Von alten Schätzchen trennt man sich besser nicht. Tom hat seine BMW R 26 über zwanzig Jahre stehen lassen – und das Gespann dann zum Cafe Racer umgebaut.

Es klingt wie die klassische Motorradkarriere: Anfang der siebziger Jahre wird Tom, wie viele andere auch, vom Easy-Rider-Fieber erwischt. Die Kreidler RS, die er damals besitzt, sogleich mit vielen Chromteilen verändert wird, getreu dem Motto »Nimm, was du hast«. 

Das Fahren stand immer im Vordergrund

Die anschließende Motorradkarriere beginnt mit einer 250er Honda und geht weiter über eine CB 500 hin zu unzähligen Modellen, die »alle nichts Außergewöhnliches waren«, wie Tom hinzufügt. Hauptsache fahren – das steht für ihn im Vordergrund. Trotzdem werden alle Motorräder immer ein wenig individualisiert und abgeändert, wie er zugibt.

Der Einzylinder ist gut in Schuss. Für die Wiederbelebung waren nur frisches Öl und eine neue Batterie notwendig. Ein Kick und die Maschine schnurrt

Mit der Familiengründung verschieben sich die Prioritäten. Dennoch bleibt Tom Motorradfahrer und gibt seine Leidenschaft nicht auf, denn zum Glück fährt seine Frau ebenfalls Motorrad und zeigt Verständnis. Also wird ein BMW-R-100-Gespann angeschafft und fortan alles etwas gemäßigter angegangen. 

Die BMW R 26 fällt in einen langen Zwangsschlaf

Die R 26 kommt 1988 ins Haus und ist ebenfalls ein Gespann. Tom erneuert lediglich die Elektrik und kümmert sich um den Motor. Ganze zwei Jahre bereitet das alte Gespann Spaß und Freude, verschwindet dann aber nach der Stilllegung 1990 in der Garage. Die BMW fällt in einen langen Zwangsschlaf und wartet leise und geduldig auf die Erweckung, doch die sollte sich noch über zwanzig Jahre hinziehen.

Die alte Plakette hat Tom bei Ebay erstanden und stilecht am Scheinwerfer angebracht

Eine lange Zeit für ein ehrwürdiges Stück deutscher Ingenieurskunst. Andere hätten vielleicht einen Verkauf in Betracht gezogen, was für Tom aber nicht in Frage kommt. Über zehn Motorräder befinden sich im Familienbesitz, und neben seiner Frau ist auch der Sohn inzwischen selbst auf zwei Rädern unterwegs.

Lange, dunkle Monate ohne Schrauberei

Zusammen wird gefahren und geschraubt, bis Tom im Winter vor ein paar Jahren plötzlich ohne Umbauprojekt dasteht. Lange, dunkle Monate ohne Schrauberei, ein nicht zu ertragender Zustand. Dafür scheint der Zeitpunkt genau richtig, sich wieder auf das R 26-Gespann zu besinnen. 

Auf schlankem Fuß: Die R26 kommt mit ziemlich schmalen Reifen aus

Das »Was?« ist schnell geklärt: ein Cafe Racer oder nichts. Allerdings im ganz klassischen Stil der 60er Jahre. So macht sich Tom auf die Teilesuche, findet das meiste auf der Veterama und bei eBay, manches hat er auch noch im Fundus. Einziges Neuteil wird der Frontfender. Das Gespann wird getrennt, der Beiwagen verkauft, der Umbau nimmt Fahrt auf.

BMW R 26 – Der Tank bekommt eine Innensanierung

Ein gutes halbes Jahr ist Tom beschäftigt, modifiziert, baut viele Teile, wie Sitzbank oder Bremsgestänge selbst, oder übergibt sie zur Weiterbearbeitung in dritte Hände. Den Tank lässt Tom einer Innensanierung unterziehen, ansonsten bleibt er aber so, wie Tom ihn auf der BMW bekommen hatte, mit Dellen und Patina. »Ich wollte den Lack an Rahmen Tank und Schutzblech unbedingt original lassen.«

Was wäre diese R26 ohne die Patina? Tom wollte die BMW nicht lackieren lassen und setzt stattdessen auf den Originallack, der mit der Zeit »gereift« ist

Bis Weihnachten soll der R-26-Cafe-Racer fertig sein, als Weihnachtsgeschenk an Tom selbst. Doch wie immer kommt es anders als geplant. Obwohl der Umbau relativ problemlos verläuft, kommt es zu kleinen Verzögerungen, die die Fertigstellung ins darauffolgende Jahr verschieben. Im Frühjahr ist es dann endlich so weit, die R 26 erblickt nach mehr als zwei Jahrzehnten das Tageslicht.

Die TÜV-Abnahme bereitet keine Probleme

Mit frischen Flüssigkeiten befüllt und einer neuen Batterie ausgestattet, springt sie nach den langen Jahren des Wartens an, als wäre sie erst gestern in der Garage abgestellt worden. Die TÜV-Abnahme bereitet keine Probleme. Lenker und Fußrasten werden ohne Beanstandungen eingetragen, ebenso der Solo-Betrieb ohne Sozius.

Die originale Schwingengabel hat Tom mit der filigranen Telegabel einer R 25/3 ersetzt. Und ja: Zum echten Café Racer fehlt der BMW ein Stummellenker. Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein …

In ihrem neuen Leben wird die BMW regelmäßig bewegt. Drei bis vier Oldtimertreffen fährt Tom mit ihr im Jahr an. Auch Touren, die mitunter bis ins Elsass oder weiter weg führen, bewältig der kleine Einzylinder zuverlässig und klaglos. Die R26 läuft und läuft und genießt ihr neues Leben, dank Tom, der es nicht übers Herz gebracht hat, sich von diesem Schätzchen zu trennen. 

 

 

 

Christian Heim