Wir kennen Teddy als den Mann mit Gespür für »Real Oldschool« und für die Wünsche seiner Kunden. Über Manu, die Besitzerin dieser Harley-Davidson FL sagt er: » … was sie sich vor nimmt, packt sie an. Und erreicht es auch: Egal wie lange es dauert.«

Bürgerlich heißt er Jörg Ose, betreibt die Manufaktur »Kickstartworks« und er hat gelernt, sehr genau zuzuhören. Vor vielen Jahren schraubte Teddy noch in seinem Rutesheimer Fachwerkhaus an Bikes. Es ging eng zu und nicht nur der Brandschutz drängte nach Veränderung.

Restaurierungen, Getriebe- und Motorinstandsetzungen

Im November 2016 gab’s dann den lange fälligen Umzug in eine neue, großzügig ausgelegte Werkstatt. Seitdem ist auch Markus RaitheI als Ingenieur und Teilhaber offiziell dabei. Als ideale Verstärkung fand sich außerdem Fabrizio, der sich als guter und auch kreativer Mechaniker entpuppte. In ihrem Betrieb dreht sich im Wesentlichen alles um Restaurierungen, Getriebe- und Motorinstandsetzungen. 

2019 wurde Manus neuer Ofen das erste Mal auf der Straße befeuert. Für Teddy ging es ums Einfahren, für Manu ums Erfahren und Staunen. Restlos zufrieden kommt das Resümee: Das Ding fährt sich wie ein Fahrrad, macht aber unendlich mehr Spaß

Am liebsten sind dem Team alte Twins; Triumph, auch Laverdas, Guzzies, BSA, Norton … und sogar Japaner, bei denen es nicht bei den Zweizylindern bleibt. Aber vor allem geht es bei Kickstartworks um klassische Harleys. »Unsere Kreationen sind hart, schnell und laut«, sagt Teddy und macht damit klar, dass ihm das neue Zeug eigentlich nicht liegt, auch wenn durchaus mal eine Evo auf der Hebebühne landet.

Gute Sache: Linkert-Vergaser-Gaszug-Umbau-Kit

Aber lieber entwickelt er für die ollen Böcke neue Teile, die sich in das alte Maschinenmaterial einfügen, als wäre nie was anderes angeschraubt gewesen. Zur Serienreife wurde bisher unter anderem ein Linkert-Vergaser-Gaszug-Umbau-Kit gebracht, mit dem ein alter Linkert mit einem modernen Pull-Gasgriff unauffällig zu betreiben ist.

Von der Bigspoke-Softail zum schmalen Chopper führte der Weg der Kundin. Wichtig dabei, die Kiste sollte kompromisslos fahrbar sein. Das begründet auch die Wahl des S&S-Knuckle-Klons als Antrieb, er ist wesentlich wartungsärmer als sein antiker Originalbruder. Der Harley-Rahmen immerhin ist wirklich alt, die Papiere beweisen es

Augenfälliger sind da die hauseigenen Riser aus Edelstahl, die an der hier gezeigten Harley allerdings nicht zu finden sind. Denn hier standen vor allem die Wünsche der Besitzerin im Vordergrund. Und deren Faible für poliertes Messing wurde bei der Auswahl der Anbaukomponenten im Industriegebiet von Münklingen treffsicher entsprochen.

Harley-Davidson FL – Ein authentischer, alter Ofen

Wobei, rückblickend fing alles ja viel früher an. Teddy erinnert sich: »Als wir noch in Rutesheim in unserem alten Kickstartworks-Mancave unsere Chopper aufbauten, kam Manu eines Tages auf den Hof gefahren. Sie fuhr zu der Zeit eine Softail – Bigspoke, Fathandle und Breitreifen. Außerdem noch eine Sportster. Aber ihr Traum war schon seit jeher, einen authentischen, alten Ofen zu besitzen und zu fahren.

Die Fußrastenposition der Brems- und Schaltanlage entspricht der der originalen FL-Harley, in Verbindung mit dem Sattel und dem halbhohen Lenker passt das prima zusammen

Indian Larry hatte es ihr angetan, nicht nur in Sachen Stil, sondern auch aufgrund der kompromisslosen Fahrbarkeit seiner Kreationen. Nur der Zugang zu dieser Seite der Motorradwelt fehlte Manu, und vor allem der richtige Laden samt Menschen, die ihren Wunsch umsetzen konnten. Zumal die Lady sehr eigenständige Vorstellungen hatte. So saßen Manu und Teddy also vor dem Shop auf der Bank.

Noch fehlte der Vater zum Projekt

Sie ließ raus, was sich in ihrem Kopf so an Ideen angesammelt hatte und Teddy erkannte, dass Manu schon ganz schön kopfschwanger war und ihr eigentlich nur noch der Vater zu dem Projekt fehlte. »Die Chemie stimmte einfach«, erklärt der Customizer die damalige Situation. Sie fanden zusammen, doch bis zur Geburt dauerte es noch sehr lange. 

