Man muss kein langbärtiger, fünfzigjähriger Rocker sein, um einen Chopper cool zu finden. Sagt der Hias, und der muss es wissen. Seine Harley-Davidson Shovelhead jedenfalls, die ist saucool.

»Hias«, das steht im österreichischen Sprachgebrauch für die Abkürzung des Namens Matthias. Es wird den Trägern dieses Spitznamens aber auch gerne etwas Schelmisches, Witziges, ja »Urviehhaftes« mit angehängt. Dabei ist das Urvieh in unserem Fall eher die Shovel von Hias. Springergabel, Peanuttank, Sissybar … braucht es mehr für einen Chopper? Aber der Reihe nach. 

Die ersten Sporen im Customizing mit einer Vespa verdient

Unser Hias ist 26 Jahre alt, kommt aus Oberösterreich in der Nähe von Linz, und seine ersten Sporen im Customizing hat er sich durch die Restaurierung einer 200er-Vespa aus dem Jahr 1978 verdient. Zusammen mit seinem Vater hatte er die Kleine wieder fit gemacht.

Springergabel, Peanuttank, Sissybar – braucht es mehr für einen Chopper? »Nein«, sagen die Urväter der Customkultur und geben Hias damit seine Richtung vor

Mit dem Kauf einer 883er-Sportster folgte 2014 der Eintritt in die Harleyszene. Die Sporty wurde allerdings schnell von einer Street Bob abgelöst. Soweit, so normal, der Werdegang eines typischen Harleyfahrers.

Die Harley-Davidson Shovelhead war 15 Jahre abgemeldet

Wäre da nicht dieser Choppervirus gewesen, der Hias so massiv befallen hat und in der intensiven Netzsuche nach einer geeigneten Umbaubasis mündete. Eine Harley-Davidson Shovelhead, seit fünfzehn Jahren abgemeldet, das Ganze in Wien, also in greifbarer Entfernung – Hias sah seine Chance.

Nicht alles musste neu gemacht werden, so reichte zum Beispiel für die Stufensitzbank schon ein neuer Bezug. Die Sissybar dahinter ist freilich eine Neuanfertigung

Mit dem Vorbesitzer, der eigentlich selbst umbauen wollte, aber nicht weit damit kam, wurde sich unser Jungschrauber einig. Das Bike hatte schon ein bisschen was hinter sich, gut für Hias. Denn schon in den Achtzigerjahren war es vom Erstbesitzer mit einem Santee-Starrrahmen typisiert worden.

Harley-Davidson Shovelhead im Santee-Starrrahmen

Typisiert, das ist österreichisch für getüvt und machte den Umbau samt aktueller Zulassung einfacher. Zu Hause angekommen zerlegte Hias das Bike komplett, immerhin, der Motor drehte und hatte Kompression, es war also davon auszugehen, dass er auch läuft – Fehleinschätzung.

Erst eine Sportster, danach eine Street Bob – so weit, so normal der Werdegang eines durchschnittlichen Harleyfahrers. Wäre da nicht die Sache mit den Choppern dazwischen gekommen

Erst nach dem Zusammenbau stellte sich heraus, dass nicht gesicherte Schräublein der Vergaser-Drosselklappe munter in den Ansaugtrakt kullerten – die schwerwiegende Folge: Ventil- und Kolbenschaden. Aber wir nehmen es vorweg, auch das konnte den Hias nicht aufhalten.

Harley-Davidson Shovelhead  – Zusammenbau in einem Winter

Einen Winter hatte Hias sich gegeben, das Bike zusammenzusetzen. Was nicht schön war, wurde überarbeitet. So erhielt zum Beispiel die Stufensitzbank einen neuen Bezug. Viele Verbesserungen wurden umgesetzt und das ein oder andere Teil neu angefertigt, die Twisted-Sissybar zum Beispiel.

Auch der österreichische TÜV schluckt bei Choppern gern mal. Hias‘ Shovel samt Starrrahmen wurde bereits in den 80er Jahren typisiert – ein Vorteil bei der aktuellen Zulassung

Der Rest sind stilsichere Zugaben. Sei es die 16-inch-over lange Springergabel im OEM-Look, das 21-Zoll-Vorderrad mit kleiner Scheibenbremse, der Rabbit-Pullback-Lenker oder der Tropfentank, versehen mit einer traditionellen Lackierung, alles dran!

Eine Kombination aus Garage, Schrauben, Rockmusik und Tattoos

Und noch was passierte neben der reinen Arbeit am Motorrad in Hias Leben. Durch das Schrauben lernte er die richtigen Leute kennen. Die, die vorher schon mit alten Choppern zu tun hatten und ihn in seiner Idee von einer Kombination aus Garage, Schrauben, Rockmusik und Tattoos bestärkten und unterstützten.

»Als Easy Rider ins Kino kam, war ich noch lange nicht geboren. Und trotzdem, das alles ist genau mein Ding«

»Das ist einfach genau mein Ding«, sagt der junge Kerl, der noch nicht geboren war, als Easy Rider über die Leinwand flimmerte oder in Europa die ersten Chopper gebaut wurden. Im Sog seiner neuen Leidenschaften wurde sein Chopper sauber fertig, und auch der Motorschaden am Ende behoben.

Die fünfwöchige USA-Rundreise endete auf der Born Free Show in Kalifornien

Inzwischen gänzlich dem Virus verfallen brachen Hias und seine Freundin Sabine schließlich im Sommer 2018 zu einer fünfwöchigen USA-Rundreise auf, die nicht ganz zufällig auf der Born Free Show in Kalifornien, dem Choppermekka schlechthin, endete.

Der Hias weiß immer, wie heiß sein Öl ist

Dort lernten die beiden CUSTOMBIKE-Chefin Katharina kennen, Fotograf Ben kannte man schon vorher aus Linz. Auf Anhieb passte alles und mit zwei weiteren Kumpel aus Österreich wurde ordentlich Aftershow im Hotel gefeiert!

Harley-Davidson Shovelhead – Anhaltendes Glücksgefühl

Und obwohl die Born Free Show ein Flash für Hias war, war er zurück zu Hause trotzdem noch glücklich mit seiner Shovel. Denn dass die europäische Szene sich nicht hinter der amerikanischen zu verstecken braucht, das hatte er als rollenden Beweis vor sich.

Die Lackierung stammt von … Chicko, wem sonst?

Nur ein kleines Problem ist da noch, »im kalten Zustand springt sie äußerst schlecht an«, gesteht Hias. Bekommt er aber auch noch in den Griff, der Hias – ganz sicher.

 

Customizerkurt
Kustomizerkurt bei

Kurt Goller, Jahrgang 1965, schreibt als »Kustomizerkurt« für die CUSTOMBIKE. Der Zweiradmechanikermeister arbeitet im Hauptberuf bei SSCycle und steht auf alte Motorräder mit Charakter. So befindet sich eine 1977er Harley-Davidson Shovelhead FXE ebenso in seinem Besitz, wie eine 1991er EVO-Softail und eine 1994er Kawasaki ZR 550.