Wer in seinen Träumen von einem cleanen Starrrahmen-Bobber phantasiert, der wird früher oder später bei einer klassischen Harley-Davidson FL landen.

Für Leser der CUSTOMBIKE ist Tino Sobottka kein Unbekannter. Seine Star-Yamahas hatten wir bereits zweimal in CUSTOMBIKE vorgestellt. Mit viel Eigenarbeit bastelte sich der Norddeutsche seine Japan-Cruiser in lupenreine Old School-Bobber um.

Harley-Davidson FL – Alter Harley-Traum

Doch hier nahm sich Tino eine klassische Harley-Davidson vor, und nach einem kurzen Blick auf Linien- und handwerkliche Ausführung war uns klar: Auch seine neueste Kreation müssen wir etwas näher betrachten. »Ich wollte schon immer einen Starrrahmen haben. Die Wild Star kam der Optik schon recht nahe. Aber mal ehrlich: Das höchste Bestreben war eigentlich immer, eine alte Harley zu fahren«, klärt Tino die Wahl seiner Maschine auf.

Metallarbeiter: Tino Sobottka mit seinem selbstgebauten FL-Bobber

Als dann auf Sylt ein 1952er Hardtail-Chopper mit 1973er Shovelhead-Motor angeboten wurde, machte sich der Schrauber auf den Weg. Er kaufte das abgerockte Bike, fuhr es zurück und zerlegte es schon am nächsten Tag komplett. »Ich erlebte eine Überraschung nach der anderen«, Tino blickt entsetzt zu seinem Bike hinunter.

Harley-Davidson FL – Der Shovelhead war völlig hinüber

Der 45° V-Motor mit 1200 ccm war völlig hinüber. Motormann Cord Franke aus Lüneburg musste zu einem Rundumschlag ausholen, Kolben, Pleuel, Ventile, Kipphebel: alles musste erneuert werden. Auch das Getriebe hätte eine Überholung nötig gehabt.

Gute Wahl: Moon-Luftfilter mit dem gleichen Lochmuster wie die Eigenbauteile

Tino entschloss sich jedoch dazu, eine neue RevTech-Viergang-Schaltbox zu kaufen. »Kommt billiger als eine Überholung. Und das RevTech-Teil hat dann außerdem eine längere Gesamtübersetzung.« Die Primärkette wich einem 1,5“-Belt von BDL, Eigenbau-Krümmer, Fishtail-Schalldämpfer und ein Mikuni-Vergaser samt Moon-Disc-Luftfilter vervollständigten das Technik-Vollwaschprogramm. 

Die breite FL-Forke wich einer Springergabel aus dem Programm von W&W

Vorne war ursprünglich eine breite FL-Gabel montiert, die Tino, weil hoffnungslos verschlissen, gegen eine Springergabel aus dem Programm von W&W austauschte. Die Entscheidung pro oder kontra Scheibenbremse ging für eine Halbnaben-Trommel im Vorderrad aus.

Der Motogadget-Tacho versteckt sich neben den Zylindern

Um die Bremsleistung des stilechten Stoppers wenigstens einigermaßen zu verbessern, besorgte sich der praktizierende Techniker die verbesserte Version mit Duplex-Ankerplatte. 16-Zoll-Shinko-Weißwandreifen bieten als Replikas der alten Goodyear Super Eagle die perfekte Optik für das Veteranenbike. »Und die fahren sich wirklich gut«, freut sich der Mann aus Drage bei Lüneburg.

Harley-Davidson FL – Fließend sitzender Sportster-Tank

Seine eigentliche Leidenschaft sind jedoch die Metallarbeiten. So veränderte Tino das Design eines Sportster-Tanks so, dass dieser fließend über dem Rahmenhauptrohr sitzt und außerdem seinen Inhalt von immerhin 8,5 Litern behält.

»Natürlich wusste ich, wie schlecht die alten Trommeln bremsen. Aber sie machen einen Harley-Bobber einfach rund.«

Er schweißte einen verrippten Öltank aus Aluminium und sägte den Biltwell-Apehanger auseinander, um ihn schmaler und verstärkt wieder zusammenzufügen. Mit äußerster Akribie widmete er sich der Fertigung von gelochten Haltern, Leisten und Abdeckungen.

In der Rigid-Harley steckt viel Herzblut und Schweiß

Auch der mit Leder bezogene Solosattel entstand in Tinos kleiner Werkstatt. Nicht erst als uns der ehrgeizige Tüftler erzählt, er habe das komplette Rücklicht samt entenfüßigem Halter (»bis auf den LED-Einsatz«) selbst angefertigt, wird uns klar, wie viel Herzblut und Schweiß in der Rigid-Harley steckt.

Auf die handgemachten Blech-, Alu- und Edelstahlteile ist Erbauer Tino besonders stolz

»Allein der Rohbau hat ein ganzes Jahr gedauert. Vom Kauf bis zum ersten Anwerfen des Motors sind fast zwei Jahre vergangen.« Mittlerweile ist die 1200er zwar fertiggestellt und Tino kann endlich mit ihr am Elbufer entlangfahren, aber auf der Werkbank, da wird sie ihm doch ein wenig fehlen.

 

Dirk Mangartz