Für den 80. Geburtstag der BMW R 5 – einem der wichtigsten Modelle der bayrischen Motorradgeschichte – haben Designer und Schrauber die Köpfe zusammengesteckt, um ein besonderes Geschenk zu machen. Die »R 5 Hommage« ist klassisch, trotzdem modern, aber vor allem eins: wunderschön!

Es war einfach an der Zeit«, sagte Ola Stenegard– damals Designer bei den bayrischen Motorradwerken – kurz und knapp. Schon lange war  es der Traum des BMW-Kreativen, ein Concept-Bike zu entwickeln, das dem schnellsten und modernsten BMW-Motorrad der Vorkriegszeit, der legendären R 5, die Ehre erweist. Und was lag näher, als die Hommage an eine glorreiche Vergangenheit eben am 80. Geburtstag der Legende selbst zu präsentieren. Dass Stenegard und Edgar Heinrich, der Leiter Design bei BMW Motorrad, echte R-5-Fans sind, konnte dem Hommage-Projekt nur gut tun.

Respektvolle Kombination aus Oldschool und Hightech

Und so bildete sich seinerzeit eine Art Expertengruppe, die den Oldie in die Neuzeit hieven sollte. Gemeinsam mit erfahrenen Männern in Sachen Racing, Restaurierung, Design, Entwicklung und Customizing wurde die Marschrichtung ausgegeben: Elegante Ästhetik und eine respektvolle Kombination aus Oldschool und Hightech, gepaart mit einer Prise High Performance. Das Team entschied sich, tatsächlich einen historischen Boxer für das Projekt zu nehmen, keine ganz leichte Aufgabe.

Mit Ola Stenegards Skizze begann der Bau der »R 5 Hommage«. Vom 1936er Motorgehäuse, das nach der Rennkarriere doch schwer verbeult war, blieb nicht viel. Nicht mehr verwendbare Teile wurden aufwendig nach Maß neu gefertigt

»Der Umbau eines historischen Motorrads verlangt sehr viel Fingerspitzengefühl. Wo setzt man ein neues, modernes Teil ein, wo behält man das Original bei? Es war eine Gratwanderung«, erzählt Heinrich rückblickend. Zwar wollten die Gestalter dem Bike mit neuen Bremsen und einer neuen Aufhängung einen modernen Touch verleihen, aber keinesfalls einen Prototyp oder einen 9T Motor einbauen. »Ein neuer, moderner Motor hätte einfach nicht denselben Effekt – er hätte der R 5 nicht den nötigen Respekt gezollt«, sagt Heinrich, » und einen normalen R-5-Motor so mir nichts, dir nichts ausschlachten – das wäre ein Frevel.«

BMW R 5 Hommage – Olas Skizze wies den Weg

Die erste Skizze von Ola Stenegard zeigte schließlich, wo die Reise hingehen würde. Ein schlichter Bobber, der durch einen feinen Mix aus alter Ingenieurskunst und moderner Technik besticht, sollte es werden. Gar nicht so einfach, denn das Bike sollte aus Teilen bestehen, die es entweder noch nicht oder nicht mehr gab. Für Michael Eder, den Projektmanager für Concept-Bikes bei BMW, begann die Suche nach dem passenden Motor und Getriebe. Eders Suche nach den rar gesäten R-5-Teilen führte ihn quer durch Europa, bis nach Russland und in die USA.

Nicht mehr verwendbare Teile wurden aufwendig nach Maß neu gefertigt. Der kleine Kompressor sorgt für ein Leistungsplus von 14 PS

Die Nadel im Heuhaufen fand er aber am Schluss quasi um die Ecke. Sebastian Gutsch, Anwalt und leidenschaftlicher BMW-Sammler lieferte die selten gewordenen Teile, dazu einen Dummy-Motor der R 5 und eine Hinterradbremse. Damit konnte mit dem Bau von Rahmen und Gabel begonnen werden. Trotzdem, die Zeit bis zur anvisierten Weltpremiere wurde schon knapp. Hilfe finden die deutschen Planer in Schweden.

BMW R 5 Hommage – Custom meets Vintage

Ronna und Benna Norén von Unique Custom Cycles hatten mit Ola schon mal ein Projekt durchgezogen, sind außerdem erfahren mit bayerischen Boxern. »Trotzdem, aus einer Bleistiftskizze ein Concept-Bike wie dieses zu erschaffen, ist eine völlig andere Liga«, erklären die Brüder. Stenegard bringt die beiden mit Sebastian Gutsch zusammen: Custom meets Vintage. »Genau diese Verbindung von verschiedensten Fachgebieten macht Customizing so besonders«, sagte Stenegard.

