Etliche Umbauten der BMW R nineT hat Wunderlich bereits entwickelt. Unter anderem einen Bobber namens WunderBob. CUSTOMBIKE hat den Aufbau begleitet …

Seit ihrem Erscheinen geht die BMW R nineT sprichwörtlich wie geschnitten Brot über die Theken der Verkaufsräume. Für Spezialisten wie Wunderlich fast schon ein Segen, denn das Unternehmen aus Grafschaft-Ringen entwickelt Zubehörteile, damit Besitzer der bayerischen Ikone ihr Motorrad so individualisieren können, wie es ab Werk nicht möglich ist. Etliche Umbauten der 9T samt ihrer Ableger hat die Wunderlich-Crew bisher gebaut und deckt damit eine enorme Bandbreite ab.

BMW R nineT – Diesmal sollte es ein Bobber werden

Und schaut man sich die Modelle an, die das Unternehmen in regelmäßigen Abständen verlassen, stellt man fest, dass Wunderlich teilweise den Machern in München nicht nur vorauseilt, sondern wohl auch die ein oder andere Vorlage für ein weiteres Serienmodell liefert. Das ist natürlich nur spekuliert, denn alle Ähnlichkeiten sind wie immer rein zufällig … Diesmal hat man sich also für einen Bobber entschieden, denn Scrambler, Cafe Racer und Roadster sind bereits im Programm und entsprechende Teile finden sich im hauseigenen Teilekatalog.

Die R nineT ist BMWs Erfolgsmodell bei den Retro-Bikes. Gleichzeitig dient sie den Münchnern als Basis für ihre Heritage-Reihe. Fehlt nur noch ein Bobber

»Wir haben uns für einen Bobber entschieden, um eine größere Bandbreite abzudecken. Zudem gibt es bis jetzt von BMW Motorrad keinen Bobber ab Werk«, begründet man bei Wunderlich seine Entscheidung. Ein Bobber ist an und für sich nichts Neues, schließlich werden schon seit den 1940er Jahren Motorräder gestrippt und auf das Wesentliche reduziert. Zudem kommen sie alleine schon aufgrund ihrer Sitzposition lässiger rüber als beispielsweise Cafe Racer, die eher ein spezielles Publikum ansprechen.

Keine Retro-Variante, sondern eine moderne Bobber-Interpretation

Genau hier sieht Wunderlich den Ansatz für die Entwicklung seines Bobbers. Allerdings nicht als Retro-Variante, sondern als moderne und zeitgemäße Interpretation dieser beliebten Fahrzeuggattung und technisch auf dem Stand des 21. Jahrhunderts. Schließlich sollte der Bobber auch als Konzeptbike dienen, damit die Kundschaft ein anschauliches Bild der Möglichkeiten erhält und selbst entscheiden kann, wie weit sie ihre R nineT in einen Bobber verwandeln möchte.

Vom Entwurf bis zum fertigen Produkt ist es ein langer Weg. Designer Nicolas Petit musste zahlreiche Vorschläge entwerfen, bis sich das Team von Wunderlich festlegen konnte

Die Entwicklung des Bobbers gestaltet sich bei Wunderlich abteilungsübergreifend und ist damit eine Gemeinschaftsleistung, in die viele Spezialisten involviert sind. Am Anfang steht dabei die Entscheidungsfindung, in welche Richtung es grundsätzlich gehen soll. Hierbei sind alle Ideen zugelassen, um sich nicht selbst schon zu Beginn einzuschränken. Sobald diese abgeschlossen ist kommt Designer Nicolas Petit ins Spiel, der für die Visualisierung zuständig ist.

Es ist ein langer Weg, bis das finale Design steht

Er bringt die Ergebnisse der unzähligen Brainstormings aufs Papier und macht somit greifbar, was vorher nur in den Köpfen herumspukte. Doch damit beginnt die eigentliche Arbeit erst, denn jetzt wird an den Entwürfen gefeilt und geschliffen, bis das finale Design für die Umsetzung steht. Solche Prozesse brauchen Zeit, lassen sich nicht von heute auf morgen »durchprügeln«. Trotzdem darf dabei die Deadline nie aus den Augen geraten, denn pünktlich zur Intermot sollte der fertige Bobber präsentiert werden.

Scheinwerfer geben dem Bike ein Gesicht. Der originale der R nineT muss weichen. Der neue baut wesentlich flacher

Für Wunderlich dabei entscheiden ist, wie übrigens bei allen Entwicklungen, der Fahrspaß. Letzten Endes soll das fertige Produkt nicht nur gut aussehen, sondern auch noch besser sein als das Original. Für die Entwicklung des »WunderBob« getauften Modells bedeutet das, viele Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen haben die Macher sehr hohe eigene Ansprüche, vor allem in Bezug auf Qualität und Legalität/Zulassungsfähigkeit der selbst entwickelten Teile, zum andern muss auch bei der 9T immer die Fahrzeugzuordnung berücksichtigt werden.

