätte ihn ein Blinder aus einem Briefkasten zusammengenagelt … also so ungefähr. Aber der Russe war glücklich und das ist ja die Hauptsache. Auch Marko aus Slowenien hat schon krasse Karren gebaut, wenn auch nicht ganz so anarchisch wie unser Bikeshow-Teilnehmer von einst.

Die Wahl des Guzzi-Scheiben-rades mitsamt Trommelbremse in der Front wirkt zwar auf den ersten Blick ungewöhnlich, passt aber erstaunlich gut zum Gesamtkonzept eines schlanken Bobbers

So haute der heute 34-jährige Slowene vor ein paar Jahren eine 1900er Yamaha unter dem bösen Namen »Pureblood« raus, mit Einarmschwinge und Eigenbau-Rahmen – dafür gab es den »Best Radical«-Pokal auf der renommierten Bikeshow am Faaker See. Ein erstes Ausrufezeichen des jungen Bikebuilders, er war seinerzeit gerade mal 24 Jahre alt. In seiner Kindheit fuhr er Motocross, später Supermoto-Rennen in offiziellen slowenischen Rennklassen.

Harley-Davidson Shovelhead im Starrrahmen

Die Liebe zum Schrauben hat er von seinem Vater Anton, ebenfalls ein ehemaliger Rennfahrer. Heute betreiben die beiden ihre Firma »MG Customs« als Familienbetrieb, machen alles von der Teilefertigung bis hin zum Pulverbeschichten und bauen natürlich alle Arten von Motorrädern um, darunter auch etliche Komplettumbauten. Mittlerweile hat Marko den Oldschool für sich entdeckt, »und ein Bobber ist sowieso immer geil«, grinst er.

Der Motor steckt in einem komplett selbst gebauten Starrrahmen, der sich in seinen Maßen an dem Harley-Original orientiert. Getriebe, Luftfilter und die grob geschweißten Auspuffrohre entstanden ebenfalls in Eigenregie

Der Motor der Shovel wird komplett überholt, Luftfilter, Getriebe und Auspuff sind Eigenanfertigungen von Mark und seinem Vater. Auch den starren Rahmen für das Projekt fertigen sie selbst, in seinen Abmaßungen orientiert am originalen Harley-Rahmen. Während im Heck ein 16-Zoll-Harleyrad dreht, wird es an der Front spezieller. Mark entscheidet sich für den Einbau eines Scheibenrades mit – ungewöhnliche Wahl – einer Guzzi-Trommelbremse, »aber das passte einfach wirklich gut«, erzählt der Youngster.

Jede Menge Eigenbau-Parts am Harley-Bobber

Zahlreiche weitere Teile für den Bobber entstanden in der kleinen Manufaktur, Parts wie Tank und Beleuchtung orderte er dagegen in Deutschland, auch die Motogadget-Instrumente kommen von hier. Nur bei einem konnte Marko dann doch nicht ganz aus seiner Haut. Der Schalthebel ist extravagant grob und erinnert schwer an die Zeiten, als im Ostblock noch mehr nach Auffallen um jeden Preis, denn nach Grundsätzen der Harmonie geschraubt wurde.

Info | mgcustoms.si

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.