Dass die Denker unter den Schraubern hinter dem Projekt echte Freude ausstrahlen ist daher kaum verwunderlich. Im Bild lachen von links nach rechts Perka Nyström, Benna Norén, Ola Stenegard, Michael Eder, Sebastian Gutsch und Ronna Norén

»Es war einfach großartig, wie diese Spezialisten aus den verschiedensten Ecken des Motorraduniversums gemeinsam an unserem Projekt tüftelten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.« Bewaffnet mit Stenegards Skizze und ein paar Kisten mit Teilen aus dem Gutschen Fundus, machten sich Ronna und Benna Norén an die Arbeit. Beim Rahmen lag das Augenmerk auf den oval gezogenen Rohren, die schon das Original so markant machten und auch beim Hommage-Bike zur Geltung kommen sollten. Um dem Motorrad mehr Ausdruck zu verleihen, erhielt der Lenkkopf außerdem mehr Neigung.

Prägend für BMW R 5 – Die Telegabel

Besonders prägend für das Erscheinungsbild der R 5 war die damals neue Teleskopgabel, deren charakteristische Gabelbrücke auf Höhe des Scheinwerfers aerodynamisch geformt war. Die R-5-Hommage griff dieses Element auf und interpretierte es auf der neu entwickelten Vorderradgabel in moderner Form. Die Front der Tauchrohre zitiert die »Bügelfalte« auf Brustplatte und Ventildeckeln mit einer angedeuteten »R-5-Rippe«.

Vier Monate dauerte der Bau des Concept-BIkes. Trotz dieser kurzen Bauzeit gelangen tolle Details. So nimmt zum Beispiel die Hinterradnabe sowohl die Speichen der Räder als auch die hintere Bremse auf. Auch wurden am Lenker angeschlagene Hebel für Kupplung und Bremse angefertigt. Werden sie vom Fahrer betätigt, erscheint am Kupplungshebel die eingravierte Inschrift »Let it rip«, während am Bremshebel die Aufforderung »Let it roll« zu lesen ist

Auch in den von außen betätigten Brems- und Kupplungshebellösungen finden Vergangenheit und aktueller Stand der Technik zusammen: Die Sonderanfertigungen vereinen die Optik der Innenzughebel der historischen Vorbilder mit den Einstellmöglichkeiten moderner Bedienelemente. Als die Arbeit am Chassis so weit abgeschlossen war, widmeten sich die Customizer dem Herzstück. Was nicht mehr verwendbar war, wurde in aufwendiger Handarbeit maßgefertigt. Die Zylinder und Zylinderköpfe sind Reproduktionen, da die echten unauffindbar blieben.

Technisches Highlight ist der eigens entwickelte Kompressor

Die Ventildeckel sowie die vordere Motorenabdeckung wurden aus Aluminium nachgebaut. So verhalfen die Brüder dem alten Motor zu neuem Glanz. Technisches Highlight am Motor ist der eigens entwickelte Kompressor, der dem 500-ccm-Aggregat mit ursprünglich 26 PS historisch korrekt zu deutlich mehr Leistung verhelfen sollte. Dafür wurde extra ein Übergangsstück aus Aluminium gefertigt, um den Kompressor zwischen Motor und Getriebe perfekt ins Bike zu integrieren. Einlass- und Ansaugkammer sind handgefertigt.

Gespiegelt angeschlagene Hebel für Kupplung und Bremse wurden eigens angefertigt. Werden sie vom Fahrer betätigt, erscheint am Kupplungshebel die eingravierte Inschrift »Let it rip«, während am Bremshebel die Aufforderung »Let it roll« zu lesen ist

Sebastian Gutsch schlug den Einbau einer elektrischen Zündung und eines originalgetreuen Amal-Vergasers vor. Zuletzt wurde der Motor mit einer komplett neu gefertigten Auspuffanlage aus Edelstahl versehen und zum Feintuning auf den Prüfstand geschickt. Die Zeit zur Premiere drängte nun unbarmherzig. Im Eiltempo, aber mit der nötigen Hingabe, entstanden Tank, Schutzblech und die handbestickte Sitzbank. Und dann wurde die »R 5 Hommage« schließlich von sichtlich stolzen Schraubern und Designern enthüllt.

So kann niemals mehr für den großen Markt gebaut werden

Seitdem ist die Motorradwelt in heller Aufregung. Was, wenn dieses Motorrad ein Hinweis auf die künftigen Serientätigkeiten von BMW wäre? Und war die R 18 tatsächlich das Surrogat dieser großartigen Fingerübung? Sicher ist, in der hier gezeigten Form kann niemals mehr für den großen Markt gebaut werden. Sicher ist aber auch, bei BMW sitzen schlaue Leute, und die wird der Jubel der Mopedgemeinde kaum völlig kalt lassen. Elektro-Hype hin, Wasserstoff her.

Info |  bmw-motorrad.de

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.