Auf den ersten Blick wirkt die Harley-Davidson Knucklehead wie ein klassischer Oldschooler. Doch beim genaueren Hinsehen entdeckt man ein paar nicht ganz alltägliche, technische Besonderheiten.

Seit über zwanzig Jahren befasst sich Oliver Bensberg mit seiner Firma Toxic Twins mit dem Auf- und Umbau von Motorrädern. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilden Harleys: »Das hat sich mit der Zeit so ergeben. Die Leidenschaft rund um das Customthema hat ein bisschen zu einer Spezialisierung geführt. Trotzdem sind wir auch für andere Marken offen«, erklärt Oliver. 

Harley-Davidson Knucklehead – Der V2 ist ein Nachbau

Der Aufbau der 47er Knuckle ist kein Kundenauftrag im eigentlichen Sinn, denn Auftraggeber Christoph Cramer ist Freund und Mitstreiter zugleich. »Die Idee zum Bike wurde tatsächlich auf der CUSTOMBIKE-SHOW in Bad Salzuflen geboren, als wir zusammen mit Polsterer Jörg Bruns an unserem Stand saßen.« Christoph wollte einen Oldschooler mit Knucklehead-Motor, hatte klare Vorstellungen von der Stilrichtung, und so wird aus einer Idee schließlich ein Projekt, das rund zwei Jahre Aufbauzeit in Anspruch nehmen sollte. 

An einer Springergabel geht bei so einem Oldschool-Projekt kein Weg vorbei. Der markante Scheinwerfer stammt tatsächlich vom ehemaligen Fahrzeughersteller NSU

Es wäre jetzt ein Einfaches gewesen, schnell einen Zubehörrahmen zu besorgen und loszulegen, doch hier legt Oliver Wert auf das Original. Über Roland Dinter von FTW besorgt er einen zertifizierten Harley-Starrrahmen, der die Basis für das Projekt bilden wird. Der Rahmen bleibt weitgehend unverändert, am Frontend wird eine Zubehör-Springergabel montiert. Beim Motor greift Oliver auf den Aftermarket zurück und besorgt sich einen Knucklehead-Nachbau der Firma »Motortechnic mfg«, den er anschließend verfeinert.

Die Luftfilter sind Eigenbau – richtig gelesen, Mehrzahl!

Der Harley-Davidson Knucklehead, der ja kein echter Harley-Motor ist, bekommt eine Leineweber-Nockenwelle, eine Magneto-Zündung, Kolben von Keith Black, größere Ventile und eine höhere Verdichtung. Die Luftfilter baut er selbst – richtig gelesen, Mehrzahl. Denn hinter jedem Trichter steckt ein eigener Vergaser. Gleich zwei Mikunis befeuern Christophs Knuckle. »Eigentlich kommt das aus dem Rennsport. Mit zwei Manifolds ist ein besserer Befüllungsgrad vor allem des hinteren Zylinders gewährleistet. Wir haben uns jedoch für nur eins entschieden.

Der Knucklehead-Motor ist eine Reproduktion von Hersteller Motortechnic mfg. Die gekapselten Bremsen spendete eine Honda. Gestartet wird natürlich stilecht mit Kicker

Das mit den zwei Vergasern ist also mehr ein optischer Aspekt«, gibt Oliver einen Einblick. Und damit der künftige Besitzer sich an das Ritual des Ankickens gewöhnen darf, verzichtet man gleich auf einen elektrischen Anlasser. Oldschool rules!

Der Paughco-Tank muss umgeschweißt werden

Das Bodywork gestaltet sich rudimentär und ist aufs Wesentliche reduziert. Beim Frontfender verzichtet Oliver auf den Einsatz von Metall und montiert lediglich einen Lederspritzschutz. Der Paughco-Tank muss ein wenig umgeschweißt werden, damit er aufs Rahmenoberrohr passt. Mehr Zeit nimmt der Heckfender in Anspruch.

Das schlichte Motogadget-Instrument ist in den Lampentopf eingelassen

Da der Öltank nicht mehr zwischen Rahmen und Hinterrad sitzt, muss er irgendwo platziert werden. »Wir haben einfach zwei Fender ineinandergelegt und daraus einen Öltank samt ölführender Leitungen gefertigt.« Eine optisch und technisch elegante Lösung, denn so wirkt das Bike leichter und der Öltank bleibt unauffällig. 

Cool: Gekapselte Honda-Scheibenbremsen

Außergewöhnlich sind aber in jedem Fall die Räder. Nicht nur, dass sie 160 Speichen haben – sowohl vorn als auch hinten entdecken Kenner die gekapselten Scheibenbremsen einer Honda. »Sie erinnern an Trommelbremsen, passen bestens zum Stil und haben eine exzellente Bremsleistung«, wirft Oliver ein. Die technische Umsetzung bedeutet aber auch viel Arbeit.

Bestechende Kettenoptik: Der selbstgebaute Kennzeichenträger ist ja mal richtig cool

Toxic Twins konstruiert neue Felgenringe und zusammen mit Steve Scheiderbanger von SSC, der die Speichen dreht, gelingt die Umsetzung der für einen Oldschool-Chopper ungewöhnlichen Bremsanlage samt Räder. Die Bereifung dagegen mutet untypisch und fast wie ein Stilbruch an.

Die Raddimensionen schränken die Reifenwahl ein

Mit dem Metzeler ME880 kommt nämlich ein moderner Reifen mit entsprechender Profilierung zum Einsatz. »Wir hätten auch ein klassisches Profil nehmen können«, klärt Oliver auf, »doch die Raddimension hat uns bei den verfügbaren Reifen etwas eingeschränkt. Darum haben wir uns für einen Weißwand-Metzeler am Frontend entschieden. Auch am 18-Zoll-Hinterrad mit dem 150er-Reifen kam uns das entgegen.«

Schlanke Silhouette mit viel Liebe für außergewöhnliche Details. Markant ist vor allem der Lenker, dessen Hersteller leider unbekannt ist

Stilecht ist natürlich auch die Schaltung, denn die erfolgt per Hand in Verbindung mit einer Fußkupplung. Und weil Details an solch einem Projekt immer eine bedeutende Rolle spielen, wird der Schaltknauf wie der berühmte Von-Dutch-Eye-Ball gestaltet und bekommt sogar ein echtes Glasauge. Auch die Scheinwerferhalterung, die Motorhalterung und den Kennzeichenträger konstruieren sie selbst.

Harley-Davidson Knucklehead – Suus a puella

»Wir haben einfach ein paar Kettenglieder miteinander verschweißt«, lacht Oliver. Die Lederarbeiten übernimmt Jörg Bruns, der für einen standesgemäßen Sitz sorgt. Den schlichten Auftritt unterstreicht die schwarze Lackierung mit dem Schriftzug »Suus a puella«. Lateiner mögen die freie Übersetzung verzeihen, doch im Hinblick auf Christophs kleine Tochter, dürfte die Bedeutung »Für mein Mädchen« ziemlich nahe kommen. »Ja, Christoph hat das Bike tatsächlich vor allem für seine Tochter bauen lassen. Zumindest soll sie es später einmal fahren.« Später bedeutet in diesem Fall in ungefähr siebzehn Jahren, wenn die Kleine groß genug ist. Bis dahin bleibt die 47 Knuckle in Familienbesitz. Christoph wird auch garantiert dafür sorgen, dass sie regelmäßig bewegt und gewartet wird. 

Info | toxictwins.biz

 

Christian Heim