Das erste Milwaukee-Iron mit vierzig Jahren – René erfüllt das Klischee voll. Doch der Mann kann mehr, wie seine Harley-Davidson Panhead beweist.

Vor allem anderen steht der Führerschein, denn was soll man mit einem Bike, das man nicht fahren kann? Den Lappen, den hat man in unserer Szene meist mit spätestens achtzehn in der Tasche. René ist eine Ausnahme, »aber nur weil man keinen Schein hat, heißt das ja nicht, dass man nicht fahren kann«, grinst er. Und Fahrzeugprägung, die war auch schon vor dem ersten Motorrad da. Der gelernte Schlosser schraubt schon lange an Oldtimern, voll auf der Vierradschiene, jahrelang.

»Es ist Zeit für ein Motorrad. Eine Harley, nichts anderes«

Irgendwann bringt ihn sein Montagejob nach Südafrika, drei Jahre lebt und arbeitet er dort, eine lange Zeit. Viel Zeit zum Träumen von neuen Spielzeugen, viel Zeit, um im Internet nach Inspiration zu suchen. »Es ist Zeit für ein Motorrad«, beschließt René, »eine Harley, nichts anderes.« Er findet eine, verliebt sich direkt, auch wenn die Bude total verbaut ist. Zurück in Deutschland steht vorm Kauf der Panhead aber eben noch der Führerschein an, »ich hab ihn in einer Woche gemacht, zum Glück wird sowas ja heute angeboten«, erinnert sich René.

Die Bobberlinie war durch die Wunschreifen gesetzt, alles andere ergab sich. Der TÜV spielte mit, die Zulassung erfolgte unproblematisch

Dem Motorradglück steht kaum noch was im Weg, dem Umbauglück schon eher. Denn immerhin, das erste Mal ist selten das einfachste. Dass es ein Bobber wird, war klar, und im Prinzip geben die Reifen dem Rest der Panhead die Linie. Die Firestones wollte René unbedingt haben, Springergabel und Starrrahmen sind ebenfalls gesetzt. Letzterer ist das geringste Problem, das Fahrwerk ist original 1950. Damit fallen baujahresbedingt auch ein paar Kleinigkeiten wie zum Beispiel Blinker direkt weg, sehr praktisch.

Der vermeintliche Harley-Davidson Panhead ist nur ein Klonmotor

Der Motor allerdings ist nicht original alt, der Wishbone-Rahmen trägt einen Klonmotor in sich, zusätzlich mit Aftermarket-Knuckle-Köpfen versehen. Außerdem rollt das ganze Ding auf 17-Zoll-Stollenreifen. Zunächst wird die Kiste so gefahren, »aber egal, wo ich hinkam, jeder fragte, ob ich das selbst gebaut hätte. Das war mir schnell zu doof«, schneller als geplant nahm René den Eigenbau in Angriff. Komplett zerlegen, konnte losgehen.

Der offene Filter sieht gut aus, wäre aber nicht unbedingt unsere Empfehlung. Probleme mit der Kompression können durchaus auch daher rühren

René baut den Motor im ersten Schritt auf die Panhead-Optik zurück, vieles gelingt, ein paar Tiefschläge gibt es trotzdem. So erweist sich der Öltank mit seinen Finnen zwar als optisch hübsch, hat allerdings auch seine Macken. »Der war schlicht undicht«, erklärt René, »und musste später noch ordentlich nachgeschweißt werden.« Vertrauen tut er ihm dennoch nicht ganz, ein Zusatzgefäß kommt außerdem ins Rahmendreieck, sicher ist sicher.

Der Aufbau der Harley-Davidson Panhead zieht sich über zwei Jahre hin

Überhaupt macht der Privatschrauber Erfahrungen, die er so bisher nicht kennt. »Viele, nein, die meisten Zubehörteile passen einfach nicht wirklich. Alles muss angepasst oder modifiziert werden. Das war total neu für mich, aus der Oldtimer-Autoecke war ich sowas nicht gewohnt«, erzählt er. Erschwerend kommt hinzu, dass René nicht über eine voll ausgestattete Werkstatt, sondern nur über eine Garage verfügt und beruflich nach wie vor oft und langfristig im Ausland unterwegs ist. So zieht sich der Aufbau der Panhead am Ende über zwei Jahre hin. Trotzdem lässt er sich nicht unterkriegen, nach den Motorarbeiten wird an der Optik gefeilt.

»Ich war vom Schrauben an Autos etwas verwöhnt, denn tatsächlich musst du bei Teilen für Harleys viel mehr nacharbeiten und modifizieren. Da passen auch Zubehörteile nicht unbedingt auf Anhieb«

Die Reifen waren gesetzt, vorn und hinten gleiche Größe, wie es der Bobberstil verlangt. Auf 16-Zoll-Felgen zieht René die Firestones auf. Passend zum Style erweist sich der beliebte Cole-Foster-Tank, eine vernünftige Sitzhaltung gibt’s dank kleinem Apehanger und Trittbrettern statt Rasten. Gefordert wird der Fahrer trotzdem. Starrrahmen, Fußkupplung, Handschaltung und nicht zuletzt die extrem spartanische Sitzplatte, die von Freund Daniel bezogen wird, fordern Abzüge in der Komfortnote. Vermeintlich kleine Arbeiten werden darüber hinaus zu großen Herausforderungen.

Harley-Davidson Panhead – Schritt für Schritt geht es voran

Die kleine Sissybar zum Beispiel baut René selbst, »es war meine erste, da hatte ich schon gut zu tun, damit die ordentlich wird«, erinnert er sich. Auch um die Elektrik kümmert er sich selbst, setzt außerdem auf gute Armaturen von Kustom Tech oder den gern genommenen Gasgriff von Müller Motorcylces. Der Tacho wandert ins neue Gehäuse, das Rücklicht wird auf dem Heckfender montiert. Schritt für Schritt geht es voran. Nur die Frage nach dem Lack ist lange eine offene. In einem langen Telefonat macht Lackierer Chiko dem Schrauber Blattgold schmackhaft.

Schwieriger als gedacht: Die Fertigung der ersten eigenen Sissybar ist nicht unbedingt ein Spaziergang

Der zögert und lässt sich am Ende doch überzeugen, dass derlei Maßnahmen auch sanft und ohne zu viel Blingbling funktionieren können. Heute ist René mit der Lackoptik außerordentlich zufrieden. Und trotz allem, nach erfolgreicher TÜV-Prüfung tauchen neue Probleme auf, die Kompression des Motors ist nicht zufriedenstellend, aktuell ist er daher wieder ausgebaut, »da muss ich noch mal dran«, sagt René. Ob er trotzdem Bock auf mehr hat, wollen wir wissen. »Ja, definitv«, kommt die Antwort direkt, »ich hab mir schon eine andere Panhead gekauft, diesmal mit Originalmotor, das war mir wichtig.« Das zweite Projekt ist damit beschlossene Sache.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.