Vor genau 30 Jahren wurde die Ducati Monster auf der IFMA in Köln vorgestellt. Die M900 war die Ur-Mutter aller Monster und Startschuss für eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte. Ein Blick zurück und Tipps zum Gebrauchtkauf …

Ausgerechnet in Zeiten der Krise ­gelang Ducati mit der Monster ein Riesenwurf. Die Motorradschmiede aus ­Bologna gehörte damals noch Cagiva, befand sich in wirtschaft­licher Schieflage und stand kurz vor dem Kollaps. Mit der 900er wollte man ­lediglich ein kostengünstiges ­Motorrad nach ­Baukastenprinzip konstru­ieren, die relevanten Teile wie Rahmen und Motor waren in den Supersport- und Superbike-Modellen bereits vorhanden.

Ducati Monster mit dem Motor des Supersportlers 900 SS

Den Unterschied machte letztlich Designer Miguel ­Galluzzi (siehe Interview). Er modifizierte den ­Rahmen des Superbikes 851, implantierte den Motor aus dem Super­sportler 900 SS und verwandelte das Ganze durch ge­zieltes Weglassen von Verkleidung und anderem ­Plastikunrat in den Inbegriff des Naked Bikes. Unter der Bezeichnung »M900 Monster« präsentierte Ducati auf der ­IFMA 1992 in Köln den ersten Proto­typen, der stilprägend für eine ganze neue Generation von Motorrädern werden sollte.

Auch nach 3 Jahrzehnten ist die M900 noch ein ansehnlicher Roadster. Happy Birthday, du lovely Monster!

Den wirtschaftlichen ­Erfolg konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand voraus­sehen; auch nicht, dass man mit der M 900 den Grundstein für eine komplette Modellfamilie mit Ablegern in verschiedenen ­Hubraumklassen gelegt hatte. ­Knapp 300 000 Einheiten produzierte Ducati bis ­heute und schrieb damit eine Erfolgsgeschichte, ­deren Ende noch lange nicht in Sicht ist. Wer sich auf die Suche nach der Ur-Monster begibt, sieht sich einem begrenzten Angebot gegenüber.

Die Tage des Wertverlustes sind lange vorbei

Nicht weil viele Monster inzwischen das Zeitliche gesegnet ­hätten, sondern vielmehr weil ihre Besitzer sie hegen und pflegen und die Be­ziehung nur selten beenden. Falls doch, so darf man für ein bald 30 Jahre altes Motorrad durchaus etwas tiefer in die ­Tasche greifen. Schnäppchen sind ­selten. Die Tage des Wertverlustes sind lange vorbei, der Zug fährt seit geraumer Zeit schon in die andere Richtung – und das Material ist haltbar. 

Rahmen und Schwinge – Qualität und Verarbeitung sind einwandfrei, die Maßhaltigkeit stimmt. Die Schwingenlager bereiten keine Probleme und auch die Bremsen sind unauffällig. Auf Riefen in den Scheiben achten ­sowie auf verschlissene Beläge

Schon der 904 ccm große Zweiventiler gilt als äußerst robust und standfest, bei entsprechender Pflege erreicht er 100 000 Kilo­meter und mehr. Vorausgesetzt der Zahnriemen wurde regel­mäßig gewechselt, also alle 20 000 Kilometer. Zudem lieben die Motoren frisches Öl, das einmal im Jahr ­seinen Weg ins Innere ­finden sollte. Ärger können ausgeschlagene Ventil­führungen bereiten, die sich aber durch ent­sprechende ­mechanische Geräusche – wie der Anlasserfreilauf gelegentlich auch – bemerkbar ­machen. Im Zuge der Modellpflege hat Ducati stabilere Ventilführungen verbaut, so dass das Problem bei den Baujahren nach 1995 so gut wie gar nicht mehr auftritt. 

Ducati Monster 900 – Der Motor hält in der Regel dicht

Stress kann die Trockenkupplung bereiten. Das ­typische Rasseln im Leerlauf, das für Laien nach einem sich selbst zerlegenden Motor klingt, ist völlig normal. Rupfen und schlechtes Trennen im Fahrbetrieb sind es nicht. Meist ist dann der Kupplungskorb verschlissen und muss getauscht werden. Für Undichtigkeiten ist der 900er-Motor nicht bekannt. Zwar kam es anfänglich zu schwitzenden Dichtungen an den Seitendeckeln, doch seit ­Einführung der Klebetechnik gelten die Aggregate als dicht – Silikon sei Dank.

