Vincenzo mag eigentlich gar keine Boxer-Bikes aus München. Deutsche Motorräder … pffft. Blöd nur, dass sein Kunde Alessio ziemlich geil auf deutsches Handwerk ist und schon vor zwei Jahren den Auftrag zum Bau eines Bikes auf Basis einer BMW R 100 RT gegeben hatte.

Zwei Werkstätten hatte sich Alessio für sein Scrambler-Projekt ausgesucht. Luigi aus der »Tondo Garage« und eben Vincenzo mit seiner Firma »Inglorious Basterds« sollten dem Bayern auf die Sprünge helfen. Der Boxer sollte mehr Leistung bekommen. Ein Big-Bore-Kit verhalf dem Motor zu neuen Höhenflügen, rund 100 PS bringt die Kiste nach der Revision auf die Piste.

Die nierenförmigen Lüftungsschlitze sind an alte BMW-Kühlergrills angelehnt

Obendrauf gab’s eine hydraulische Kupplung und einen neuen Vergaser. Neue Bremsen durften nicht fehlen – Doppelscheibe mit Radialsätteln vorn und hinten. Im Heck musste für die Aufnahme der Edelstopper gar die Schwinge ersetzt werden.

BMW R 100 RT – Räder und Schwinge lieferte Kineo

Für eine gelungene Linie auf gleicher Höhe wurde eine neue, kürzere Schwinge notwendig, Hilfe dafür kam von den Spezialisten von Kineo, die auch die Speichenräder lieferten. Lenker, Nummernschildhalter, Spiegel, Blinker und mehr wurde von Rizoma bezogen, da bleiben die Italiener dann doch ganz unter sich.

Biplane, der Doppeldecker: In der 1992er-BMW schlägt ein hochmodernes Herz, aufwendig getunt in der Tondo Garage in Ravenna. Die Fotos dagegen entstanden in alter Kulisse. Die Abbazia di Pomposa, ein historisches Benediktiner-Kloster, hatte uns dafür eine einmalige Fotogenehmigung erteilt

Damit war der technische Teil des Umbaus abgeschlossen und man hätte mit einem modernen Scramblerzufrieden geben können. Pustekuchen, Alessio stellte sich wieder quer, »normaler Scrambler, das macht ja mittlerweile jeder. Das will ich jetzt nicht mehr.« 

BMW R 100 RT – Aluminiumhülle mit riesiger Niere

In Alessios Kopf hatte sich die Idee einer Aluminiumhülle breitgemacht, die die BMW umschließen sollte. Vincenzo machte sich an die Arbeit und zeichnete einen Entwurf, der sich völlig von allem unterschied, was Alessio bisher an Ideen hatte. »Aber es gefiel ihm und so nahm das Ganze Gestalt an«, erzählt Vincenzo.

Gut zu erkennen: Über das Monocoque der Tank-Sitzbank-Kombination legte Vincenzo eine zweite Aluhaut, die mittels riesiger Niere auf die Vergangenheit von BMW anspielt

Der Customizer hatte es sich in den Kopf gesetzt, in der Verkleidung die Vergangenheit und Gegenwart von BMW widerzuspiegeln, doch je mehr er Arbeit ins Design steckte, desto mehr kristallisierte sich eher der Bezug von Vergangenheit und Zukunft heraus, »denn das eine wird es ohne das andere nicht geben.«

Zwei Hüllen, zwei verschiedene Zeiten

So sollten zwei Hüllen das Motorrad umschließen, die zwei verschiedene Zeiten repräsentieren, aber doch miteinander verbunden sind. Zunächst hatte Vincenzo Sorge, es mit dem Bodywork zu übertreiben, aber je mehr er daran arbeitete, desto mehr ließ er sich leiten, schon das Richtige zu tun.

Für Stadtverkehr und Landstraße gleichermaßen sollte die RT taugen. Dank getuntem Motor und besten technischen Parts ist das kein Problem, der Boxer ist hochgradig sportlich, wendig und dazu noch schön leicht

So entstand die untere Verkleidung vom Eigenbau-Tank bis zum spitzen Heck aus einem Stück Aluminium, das per Hand in die richtige Form gehämmert wurde. Darüber legte der Italiener am Tank eine zweite Aluhaut, die mit ihren »Luftschlitzen« Anleihen bei den historische BMW-Kühlergrills macht.

Deutsche Handwerkskunst trifft auf italienisches Design

Durch die sanfte Lackierung in neutralen, schwarzen und grauen Tönen, die von Gianfranco Filippini aufgetragen wurde, erscheinen die Formen noch plastischer. Am Ende haben deutsche Handwerkskunst und italienisches Design ganz gut zueinander gefunden.

Info |  IBcycles.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.