Die sich immer weiter verschärfende Euronorm bringt Probleme

Wie andere Motorradhersteller auch, ändert BMW Motorrad mit den Baujahren immer wieder Kleinigkeiten am Modell. Das ist der eigenen Weiterentwicklung geschuldet, aber auch den sich stetig ändernden Rechtsnormen wie zum Beispiel die sich immer weiter verschärfenden Euronormen, die viele Hersteller vor nicht zu unterschätzende Probleme stellten und bei einigen Modellen für das vorzeitige Aus sorgten.

Die Serienräder der R NineT werden durch leichte Carbonfelgen ersetzt. Die geringeren rotierenden Massen sollen den Bobber handlicher und agiler machen

Für die Entwicklungsgruppe bei Wunderlich dennoch keine große Sache, schließlich ist man mit den Abläufen vertraut. Auch beim Bobber-Projekt folgt die Entwicklung der Komponenten einem festgelegten Prozedere, denn am Ende soll der WunderBob wie ein Baukasten funktionieren. Die kompletten Umbauteile finden sich schließlich im Katalog. »Die Kunden sollen dann die Möglichkeit haben, die entsprechenden Teile zuhause selbst anzubauen.« Letztlich ist es das Bolt-on-Prinzip, das eine R nineT zum Bobber werden lässt. Mit dem Vorteil, dass sämtliche Teile nach Industriestandards gefertig, geprüft und zugelassen sind.

BMW R nineT – WundBob als Konzeptträger

Natürlich sollte der WunderBob als Konzeptträger zeigen, was technisch alles möglich und vor allem umsetzbar ist. Das fängt bei den Carbon-Rädern an und hört bei der modifizierten Can-Bus-Elektrik auf. Diese stellt auch eine erfahrene Mannschaft vor große Herausforderungen, denn selbst so einfache Dinge wie der Tausch der Blinker oder ein neuer Tacho, die früher beinahe jedes Kind im Handumdrehen wechseln konnten, werden heute zu einer Tortur, die einen langen Rattenschwanz an Auswirkungen nach sich zieht und selbst routinierte Techniker ins Grübeln bringt. Besitzer moderner Bikes können sicher ein Lied davon singen und werden sich ihrer eigenen Leiden erinnern.

Der Tank bleibt unverändert und sorgt somit für einen Wiedererkennungswert

Für das Wunderlich-Team jedoch kein Grund hier nachzugeben und den bequemen Weg zu gehen. Auch wenn in solchen Phasen vieles nach Chaos aussieht, es hat seine Ordnung. Der Prozess der Entscheidungsfindung ist schon sehr umfangreich, doch mit der Entwicklung und Komposition der einzelnen Teile wird es richtig intensiv. Der Gesamtaufwand des Projekts muss abgeschätzt und zu erwartende Probleme gleich mitberücksichtigt werden. Viele zu erledigende Arbeiten laufen parallel. Dazu wird ein Zeitpuffer eingeplant, um sich bei unvorhergesehenen Problemen Luft zu verschaffen, denn der Fertigstellungstermin zur Intermot kann nicht verschoben werden.

BMW R nineT WunderBob – Die Liste der Teileentwicklung ist lang

Aus diesem Grund wird, von diesem Datum ausgehend, alles zurückterminiert. So wird schnell klar, wie viel Zeit tatsächlich für die einzelnen Arbeiten bleibt. Einen großen Vorteil kann das Wunderlich-Team dabei für sich in Anspruch nehmen: Die Koordination erfolgt innerhalb des Unternehmens auf kurzem Weg und man hält nicht stur an den Plänen fest. Die Liste der Teileentwicklung ist lang: Heckrahmen, Loop, Sitzbank, Rahmendreieckcover, Front- und Heckfender, Halterungen, Gabelcover, Fußrastenanlage, Kennzeichenträger und vieles mehr muss in den wenigen zur Verfügung stehenden Wochen umgesetzt werden.

