Wir begleiten die zauberhafte Verwandlung einer serienmäßigen Harley-Davidson Dyna in einen oldschooligen Starrrahmen-Chopper.

Starrrahmenfahren ist anders, und es tut nicht nur weh. Es klingt absurd, aber der Charme eines starren Hinterteils besteht darin, dass ihr es nicht spürt. Der Hintern reagiert einfach nicht auf Lastwechsel. Er hebt sich nicht, er senkt sich nicht, weder beim Bremsen, noch beim Gasgeben. Er drückt das Bike einfach nur nach vorn. Okay, über die spürbaren Kleinigkeiten wie Bodenwellen und Schlaglöcher wollen wir kein Wort verlieren. Aber die spürt ihr jeweils nur einmal, denn ein starrer Rahmen federt ja nicht nach. Also Zähne zusammenbeißen und genießen. Der Lohn dafür ist ein cooler Auftritt und eine nicht zu überbietende cleane Optik.

Harley-Davidson Dyna – Stichwort Schwedenrahmen

Jahrzehntelang wart ihr mit einem Starrrahmen immer ein bisschen auf der Flucht. Wer zum Beispiel einen starren Chopper fuhr, der stand stets im Verdacht, nicht mehr einen echten, betagten Rahmen verwendet zu haben, sondern einen »Schwedenrahmen«. Es war natürlich nicht legal, unter einer Erstzulassung aus den 50er Jahren zu fahren. Starrrahmen als Neuzulassung waren in den 90er Jahren Glückssache. Die meisten Prüfstellen ließen sie nicht zu. Wer das trotzdem schaffte, musste dann wiederum mit handtellergroßen Blinkern und Kuchenblechen fahren. Das wollte sich auch niemand geben.

Die Custom-Kur bringt Linie und spart Gewicht

Mittlerweile haben die Zeiten sich geändert. Und das verdanken wir ausgerechnet der europäischen Einigung. Unter europäischem Recht ist die Zulassung starrer Rahmen wieder einfacher geworden, Kuchenblechkennzeichen gibt’s längst nicht mehr. Alles Weitere verdanken wir der modernen LED-Technik, die Blinker und Rücklichter verschwinden lässt, als würden wir tatsächlich ein Vorkriegsbike fahren, auf dem wir noch den Richtungswechsel mit Handzeichen ankündigen dürfen.

Harley-Davidson Dyna – Einfach mal Umtopfen

Die Umrüstung auf einen Starrrahmen ist also möglich. Das erledigt zum Beispiel die Customschmiede »Simon’s Custom« in Viernheim. und Simon hatte Anfang der 90er Jahre die Rechte eines schwedischen Herstellers für sogenannte »Austauschrahmen« gekauft. Gussformen gehörten auch dazu. Und so entstand mit diesem eisenhaltigen Startkapital eine enge Partnerschaft mit dem in den Niederlanden residierenden Rahmenhersteller »VG Motorcycle«, die bis heute währt.

Ein dicht anliegendes Schutzblech ist ein weiteres Argument für einen Starrahmen

Das Prinzip ist einfach. Die Komponenten einer originalen Harley können komplett in den Starrrahmen eurer Wahl umgetopft werden: Motor, Getriebe, Gabel, Räder, Tank. Die Schwinge braucht ihr natürlich nicht mehr, die könnt ihr also verkaufen. Das Gleiche gilt für den originalen Harley-Rahmen. Rechtlich wird dann aus der Harley ein Eigenbau-Motorrad gemäß den Zulassungsbestimmungen des Umbaujahres. Diese werden von Jahr zu Jahr schärfer, weshalb es sich empfiehlt, möglichst bald zuzuschlagen.

Ein paar Probleme gibt’s schon noch

Wie sich das mit dem Platz für die Unterbringung der Komponenten verhält, haben wir an der Verwandlung einer Serien-Dyna von Harley-Davidson zu einer oldschooligen Starrrahmen-Bike mal durchexerziert. Natürlich stellt sich dann heraus, dass Theorie allein nicht genügt. Wer’s selbst machen will, wird schnell vor unerwarteten Problemen stehen. Das fängt bei der Elektrik an, erklärt Simon. Der alte Kabelbaum kann nämlich nicht komplett übernommen werden. Im Zuge der optischen Bereinigung der Dyna muss Simon ganze Komponenten umpflanzen. Wohin zum Beispiel mit dem elektronischen Steuermodul, das sich bei einer originalen Harley unter einem dickleibigen Sattel befindet? Simon fand einen Platz hinter dem Batterie-Cover.

Colle Idee: Endlich hat der Kill-Schalter mal das passende Logo

Dorthinein steckte er auch zahlreiche weitere Komponenten, darunter das Zündschloss. Das ging natürlich nur, indem er die Batterie wiederum unterhalb des Batterie-Covers platzierte. Ein anderes Problem ist der Tank. In dem steckt bei modernen Harleys die Benzinpumpe für die Einspritzanlage. Es lässt sich also nicht mehr so leicht ein neuer Tank zusammendengeln wie zu Vergaserzeiten. In diesem Fall fand Simon eine kluge Lösung. Den dicken Originaltank tauschte er gegen den Tank einer serienmäßigen Sportster Forty-Eight. Darin steckt nämlich auch eine serienmäßige Benzinpumpe, die allemal verlässlicher ist als eine Benzinpumpe aus dem Zubehör, die ihrerseits irgendwo versteckt werden müsste.

Bei Original-Komponenten, ist auch die Zulassungsstelle willig

Gar nicht so schlimm war das mit dem neuen Tacho von Motogadget. Der musste tatsächlich nur umgesteckt werden. Solange die Reifen den gleichen Umfang haben und die Übersetzung sich nicht ändert, ändern sich auch nicht die Werte des Tachos. VG-Rahmen sind übrigens auch für dicke 300er-Reifen zu haben. Obendrein sind die Rahmen bis zu einer Leistung von 200 PS zugelassen. Hier ist also noch eine Menge Luft nach oben fürs Motor-Tuning. Zumal eine Custom-Kur dieser Art im wörtlichen Sinne eine Kur ist: Weil zum Beispiel eine gewichtige Schwinge entfällt, speckt das Motorrad ab. Die Simon-Dyna ist 40 Kilo leichter als das Original.

Ein bisschen Show muss sein: die Zulassung erfolgt mit anderem Luftfilter und anderem Schalldämpfer

Motor-Tuning hat die hier präsentierte Dyna übrigens nicht bekommen. Trotzdem zeugt sie von High-End-Customizing, das seinen Preis kostet. Alles geht auch ein paar Stufen niedriger, das Rahmenkit kostet etwa 2.500 Euro und der Preis einer kompletten Operation beginnt bei knapp 7.000 Euro. Voraussetzung ist natürlich ein sauberes Spender-Motorrad. Wenn alle Komponenten original sind, ist auch die Zulassungsstelle willig und trägt sie ohne weitere Prüfungen oder Komplikationen um. Die ehemalige Harley-Davidson Dyna Street Bob heißt in den Papieren nunmehr übrigens »Dynamight«. Ja, ihr könnt euch im Fall einer Neuzulassung auch den Namen eures Motorrades aussuchen. Wenn das allein nicht schon genug Grund für einen Umbau ist …

Info | www.simonscustom.de

 

 

Michael Ahlsdorf