Zwei Harley-Davidson Shovelhead im Knickrahmen, die sich fast wie ein Ei dem anderen gleichen. Die Unterschiede liegen im Detail.

Motorräder bringen Menschen zusammen, das wussten wir längst. Im Falle dieser Geschichte sind es gleich drei Männer und zwei Motorräder, um die es geht. Zum einen wäre da Ralf, Harley-Schrauber und seit mehr als zehn Jahren in seinem eigenen »Shovelshop« aktiv. Hier baut er Auspuffanlagen, poliert Edelstahl, kümmert sich um Motorradelektrik und vieles mehr. Neben den üblichen Wartungsarbeiten baut Ralf auch richtig gut um, am liebsten schmal und oldschoolig.

Nix als Ärger – Harley-Davidson Shovelhead im Knickrahmen

Der zweite Mann ist Marco. Vor zwei Jahren hatte der sich eine Shovel im Knickrahmen gekauft, hatte allerdings ständig Probleme mit dem Bike. So lernte er Ralf kennen und beauftragte ihn, das Bike umzubauen. Wir nehmen es vorweg, es handelt sich um die orange-rote Harley in dieser Story. Was Marco zu Beginn noch nicht ahnte, entpuppte sich schnell als grauselige Wahrheit.

»Beide Bikes wiesen ähnliche Vorschäden auf. So habe ich beim Bauen mehrmals über diese verdammten Stiefschwestern geflucht« erzählt Ralf

Das Motorrad, das aus den USA stammte, war mächtig verbaut. Auf den ersten Blick nicht sichtbar, zeigte sich schnell die alte Problematik mit Kisten, die in den USA schon einmal umgefrickelt wurden. Man muss dazu wissen, dass die Amis in den 70er und 80er Jahren oft alle unbrauchbaren Teile einfach abschnitten oder wegflexten. Zusätzlich wurden vorhandene Hohlräume mit Schweißmasse, Lötzinn und Spachtel zugeschmiert.

Nach dem Sandstrahlen offenbarte sich das komplette Dilemma

Ähnliches war wohl auch der Shovel widerfahren. So war klar: Das würde kein kleiner Umbau werden, sondern eine waschechte und aufwendige Restauration. Nach dem Sandstrahlen offenbarte sich schließlich das komplette Dilemma. Lenkkopf und Schwinge krumm, Springergabel gebrochen, Gussteile abgeflext und laienhaft zugeschweißt – nur einige der massiven Schäden.

Auch wenn der Weg lang war: Manni und Marco sind jetzt richtig happy mit ihren Shovelsisters

Schnell hatte Schrauber Ralf ein Déjà-vu-Erlebnis, er hatte schon einmal ähnlich üble Dinge an einer Shovel gesehen. Damit betritt Manni, der Letzte im Bunde, die Bühne. Ihm gehört die zweite Shovel, die in braunem Glimmerlack vor uns steht. Und eben die war in ihrem Urzustand ähnlich verranzt wie Marcos Exemplar. Ralf fluchte mehr als einmal durch die Werkstatt: »Diese elenden Stiefschwestern, die kotzen mich an!« Die Stepsisters waren geboren.

Immerhin, der Harley-Davidson Shovelhead war okay

Marco war es wichtig, die originalen Rahmenteile zu erhalten beziehungsweise die Schäden originalgetreu zu reparieren und aufzubereiten. Der Rahmen wurde außerdem vermessen und gerichtet. Glück im Unglück: Der Motor war okay und brauchte keine großen Änderungen. Auch die Springergabel sollte wieder ans Bike, da ist Marco oldschool. Und die verbauten Scheibenbremsen flogen sowieso raus, nur die Trommel ist authentisch.

Marcos Early-Shovel-Motor spuckt ein paar mehr Kubik aus als der von Manni, ansonsten wurden bei beiden Motorrädern an vielen Stellen gleiche Teile verwendet. Ein auffälliger Unterschied ist aber zum Beispiel die Springergabel im Vergleich zum gekürzten FX-Frontend

Tank, Elektrik, Fender, Lenker und vieles mehr wurden sorgsam ausgewählt und in einer langwierigen Bauphase zusammengesetzt. Die Lackierung übernahm House of Kolor, so steht am Ende ein durch und durch stimmiger Schmalhans von Bike vor uns. Im Gegensatz zur Kiste von Manni war der Aufbau trotzdem fast noch ein Spaziergang. Die hatte nämlich fast noch mehr Krankheiten als das Pendant.

Das Aggregat wurde zerlegt, gesäubert und von Grund auf überholt

Neben ähnlichen Vorschäden an Rahmen und Gussteilen war bei ihr zusätzlich auch der Motor ziemlich hinüber. So wurde das Aggregat zerlegt, gesäubert und von Grund auf überholt. Die aufwendigen Arbeiten am Motorinneren gibt Ralf in solchen Fällen an einen Spezialisten, alles kann und muss man nicht selbst erledigen. Rahmen und Gussteile dagegen wurden nach gleicher Maxime behandelt wie bei ihm üblich.

Die wirklich aufwendigen Arbeiten an den Motorrädern sind nicht mehr zu erkennen. Die steckten nämlich darin, den in den USA verhunzten Kram wieder geradezurücken. Beide Rahmen wurden neu vermessen und gerichtet, die Gussteile überarbeitet beziehungsweise neu hergestellt und ersetzt

Anders als Marco entschied sich Manni gegen eine Springergabel. Ralf verbaute eine angepasste FX-Gabel, die um zwei Zoll gekürzt wurde. Die Radgrößen dagegen sind chopperlike und weisen bei beiden Bikes dieselben Dimensionen auf – 16 Zoll vorn, 21 Zoll hinten. Auf die Felgen wurden Shinko-Reifen gezogen, damit kann man wenig falsch machen. Auch in den Bremsen unterscheiden sich die Motorräder leicht.

Hinten gab’s auch für dieses Bike die klassische Trommel

Für die braune Glimmershovel wurde der vordere Bremszylinder von Ralf modifiziert, hinten gab’s auch für dieses Bike die klassische Trommel. Öltank, Fender, Tank oder Elektrik sind Parts, die Ralf sowieso im eigenen Betrieb fertigt. Moderne Teile wie MMB-Instrumente und LED-Beleuchtungen geben das Finish, und ab mit euch auf die Straße Jungs.

»Die Bikes sind auf die Größe des jeweiligen Besitzers angepasst, dadurch ist die Sitzposition echt genial entspannt«

Im Fahrbetrieb fällt bei beiden Bikes die recht entspannte Sitzposition auf. Vorverlegte Rasten und die Anpassung auf die entsprechende Größe des Fahrers geben den Ausschlag. »Ich achte da schon sehr drauf, dass das jeweilige Bike zur Statur seines Besitzers passt. So erreichst du am Ende eine wirklich geniale Position, ohne dass dir sämtliche Gliedmaßen einschlafen«, erklärt Ralf. Und so ziehen die Stiefschwestern entspannt ihre Runden durch Bayern. Happy End!

Info | shovelshop.de

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.