Knifflig wird es bei der Elektrik – dank CAN-Bus

Teilweise wird dabei auf bereits entwickelte Teile zurückgegriffen, vieles muss aber auch von Grund auf neukonstruiert werden. So zum Beispiel das Rahmenheck mit der Sitzbank und der mitschwingende Heckfender, der dem Bobber erst seinen typischen Look gibt. Vor allem die Halterung an der Einarmschwinge ist eine Herausforderung, wie man bei Wunderlich unumwunden zugibt. Denn die Schwinge der R nineT beherbergt gleichzeitig auch den Kardanantrieb. Da kann man nicht einfach ein paar Löcher bohren oder etwas dranschweißen. »Der Heckfender ist handgefertigt und muss so steif ausgeführt sein, dass er im Fahrbetrieb nicht in Schwingung versetzt wird. Dazu haben wir eine Konstruktion entwickelt, bei der der Halter des eigentlichen Fenders an den Aufnahmen des hinteren Bremssattels am Achsantrieb sicher befestigt wird.

Der Fender sollte sich optisch sehr eng ums Hinterrad schmiegen

Auch die formale Gestalt des Halters spielt bei diesem Konzeptbike eine wichtige Rolle, weshalb der Halter dezent ausgeführt ist, sodass der Fender sich optisch sehr eng ums Hinterrad schmiegt. Das Entwicklungteam hat die Entscheidung getroffen, die Blinker unterhalb des Sattelloops einzubauen, um das Heck, insbesondere den Heckfender ganz clean zu gestalten.« Auch beim Loop und der Sitzbank geht es in die Vollen. Alleine die Entwicklung verschlingt rund zwei Tage. Drei bis vier Prototypvarianten mit unterschiedlichen Krümmungsradien, Befestigungslösungen und unterschiedlichen Rohrdurchmesssern werden von den eigenen Prototypbauern angefertigt. Danach werden zusammen mit der Entwicklungsabteilung die Konstruktion und das Design festgelegt.

Entwicklung am PC. Dank CAD können verschiedene Varianten virtuell ausprobiert werden. Der endgültige Entwurf basiert auf einem bereits entwickelten Frontfender, der für die R nineT Scrambler vorgesehen ist, aber für den WunderBob aufgrund der Reifengröße angepasst wird

Im Anschluss erfolgt die Abstimmung mit einem spezialisierten Fertigungsbetrieb. Danach folgt ein weiterer, vorher festgelegter Prozess im Produktmanagement. Im Hinblick auf Serienfertigung und Verkauf werden CAD/CAM-Zeichnungen, Stücklisten und Artikelnummern angelegt, eine Kalkulation durchgeführt, Anleitungen und Verkaufstexte erstellt und vieles mehr. Der Frontfender dagegen erscheint angesichts des geringen Aufwands wie eine leichte Fingerübung, denn dank des umfangreichen Sortiments kann sich das Team auch immer wieder aus ihrem hauseigenen Regal bedienen.

Der Frontfender basiert auf dem des Scrambler-Umbaus

So basiert der Frontfender auf einem Teil, das bereits für den Wunderlich-Scrambler-Umbau Classic entwickelt wurde. Für die Verwendung der bobbertypischen Reifen musste er lediglich in der Höhe angepasst werden. Generell wird bei solchen Projekten zwischen internen und externen Komponenten unterschieden. Bei der Auswahl haben die Entwickler also die Pflicht, sich zu vergewissern, ob man nicht erst passende Produkte aus dem eigenen Portfolio verwenden kann, denn nicht selten werden Teile die es bereits gibt, doppelt und dreifach entwickelt, gezeichnet, zugelassen und eingelagert. Das Teilemanagement ist somit ein wesentlicher Bestandteil.

Der mitschwingende Heckfender stellte die größte Herausforderung dar, denn die R nineT verfügt über eine Einarmschwinge

»Deshalb sichten wir unseren Bestand und schauen, welche Produkte wir verwenden oder welche wir mit geringfügigen Modifikationen anpassen können. Dabei gehen wir keine faulen Kompromisse in Bezug aufs integrierte Design, die Qualität oder die Funktionalität ein. Keine. Erst nach dieser Prüfung wird gegebenenfalls die Produktentwicklung gestartet.« Bei der Auswahl externer Komponenten ist es für Wunderlich wichtig, dass sie sich in jeder Hinsicht gut ins Konzept fügen. Nicht nur technisch, sondern vor allem auch optisch. Sie sollen nicht wie ein Fremdkörper wirken.