Gabel und Bremse – Je nach Laufleistung kann es zu Undichtigkeiten an den Simmerringen kommen. Das Lenkkopflager dagegen ist robust, nur die ständige Bearbeitung mit dem Hochdruckreiniger rächt sich. Die Bremse stammt aus dem Superbike 851 und zeigt keine Auffälligkeiten

Bei einem Riss im Licht­maschinendeckel sollte man allerdings ganz genau hinschauen. Sind keine äußeren Ursachen wie beispielsweise Sturzschäden zu erkennen, ist ein ausgeschlagenes Kurbelwellenlager der Übeltäter. Das Stützlager kann die auftretenden ­Kräfte dann nicht mehr aufnehmen und überträgt sie so lange auf den Deckel, bis das Material nachgibt. Bei Öl am Getriebeausgang sollte man unbedingt nach der Kettenspannung schauen. Oft ist sie so stramm, dass sich am Ende die Ausgangswelle verzieht.

Ducati Monster 900 – Selbst die Elektrik zockt nicht rum

Ansonsten sind die verbauten Sechsganggetriebe problemlos, ihre Haltbarkeit ist gut. Auch bei der Gemischaufbereitung kommt es selten zu Auffälligkeiten. Modelle mit Vergaser können im Spätjahr vereinzelt unter Vereisung leiden. Dann sollte die ­Ver­gaservorwärmung überprüft werden. Mit Ein­führung der Benzineinspritzung hatte sich dieses ­Problem dann aber auch erledigt. Im Bereich Elektrik und Elektronik leistet sich die Monster ebenfalls keine Schwächen.

Motor und Getriebe – Der Zweiventiler gilt als standfest und vor allem dicht. Vereinzelt kann der Kupplungskorb verschlissen sein. Auch ausgeschlagene Ventilführungen können vorkommen. Risse im Lichtmaschinendeckel deuten auf ein ausgeschlagenes Kurbelwellenstützlager

Lediglich bei ganz frühen Modellen sorgten die Lichtmaschinenregler für Unmut. Bei den Scheinwerfern sollte man ab und an nach den Reflek­toren schauen. Sie verblassen im Laufe der Jahre und werfen dann nur noch müde funzelndes Licht in die Nacht. Gabel wie Rahmen sind in der Regel problemfrei, Verarbeitung und vor allem die Maßhaltigkeit tadellos. Ein knarzendes oder ruckelndes Lenkkopflager ist in den meisten Fällen auf übertriebene Pflege zurückzuführen. Waschorgien mit dem Dampfstrahler mag die Monster, wie alle Motorräder, nämlich überhaupt nicht. ­Keinerlei Beschwerden gibt es bei der Lackqualität.

Gebrauchte Ducati Monster sind meistens gut gepflegt

Wie alle Gebrauchten sollte auch die Ur-Monster ­sorgfältig in Augenschein genommen werden. Wie ist der Gesamtzustand, welchen Eindruck macht das Motorrad? Auch wenn die Mehrheit der Monster-Besitzer ihre Schätzchen pflegt, gibt es Aus­reißer. Deshalb unbedingt nach der Historie ­fragen und sich das Scheckheft zeigen lassen. Lücken können auf ­einen Reparatur­stau hinweisen. Denn wie ­robust die Monster auch ­immer ver­arbeitet sein mag, sie entbindet ­ihren Besitzer ­damit nicht von Wartung und ­Pflege.

Teuer und rar. Eine gepflegte Monster 900 ist selten für unter 3.000 Euro zu bekommen. Falls doch, kommt es schnell zu Folgeinvestitionen

Ganz entscheidend sind die schon beschrie­benen Grundvoraussetzungen für ein ­langes ­Motorleben: der Zahnriemenwechsel und der regelmäßige Tausch des Motoröls. Gebrauchte gibt es bei den bekannten Verkaufs­plattformen aus fast allen Baujahren. Die Laufleistungen liegen – 1993 ist lange her – selten ­unter 30 000 Kilo­metern. Für eine M900 Monster im unver­bastelten Originalzustand mit 45 000 Kilo­metern auf der Uhr, ­können schnell bis zu 5.000 Euro fällig werden. ­Eine ­Anlage, die auf Dauer aber mehr bringt als ­griechische Staatsan­leihen. Vor allem mehr Spaß.   

Interview mit Miguel Angel Galluzzi

Seit 2012 leitet Miguel Angel Galluzzi das »Piaggio Advanced Design Center« für die Marken Aprilia, Moto Guzzi und Vespa. Die Redaktion hat mit dem Motorraddesigner geplaudert – nicht nur über seinen Jahrhundertentwurf Ducati Monster.

Der Entwurf der Ducati Monster hat dich unsterblich gemacht. Welche Überlegungen lagen deinem Design Anfang der Neunzigerjahre zu Grunde?
Damals war die Frage: Was brauche ich zum Fahren? Einen Lenker, einen Benzintank, Rahmen, Motor, Räder. Es ging bei der Monster um größtmögliche Vereinfachung. Gutes Design ist simpel und klar. Das Simple muss so stark sein, dass es dich verführt. Nehmen wir den Porsche 911. Wenn es gutes Design ist, dann funktioniert es für immer.

