Optisch war seine Ducati 900 SS dem Chefredakteur des Schweizer Motorradmagazins Töff schon immer etwas fad. Andererseits im Lauf von 25 Jahren aber auch heftigst ans Herz gewachsen. Und weil’s ohnehin gerade Zeit für ein Töff-Umbauprojekt war, war der Gang zum Lifting unausweichlich.

Vor knapp zwanzig Jahren während des Studiums hatte ich sie mir zugelegt, meine Ducati 900 ­Super Sport, und was haben wir seitdem nicht alles ­erlebt: den ersten Töffurlaub in Italien, meine aller­erste Fahrt auf einer Rennstrecke, zahllose Duelle mit den Töffkumpeln, das erste fette Knöllchen. Und was war ich stolz, als ich zum ersten Mal meinen kleinen Sohn draufsetzen konnte. Die einen haben ­einen Hund als treuen Familienbegleiter, wir haben unsere ­Super Sport.

Ducati 900 SS – Von schräg hinten okay, aber von vorn?

So richtig wuschig hatte mich ihr Anblick aber noch nie gemacht. Von schräg hinten okay, aber von vorn? Nein, schön ist anders. Und noch bevor ich wusste, wie sie am Ende aussehen sollte, war mir eins schon klar: Ich würde den Umbau in Röllin’s Vintage Factory realisieren. Die in Dachsen bei Zürich beheimatete Truppe ist für ein solches Unterfangen schlicht perfekt eingerichtet. Außerdem trägt ihr ­Laden meine angedachte Stoßrichtung im Namen: Vintage.

Vorderes Schutzblech samt Ausleger stammen aus Ducatis Scrambler und wurden gekappt. Die Aufnahmeplatten der originalen Fußrastenanlage schnitt Walter Röllin aus Mangel an Zubehörteilen sportlich aus und lackierte sie schwarz

Ja, ja, von denen gibt es schon allerhand auf Ducs SS-Basis. Doch so recht gefallen wollte mir all das, was ich im Netz so aufstöberte, nicht – völlig gleich, wie aufwendig und liebevoll die Dinger gemacht waren. Man merkt meist einfach, dass bei Proportionierung wie Formengestaltung keine echten Designer am Werk waren. Und so holten wir uns in Gestalt von Industrie­designer Lukas Vonarburg professionelle Hilfe ins Team.

Ducati 900 SS – Problemzone Heck

Lukas war vom Projekt so angetan, dass er nach einem rudimentären Briefing – Gitter­rohrrahmen und Tank bleiben original, keine Schalen, runder Scheinwerfer, Stummellenker, ein Cafe Racer eben – direkt mit Skizzieren loslegte. Bald darauf lagen diverse Entwürfe auf unserem Tisch – inklusive Designkonzept. Konzentriert ­hatte er sich dabei primär aufs Heck, das ­nämlich war die Problemzone Nummer eins: Jeder Versuch, die Super Sport in einen Cafe Racer zu verwandeln, mündete aufgrund der Rahmengeometrie unweigerlich in eine unsägliche Street-Fighter-Optik. Es half nix: Der Cafe-Racer-Plan ging ad acta und wir strebten – ausgehend vom Tank, dessen Form ich schon immer geliebt hatte – eine Neuinterpretation des ursprünglichen Designs an.

Schlicht, rund und nicht zu klein sollte der Scheinwerfer werden. Die ­Firma Bihr hatte was Passendes im Katalog. Die „Remove before flight“-Straps sind dem Faible des Duc-Besitzers für die Aviatik geschuldet

Genial war, dass Lukas CAD-Entwürfe realisiert hatte, mit denen sich das fertige Bike perfekt visualisieren ließ. Und so konnten wir uns in regem Austausch über diverse, immer stärker verfeinerte Ent­würfe der finalen Heckform annähern. Als sie dann feststand, machte sich Lukas an die Herstellung der Heckschalen, die letztendlich aus Glasfasern laminiert wurden.

Die Unterbringung der Elektrik war eine echte Mammutaufgabe

Insgesamt 400 Stunden verbrachte unser Team an der Duc, die Hälfte davon ging allein aufs Konto des Hecks. Besonders anspruchsvoll war die Unterbringung der ursprünglich ­hinter der Halbschale versteckten Elektrik. Eine echte Mammutaufgabe, derer sich Ducati-Schweiz-Mann Luis Stancato freundlicherweise annahm und die ihn praktisch die komplette Projektdauer über beschäftigte.

Heck und Lack – Knapp 200 Arbeitsstunden stecken hier drin. Ziel war es, die Formen des Tanks ins neue Heck zu überführen. Letzteres setzt sich aus der eigentlichen Heckschale und einer Basisplatte zusammen, die ein in Silentblocks gelagertes Alublech trägt, auf das die Elektrik montiert wurde. Fachmännisch lackiert wurden Tank und Heck von Alex Harder in Eglisau

Auch der mit Alcantara bezogene Sitz war nicht ohne. Vorn hat er die Originalstruktur, zum Heck hin hat Lukas eine Konstruktion ­gezaubert, die auch den neu gelöteten Kabelbaum aufnimmt und ins Heck führt. Kopfzerbrechen bereitete Walter Röllin – unserem Mann für die Metallbearbeitung an Drehbank, Fräse und Schweißgerät – die Adaption der Kreuzspeichenräder.

Kreuzspeichenräder der Sportclassic 1000 S

Wie der Ducati-Schriftzug auf dem Tank stammen die aus der Sportclassic Sport 1000 S und bis auf Radlagerdurchmesser und Schraubpunkte für die Bremsscheiben passte da gar nichts. Doch Walter obsiegte und das Resultat kann sich wirklich sehen lassen. So wie das ganze Motorrad, wie wir meinen – als ausführendes Team auch meinen müssen. Zulassungsfähigkeit? ­Blöde Frage. Ihr fragt schöne Frauen sicher auch nach ihrem Alter …

 

 

Daniele Carrozza