Immer im Blick – Gutachten und Zulassung

Selbstredend, dass man hier ausschließlich auf hochwertige Qualitätsteile zurückgreift. Dabei bleiben immer zwei wichtige Punkte im Blick: zum einen die Budgetierung, zum anderen Gutachten und Zulassung, sofern erforderlich. Bei Konzeptbikes gilt auch für ein Unternehmen wie Wunderlich, die Kosten im Auge zu behalten. Sie dürfen den Rahmen nicht sprengen. »Das ist auch im Sinne unserer Kunden. Wo immer es möglich ist, greifen wir auf Produkte zurück, die bereits im Sortiment sind, bevor wir ein neues Produkt entwickeln. Alles andere wäre nicht wirtschaftlich. Nicht für uns und für unsere Kunden ebenso wenig.«

Das Schutzblech benötigte folglich eine spezielle Halterung, da sich der Fender bobbertypisch eng ums Hinterrad schmiegen soll

Der zweite Punkt betrifft zu erstellende Gutachten und Zulassungen für die entwickelten Teile. Allerdings bleibt die Truppe aus Grafschaft-Ringen hier verschont. Für die Anbauteile des WunderBobs werden, mit Ausnahme der leichten Carbonfelgen, keine Zulassungen benötigt. Bei anderen Projekten beispielsweise, bei denen aufgrund der Anforderungen durch die StVZO entweder ein TÜV-Gutachten oder eine ABE benötigt wird, wird frühzeitig der TÜV miteingebunden, sodass ein erforderliches Zulassungsverfahren synchron und mit wenig bis gar keinem Zeitverlust abläuft.

Besser eine ABE als ein TÜV-Gutachten

»Durch den eingespielten Ablauf und die Kenntnisse der Anforderungen der StVZO schaffen wir es, mit dem Launch eines Produkts auch die Zulassungspapiere am Start zu haben. Falls notwendig, ziehen wir die ABE dem TÜV-Gutachten vor, da sie unseren Kunden weniger Aufwand bereitet, da keine Eintragung in die Fahrzeugpapiere notwendig ist, wenn die ABE mitgeführt wird.«

Da der Bobber einen mitschwingenden Heckfender bekommt, musste auch die Sitzbank samt dem dazugehörigen Rahmenheck neu entwickelt werden. Für den Loop wurden drei bis vier Prototypvarianten mit unterschiedlichen Krümmungsradien, Befestigungslösungen und unterschiedlichen Rohrdurchmessern angefertigt

Am Ende hat es die Truppe aus Grafschaft-Ringen geschafft und die WunderBob pünktlich zur Intermot fertiggestellt. Gut schaut sie aus, aber ein Bobber im klassischen Sinne ist sie nicht. Dafür sind die Reifen zu wenig ballonförmig und Carbonräder sind auch nicht unbedingt alte Schule. »Unser Ansatz war es ja, einen zeitgemäßen Bobber aus der BMW R nineT zu bauen. Wir wollten ganz bewusst keinen Abklatsch, keinen Poser mit Schwingsattel und Oldschool-Reifen, die, wenn wir ehrlich sind, zwar gut aussehen, aber eigentlich nicht besonders gut fahrbar sind«, erklärt uns Wunderlich-Boss Frank Hoffmann. Und gute Fahrbarkeit stand ja ganz oben im Lastenheft.

BMW R nineT WunderBob mit überaus kommoder Sitzposition

Das originale Federbein ist bekanntermaßen nicht gerade Premium­ware, praktisch, wenn man da auf eigenes Material zurückgreifen kann. Seit bald zehn Jahren fertigt Wilbers für Wunderlich speziell abgestimmte Fahrwerkselemente. Hier kommen ein voll einstellbares Federbein und kürzere Gabelfedern zum Einsatz, die die Fuhre 25 Millimeter tieferlegen. So wirkt die Linie stimmig, der Bobber liegt schön satt auf der Straße und die Sitzposition ist in Verbindung mit dem hohen Lenker überaus kommod.

Der WunderBob wurde bewusst als moderne Interpretation des Bobbers konzipiert

In Sachen Performance beschränkte­ man sich auf das Anschrauben einer schwarzen Krümmeranlage von Remus in Kombination mit einem kurzen Endtopf von Speed-Products. Maßnahmen, die weniger der Leistungssteigerung als vielmehr einer stimmigen Optik dienen. Die Carbonfelgen sehen hingegen nicht nur ultraschick aus, sondern sorgen durch ihr geringes Gewicht dafür, dass der Wunderbob mit das leichtfüßigste Fahrverhalten aller 9T-Derivate an den Tag legt.

Der WunderBob-Umbau kann Schritt für Schritt durchgeführt werden

Da das Custom-Konzept der Wunderbob modular aufgebaut ist, kann ein entsprechender Bobber-Umbau Schritt für Schritt durchgeführt werden. Die Komponenten inklusive Lackierung und Carbonrädern liegen bei etwa 10.000 Euro. Wer sich etwas bescheidet, kann seiner 9T also auch für etwa die Hälfte einen Bob-Job spendieren. Geht eigentlich …

Info | wunderlich.de

 

Christian Heim