Wenn Rinus de Jong unterwegs ist, dann hat er immer eine alte Karre unterm Arsch – mal ein Auto, mal ein Bike. Als wir den Insider der holländischen Szene treffen, ist er auf einer metallenen Harley-Davidson Shovelhead unterwegs. Logisch, dass wir das entspannte Duo direkt vor die Kamera zerren.

Holländer essen den ganzen Tag Frikandel und Fritten, können prima Fußball spielen (werden aber trotzdem nie Weltmeister) und verstopfen unsere Autobahnen mit ihren Wohnwagen. Und wenn sie nicht Wohnwagen fahren, dann wenigstens Fahrrad. Vorurteile gegen Holländer haben eine lange Tradition, aber wir müssen euch enttäuschen, sie stimmen nicht.

Der europäischen Kustom Kulture eine Heimat geben

Na gut, außer das mit dem Fußball. Beschränken wir uns auf unseren Custom-Mikrokosmos, dann können wir nur eins sagen: Holländer bauen richtig geile Karren, sind unglaublich bemüht, der europäischen Kustom Kulture eine Heimat zu geben und lassen – dank ihrer unwahrscheinlichen Reisefreude – auch den Rest Europas an ihren Kreationen Spaß haben.

Holländer können nur Wohnwagen? Falsch, Holländer können schmale, geile Metallshovels bauen, die Bikeshow-Format haben und Pokale gewinnen

»Nur das mit den Fritten, das stimmt irgendwie«, erzählt Rinus, der sein Geld als Mechaniker in einer Pommesfabrik verdient … hähä! Das ist aber auch schon das Einzige, mit dem wir ihn in alter deutsch-holländischer Rivalität ordentlich vergackeiern können, alles andere gibt ein mehr als stimmiges Bild.

Nur altes Eisen und Umbaukultur im Kopf

In seiner Grease ’n’ Ink-Garage, einem privaten Refugium der allerfeinsten Backyard-Kategorie, tummeln sich Fahrzeuge noch und nöcher. Neben einer feinen Vespa-Sammlung drängeln sich ein 55er Mercury, eine WLA, das Mercury Hardtail Coupé, der 58er Chevy Biscayne, der olle Chevy Van und eben auch diese hübsche Shovel, der aktuelle Aufbau des Mannes, der Motorrad seit seinem zwölften Lebensjahr fährt und nie was anderes im Kopf hatte als altes Eisen und Umbaukultur.

Flügelmuttern aus Messing. Jedes noch so kleine Detail ist purer Oldschool. »Ich bin aber auch verdammt verrückt danach«, sagt Rinus

Da Rinus in all seinem Tun auf den Stil der 50er und 60er Jahre Wert legt, ist die schmale Bauweise eine logische Konsequenz. Den richtigen Rahmen für sein Vorhaben findet er bei der niederländischen Manufaktur L&L, die Rahmen für jede Bauweise entwickeln und konstruieren.

Harley-Davidson Shovelhead – Verzicht auf Bequemlichkeit

Dass Rinus’ Rahmen starr ist, ist genauso logisch, wie er auf eine Vorderbremse verzichtet, sein Bike ankickt, mit der Hand schaltet oder seinen Reifen nicht mehr als einen 21-Zoll-Durchmesser gönnt: »Sowas sind gar keine Dinge, über die ich nachdenke. So muss das einfach sein«, erklärt uns der Mann, der zugunsten des Stils völlig auf Bequemlichkeit verzichtet, sich auf den Fahrradsattel presst und den winzigen Eigenbau-Lenker in unmöglicher Armhaltung umkrampft.

Es ist schon ein goldiges Bild, wenn sich der kräftige Rinus auf Opas klitzekleinen Fahrradsattel kuschelt. Natürlich erst, nachdem er sein Bike angekickt hat

Anders als andere Umbauer schenkt Rinus aber auch seinem Motor deutliches Augenmerk. »Ich kann doch nicht den Stil der 60er fahren, aber die Technik auf Stand 1975 lassen?«, gibt er sich verwundert. Selbstverständlich ist also sein Getriebe handgeschaltet, selbstverständlich wird munter angekickt und selbstverständlich per Morris Magneto gezündet.

Harley-Davidson Shovelhead – Lackierung gespart

Nur die Arbeit mit der Lackierung hat Rinus sich gespart, da war er ausnahmsweise mal so gar nicht grease ’n’ ink drauf. »Die kommt am besten in Metall.« Recht hat er. Um nicht ganz nackt auf Tour zu gehen, spendierte er zumindest seinen Handgriffen noch einen Hauch Flake. Darauf eine Frikandel.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.