Aufs Kicken verzichtet die Besitzerin, der E-Starter war als Vorgabe gesetzt

Da kam zunächst der Umzug ins neue, geräumigere Domizil in Münklingen, Kreis Weil der Stadt, dazwischen. Und auch der Umstand, dass sie nichts hatten, außer einem alten Rahmen mit Papieren. Es gab noch keinen Motor, kein Getriebe, keine Räder – und auch all die vielen Kleinigkeiten, die das alles zu einem ganzen Bike verbinden sollen, fehlten noch.

Harley-Davidson FL mit S&S-Knucklehead

Die Sucherei begann. »Manu wünschte sich ein unbedingt zuverlässiges Motorrad. Somit beschafften wir einen neuen 74-cui-S&S-Knuckle-Motor, ein neues Baker-Getriebe und alle anderen Komponenten, gebraucht oder neu, um das Projekt auf die Räder zu stellen«, erzählt Teddy. Auch den gewünschten Indian-Larry-Tank besorgte er, doch der entpuppte sich schnell als zu breit für die zierliche Maschine, »einfach zu fett und hässlich«.

Durch die Lackierung in Kombination mit den vereinzelten polierten Bauteilen aus Massivmessing und vermessingtem Stahlblech wirkt die Maschine edel und fast schon antik

Das Kickstartworks-Team zerschnitt also den neuen Tank, schuf schlankere Proportionen, indem in der Mitte etwa achtzig Millimeter Material entfernt wurden. Dazu gab’s direkt einen neuen Tanktunnel, passende Halter und sowohl der Benzinhahn als auch der Tankstutzen wurden dahin versetzt, wo sie am praktikabelsten funktionieren würden.

Das Zündschloß wird in den Öltank integriert

Der Öltank dagegen ist ein kompletter Eigenbau. »Das ist eine Spezialität von uns«, erklärt Teddy, »da verwenden wir unser Einschweißteil, damit originale Filtereinsätze für Shovelhead-Öltanks benutzt werden können. Das Zündschloss und die Batteriehalter gleich mit in den Öltank zu integrieren, ist dabei selbstverständlich«, erzählt der Customizer von seinem Tagesgeschäft.

Die Sissybar wollte die Besitzerin schlicht und ohne viele Schnörkel haben

Weil Kickstartworks Lowbrow-Händler ist, wird ein Heckfender der US-amerikanischen Firma geordert, auch weil dieser ein ordentlich dickes Blech hat, sich deshalb gut bearbeiten lässt und auch einiges tragen kann. Die Sissybar wollte Manu schlicht und ohne viele Schnörkel haben. Teddy sägt trotzdem das Indian-Larry-Logo aus, feilt es zurecht und schweißt es ein – ein Volltreffer für seine Kundin.

Auch die Stößelcover tragen das berühmte Fragezeichen

Ebenso wie die Stößelcover am Motor, auch sie tragen nun das berühmte Fragezeichen. Dazu kommen Biltwell-Riser aus Messing, die in Verbindung mit dem V-Team-Lenker, dem Biltwell-Sattel und der originalen Fußrastenposition der alten Brems- und Schaltanlagen der FL-Harleys hervorragend passen.

Der Wunsch nach Messingteilen stand im Anforderungsprofil. Was inflationär verwendet schnell kitschig aussehen kann, ist bei sparsamem Einsatz ein Hingucker, hier zum Beispiel bei Risern oder Lampenring

Schon beim ersten Probesitzen hat Manu keine Zweifel: Das genau ist es! Nur der E-Starter ist noch ein Muss. Nicht, dass Manu Angst vorm Kicken hat, aber »wenn’s mal heiß hergeht oder der Motor in der Stadt abstirbt und alles hupt«, Teddy kann sich in die Situation hineinversetzen.

Harley-Davidson FL – Der Rohbau neigt sich dem Ende zu

Noch während sich der Rohbau dem Ende zuneigt, nehmen Teddy und Manu Kontakt mit Lackierer Chiko auf. Der erinnert sich: »… die Kundin war sich noch ein bisschen unsicher, ob sie eine Vintage-Lackierung haben will oder doch eher ein bisschen shiny.

Im Nachhinein haben wir uns dann auf dies hier geeinigt: Im Prinzip habe ich die kompletten Teile alle mit Blattgold belegt, zweimal sogar. Am Tank – einmal den Rand außenrum, dann die Felder innen – wurde noch mal mit Candy-Lasur eingefärbt, dann einige Schichten Klarlack drüber. Damit hat sie den Tiefeneffekt über dem Blattgold, das wiederum seine schöne Struktur drunter ergibt und nicht nur einfach wie ein grün lackiertes Feld aussieht.« 

Harley-Davidson FL – Die Patina kommt beim Fahren

Durch die Lackierung in Kombination mit den vereinzelten polierten Bauteilen aus Massivmessing und vermessingtem Stahlblech wirkt die Maschine edel und fast schon alt. Die nötige Patina kommt nun beim Fahren. Und das tut Manu – in jeder freien Minute.

Info |  kickstartworks.com

 

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.