Virtuos verbindet Matt Harris einen hochpotenten Harley-Davidson 120 R Motor mit einem oldschooligen Layout zu alter, neuer Klasse.

Jeff G. Holt ist keine unbekannte Größe in der amerikanischen Customszene. Als Chefredakteur des Magazins HotBike kennt er sie alle – Customizer, Importeure, Szenemenschen. Und er hat für sein Magazin einen Deal mit Harley-Davidson eingetütet, der sich als Glücksgriff erweist – am Ende auch für uns.

Harley-Davidson 120 R – Speed and Style

»Speed and Style« heißt das Projekt, das Jeff ausgetüftelt hat. Sechs Bikebuilder sollen dafür jeweils ein Motorrad unter dem gestellten Motto bauen. Harley-Davidson spendiert Motor und Getriebe für die jeweiligen Bikes und übernimmt damit den Speed-Part der Geschichte, denn schließlich drückt die Company nicht irgendeinen V2 raus, sondern die potenten Screamin’-Eagle-Dynamotoren mit einer Ansage von fast 2000 Kubik und 92 PS – Sechsgang-Getriebe inklusive.

30-Zoll-Slicks: Die Räder fallen boardtracktypisch recht groß aus

Für den Style dagegen – und so soll es sein – zeichnen die Customizer verantwortlich. Matt Harris aus Tennessee ist einer von ihnen. Seit ein paar Jahren betreibt er mit »40cal Customs« einen Bikeshop mit vier Angestellten. Ausschließlich Harleys werden hier umgebaut, Inspiration für seine Bikes sucht Matt meist in der Vergangenheit. Dass er dem 120R-Motor ein Rennlayout verpassen würde, war klar. Matt geht in seiner Hommage weit zurück, orientiert sich optisch am ehesten an den Bordtrackern, die sich schon vor fast 100 Jahren durch schmale Linien und nach unten gebogene Lenker auszeichneten.

Harley-Davidson 120 R – Mehr Look für den Twin-Cam

»Aber es sollte nicht nur ein Boardtracker werden, auch ein bisschen TT-Racer ist dabei, ein bisschen Cafe Racer, ach … einfach eine kleine Reise durch die Racing-Geschichte«, erzählt Matt. Wer allerdings denkt, dass der Customizer der alten Zeiten zuliebe auch teilemäßig ausschließlich historisch korrekt gebaut hat, ist auf dem falschen Dampfer. Schließlich muss Matts Bike – so schreibt es der Wettbewerb vor – am Ende auch fahren. Und dafür braucht es hier und da auch ein bisschen was Modernes.

Der Scramin’-Eagle-V2 drückt mit mehr als 170 Newtonmeter

Der Motor steht als Erstes auf der To-do-Liste. Matt setzt auf eine duale Einspritzung, sowie eine Morris-Magnetzündung. Die Zylinder werden geshaved, die Zylinderdeckel abgerundet, »einfach ein bisschen mehr Look für den Twin Cam«, wie der Bikebuilder sagt. Das Hauptaugenmerk liegt hier aber nicht, vielmehr konzentriert sich Matt auf den selbstgefertigten Rahmen. Neben neuem DOM-Stahl für die Formung von Single-Downtube und Backbone verwendet er auch Achsteile eines 1937er Ford für den Bau des Heckrahmens.

Blattfedern für die Schwingenkonstruktion

Der Rahmen entsteht nach den Vorgaben alter Schule, extrem skinny und minimalistisch. Und das Chassis federt – damit dem wohl auffälligsten Teil des Bikes. Matt baut keine klassische Schwinge, sondern verwendet Blattfedern für die Schwingenkonstruktion. Lederreibungsdämpfer an den Struts sorgen für die Dämpfung. Eine ungewöhnliche Konstruktion, die nicht nur funktioniert, sondern so auch ziemlich einmalig sein dürfte.

Matt Harris, der Mann hinterm Motorrad

Die Räder fallen boardtracktypisch recht groß aus, 30-Zoll-Slicks, üblicherweise verwendet auf Indy-Race-Cars, werden aufgezogen. »Die fahren sich gar nicht mal so schlecht«, meint Matt. Sicher auch im Hinblick auf die immer schnurgeraden Highways in seiner Heimat. Viel mehr gibt es zu diesem außergewöhnlichen Motorrad auch nicht zu sagen, außer vielleicht, dass Matt Harris den »Speed and Style«-Contest gegen fünf andere Customizer haushoch gewonnen hat. Per Onlinevoting hatten die Leser und User des HotBike-Magazins über den Sieger abgestimmt – und die Einzigartigkeit dieses Bikes damit voll anerkannt.

Info | www.fortycal.com

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.