Mario Kyprianides ist ein alter Hase im Umbaugeschäft, bekannt allerdings bisher vor allem durch coole Chopper. Doch auch die coolen Jungs fahren gern mal schnell und sportlich – dafür bietet sich der angesagte Clubstyle an. Eine Harley-Davidson FXR sowieso.

Im Rest der Customwelt ist der neue Stil längst angekommen. Denn was in Kalifornien vor ein paar Jahren seinen Anfang nahm, manifestiert sich mittlerweile auch auf vielen europäischen Shows. Kaum ein Event kommt noch ohne eine eigene Clubstyle-Area oder eine entsprechende Bikeshow-Kategorie aus. Mittlerweile sehen wir auch hier bei uns vermehrt die Bikes mit den auffälligen hohen Risern – und zugegeben, man muss sich an die Optik erst gewöhnen. Mario löst unsere Skepsis schnell auf.

Tatsächlich ist Mario nicht nur fit, was die Optik seiner Bikes angeht, auch den Motor seines Clubstylers baute er leistungsstärker wieder auf

Der Customizer mit eigener brandneuer Werkstatt in der Nähe von Magdeburg demonstriert an seinem Projekt Clubstyle par excellence und lässt uns vor allem mal aufsitzen. Und dann wird recht schnell klar, was so fasziniert. Die Sitzposition ist einfach sensationell cool, extrem entspannt und bläst schon im Stand zum Angriff – alles Sachen, die man von einer Harley im Normalfall nicht zwingend erwartet. »Und unbestritten ist die FXR der Heilige Gral, wenn es um den Clubstyle geht«, sagt Mario, »aufgrund ihrer Linie und der schon gegebenen Sportlichkeit des Basismodells.«

Harley-Davidson FXR – TÜV-konformer Clubstyle

Einschränkungen gab es für den Handwerker trotzdem: Sein Projekt sollte vollständig TÜV-konform sein und dazu deutsche und europäische Performance-Parts tragen, die bei den zahlreichen ähnlichen Umbauten aus den USA eher unüblich sind. Die Basis-FXR, eine aus der nur kurz gebauten Lowrider-Serie (FXLR), kam direkt aus den Staaten zu Mario, es konnte losgehen. »Ich sehe den Motor als das Herzstück eines Motorrades, das entprechend die größte Aufmerksamkeit braucht«, erklärt Mario. Da der gewählte Umbaustil eine zügige Fahrweise beinhaltet, doppelt wichtig.

Nicht direkt sichtbar, aber fast alle Motorkomponenten sind neu oder aufwendig modifiziert … neue Schwingenlager und verstärkte Halterungen gab’s außerdem

Die knapp dreißig Jahre alte Patina des Zweizylinders verschwindet dank Perlstrahlung, danach gibts ein ausgiebiges Ultraschallbad, eine Maßnahme, auf die Mario schon lange schwört und die auch letzte Unsauberkeiten aus dem Motorblock entfernt. Um die Leistung der Clubstyler zu erhöhen, setzen viele Customizer auf den Einbau von Twin-Cam-Motoren, für Mario keine Option. Er beschließt, aus dem originalen FXR-Motor mehr Leistung zu pressen und den Motor mittels eines Stroker-Schwungrades von S&S in eine 89-Cubic-Inch-Version zu verwandeln, das entpricht 1485 Kubik.

Harley-Davidson FXR – Der Evolution bekam eine Leistungskur

Dazu kommen spezielle Schmiedekolben, eine neue Ölpumpe sowie Nockenwelle. »Bei Letzterem verwenden viele Motorenbauer in meinen Augen falsche Produkte, mit dem Ergebnis, dass das Leistungsband im falschen Bereich liegt oder der Fahrbetrieb einfach zu wild wird«, sagt Mario, der auf eine Performance-Welle von Andrews setzt. Stößel und Stößelblöcke sowie die Billet-Nockenabdeckung mit verdeckten Beschlägen kommen von Jims. Ebenfalls bearbeitet werden die Köpfe des V2 samt neuer Ventilführung und überarbeiteter Verbrennungskammern, um ein perfektes Kompressionsverhältnis zu erhalten.

Mehr Beleuchtung geht kaum, sowohl in den Handschützern als auch an der Gabelstrebe finden sich zusätzliche Lampenelemente

An Stelle des alten Getriebes rückt ein Jims-Sechsgang ins original Gehäuse, eine Barnett-Kupplung gibt das Finish. »Es hilft dir ja nicht, einfach nur mehr PS zu haben, du musst auch dafür sorgen, dass die alle auf die Straße kommen«, kommentiert Mario die zahlreichen Arbeiten am Motor, die es allein wert wären, einen kompletten Artikel zu füllen. Aber da ist ja auch noch die optische Seite. Während der Customizer am Antrieb arbeitet, sind beinahe alle anderen Teile des Bikes schon beim Pulverbeschichten. Ausnahme sind Tank und Fender, die bekommen ihren Lack in Pforzheim bei Meisterpinsler Chiko.

»Beim Bau eines Performance-Bikes ist das Gewicht einfach alles«

Tatsächlich sind die Schutzbleche übrigens aus Carbon gebaut, ebenso wie beispielsweise Cockpit und Luftfilter. »Beim Bau eines Performance-Bikes ist das Gewicht einfach alles«, weiß auch Mario. Für die Vorderradaufhängung setzt er auf 39-mm-Gabelholme mit nitrierten Rohren und Race-Tech-Leistungsfedern samt modifizierten Dämpferrohren. Das Heck wird mit Hyperpro-Dämpfern ausgestattet, von denen Mario sagt, dass sie in puncto Fahrwerks-Performance einfach die besten sind.

Mario Kyprianides

Wichtig auch die Bremsen, denn »das Verschieben der Leistungsgrenzen mit mehr Kraft und gutem Handling wird den Fahrer auf jeden Fall auch dazu bringen, schneller zu fahren, wann immer dies möglich ist. Ebenso schnelles Anhalten ist deshalb extrem wichtig«, erklärt Mario. Deshalb keine Kompromisse, Beringer-Vierkolben-Sättel, dazu die voll schwimmenden Beringer-Aero-Bremsscheiben, das Ganze für vorn und hinten bitteschön.

Die Riser sind brutal hoch, 30 Zentimeter rücken sie den Lenker über die Gabel

Aber tatsächlich fehlt noch ein wichtiges Teil, etwas, was aus Style eben Clubstyle macht. Die Riser sind brutal hoch, mit satten elf Inch, knapp dreißig Zentimeter, rücken sie den Lenker weit über die Gabel. Das, in Kombination mit der Frontverkleidung, den Handschützern mit integrierten Zusatzscheinwerfern oder der vorderen Gabel-Zusatzstrebe samt Lichtbalken, macht den Frisco-Clubstyle aus – selten ging er allerdings so ins aufwendige Detail wie in diesem Fall.

Harley-Davidson FXLR

Die viele Arbeit zahlt sich allerdings aus. Sowohl bei der California Clubstyle-Show im Rahmen des coolen Baumfests in Barcelona als auch beim Clubstyle-Contest im Rahmen der holländischen Big-Twin-Show gab es für Mario den jeweils ersten Platz. Nun wartet er nur noch auf wärmeres Wetter, um »ein paar ernsthafte Kilometer durch Europa zu fahren … wird Zeit«.

Info | chopperkulture.com

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.