Miguel Angel Galluzzi

Wie bist du beim Gestalten der Monster vorgegangen?
Ich frage mich immer zuerst, was für ein Motorrad würde ich selbst fahren? Motorraddesign darf nicht in einer Klinik, ausschließlich am Zeichenbrett entstehen. Design ist immer ein Mix aus praktischen und romantischen Komponenten. Italiener lieben vor allem die romantische Seite. Das zusammenzubringen war mein Auftrag.

Kannst du dich an deine Arbeit bei Cagiva, der damaligen Mutter von Ducati, erinnern?
Als ich 1988 bei Cagiva anfing, fuhr ich mit meiner Ducati 750 S auf den Hof. Die Leute lachten und riefen: Hast du dafür Geld bezahlt? Bei Ducati hatten sie aus Paso-Teilen einen Sportler zusammengesteckt. So wurden damals in Bologna Motorräder gebaut. Erst als Castiglioni kam, änderte sich das. Für Cagiva habe ich später auch die Raptor-Modelle gestaltet. Neben der Ducati Monster war die Raptor ebenfalls ein wichtiger Entwurf, auch wenn das Bike nicht wirklich wahrgenommen wurde. 

»Warum sind da so viele Plastikabdeckungen dran?«

Und wie bewertest du die aktuelle Ducati Monster?
Auf der EICMA traf ich Ducati-Boss Claudio Domenicali, wir kennen uns. Er fragte mich, wie ich die Monster finde. Ich sagte, sie sieht klarer, einfacher aus als die Ducatis der vergangenen Jahre. Aber warum sind da so viele Plastikabdeckungen dran? Warum ist der Kühler so eingepackt? Domenicali rief den Designer, und der sagte nur, sieht doch gut aus. Macht das Sinn? Na ja, das Motorrad ist klarer gestaltet als die Bikes davor. Ducati ist auf dem richtigen Weg.

Was unterscheidet deine heutige Arbeit bei der Piaggio-Group von der bei Ducati in den Neunzigern?
Ducati ist eine »fancy« Marke. Bei Moto Guzzi etwa geht es um Substanz. Ducati träumt von einer Geschichte, wie sie Guzzi aufweisen kann. Ich will mal ein Beispiel nennen. Meine Frau fuhr eine Guzzi V7. Eines Tages begleitete uns ein Freund mit seiner Ducati. Irgendwann fragte er, ob er auch einmal mit der V7 fahren könne. Als er dann wieder abstieg, grinste er über beide Backen. Warum? Er hatte das Fahren genossen, er hatte Bäume, Menschen, Häuser betrachtet und keinerlei Stress empfunden. 

»Retro ist ein Augenblick, in dem wir über die Zukunft nachdenken«

… und danach richtest du dein Design aus? Muss eine Guzzi also „retro” sein?
Nicht zwingend. Es muss eine schöne Guzzi werden. Sie muss nicht modern sein, sie muss das Herz ansprechen. dann hat sie dich. Retro ist ein Symptom für etwas, was die Veränderung vermisst. Retro ist ein Augenblick, in dem wir über die Zukunft nachdenken. Die Technologie muss bereitstehen, dann geht es irgendwann in eine andere Richtung. Modische Details verbrauchen sich sehr schnell, gutes, simples Design hält für die Ewigkeit.

Reise in die Vergangenheit: Für die passenden Fotos mussten wir tief im Archiv graben. Die Aufnahmen stammen tatsächlich von 1994, wie man unschwer am Outfit des Fahrers erkennen kann

Was haben wir also in Zukunft zu erwarten?
Ich glaube an Leichtgewicht. Wenn ein Motorrad statt 180 nur noch 90 Kilo wiegt, dann braucht es keinen Dreizylinder-Motor. Neue Technik wird uns helfen. Das ist intelligent. Das könnte der Weg in die Zukunft sein. Der Motorradmarkt steht vor großen Veränderungen. BMW arbeitet mit Kymco zusammen, Harley baut Elektrobikes. Und für Jugendliche ist es heute nicht mehr das Wichtigste, mit 16 oder 18 Jahren einen Führerschein zu machen. Aber es wächst eine Subkultur, die sich alte, billige Motorräder individuell aufbaut. Das gilt für Europa und die USA. 

»Das Entwurfsmodell ist aus Holz und der Motor ist leer«

Und welches Motorrad fährst du persönlich?
Ich mag Offroader, habe mehrere neue und alte GS- und MX-Bikes. Außerdem für die Straße zwei Suzuki Katana, eine 1100er und eine 1000er, ein Modell für den US-Markt. Die Katana hat damals die Motorradwelt verändert. Daneben steht übrigens das Entwurfsmodell der Ducati-Monster für die Mailänder Messe 1990, das mir Castiglioni geschenkt hat. Die ist allerdings aus Holz und der Motor ist leer …   

 

Christian Heim