Der eine ist Customizer, der andere einer der bekanntesten Schauspieler Hollywoods. Was sie eint, ist die Liebe zu Motorrädern. Mit Arch Motorcycle leben sie ihren Traum und bauen sportliche »American Performance Cruiser«.

Hinter Arch Motorcycle stehen zwei Namen: Gard Hollinger und Keanu Reeves. Gard Hollinger, Jahrgang 1959, ist im Customizing ein alter Hase, der auf eine lange Karriere zurückblickt. Aufgewachsen am Mulholland Drive, dem Hot Spot für Motorverrückte in den Hügeln Hollywoods, entdeckte er früh seine Leidenschaft für alles, was zwei Räder hatte. Sein erstes motorisiertes Zweirad war ein sogenanntes Minibike, das gleichzeitig das erste sein sollte, das er modifizierte.

»Das war das Coolste, was ich jemals gesehen hatte«

Eine Art Initialzündung, die ihn auf einen Weg führte, den er trotz mancher Umwege nicht mehr verlassen sollte. Der Sechzigjährige erinnert sich, wie er auf der Rückbank des Familienwagens saß und beobachtete, wie zwei Chopper an ihnen vorbeifuhren, die Fahrer mit offenen Haaren im Wind. Helmpflicht gab es damals nicht. »Der Typ auf dem vorderen Bike nahm einfach während der Fahrt die Hände vom Lenker, zog sein T-Shirt aus und warf es in die Luft. Sein Kumpel, der dahinter fuhr, fing es auf. Das war das Coolste, was ich jemals gesehen hatte. Danach gab es nur noch Chopper für mich.«

Gard Hollinger und Keanu Reeves

Auch wenn er zwischendurch in anderen Branchen arbeitete und seine unternehmerischen Fähigkeiten ausbaute, so kehrte er doch irgendwann zu seinen geliebten Motorrädern zurück und gründete 1997 mit Ziggy Harley seinen ersten eigenen Shop, dem weitere Geschäftsbereiche folgten. Letztlich führten seine Aktivitäten zur Gründung von L.A. County Choprods, wo er seine eigene Vorstellung von Motorrädern umsetzen konnte. Die »Hard Rock« deutete schon 2006 an, in welche Richtung das spätere, gemeinsame Geschäft mit Keanu Reeves gehen würde – sportlichere, handlichere Motorräder mit eigenständigem Design.

Zwei Motorradbesessene entdecken ihre Gemeinsamkeiten

Der Schauspieler ist genau wie Gard Hollinger ein Motorradbesessener, der in seinen frühen zwanziger Jahren mit dem Motorradvirus infiziert wurde und inzwischen über eine beachtliche Sammlung verfügt. Irgendwann im Jahr 2007 trafen die beiden Individualisten zusammen und entdeckten ihre Gemeinsamkeiten. »Keanu kam zu mir und wollte, dass ich ihm eine Sissybar für seine 2005er Harley-Davidson Dyna baue.

Die KRGT-1 steht noch unter reichlichem Cruiser-Einfluss. 1S und Method 143 sind deutlich sportlicher ausgelegt

Er erzählt gerne die Geschichte, dass ich das ablehnen wollte, doch in Wahrheit entwickelte sich daraus tatsächlich eine Zusammenarbeit, bei der ich ihm die Möglichkeiten zeigte, wie man sein Motorrad umbauen konnte. Das war der Beginn unserer Freundschaft und das Motorrad, das ich im Laufe der Zeit modifizierte, wurde unser Prototyp.« Rund vier Jahre bauten beide an dem Prototyp, brachten ihre Ideen ein und veränderten immer wieder Details, bis alles fertig war. »Dabei wurde es am Anfang gar nicht Arch genannt, es war ein Choprod, etwas, was als 2005er Dyna angefangen hatte.«

Arch Motorcycle und die Idee des »American Performance Cruiser«

Für Keanu die Gelegenheit, Gard davon zu überzeugen, weiterzumachen und etwas Neues zu wagen. Schon vorher hatte Gard Hollinger sich mit CAD-designten Motorrädern beschäftigt und ein Conceptbike im Hinterkopf. Zurückgehen wollte keiner von beiden und die Idee eines »American Performance Cruiser«, bei dem alles umgesetzt werden sollte, was diesen Motorradenthusiasten vorschwebte, gipfelte konsequenterweise in der Gründung von Arch Motorcycle im Jahr 2011. Noch nicht einmal knapp vier Jahre später, Ende 2014, stellte Arch Motorcycle sein erstes Modell vor, die KRGT-1.

Das »Grundmodell« KRGT-1 wurde erst im Spätjahr 2019 aufgefrischt und mit neuen Parts versehen

Was zeichnet die Motorräder der kleinen Manufaktur heute aus? Vor allem Handarbeit, was auch den relativ hohen Preis der Modelle erklärt. Dazu kommen ausschließlich hochwertige Komponenten von anerkannten Herstellern und natürlich jede Menge Parts aus eigener Produktion, in deren Entwicklung Zeit und Geld investiert werden muss. Rund neunzig Tage dauert es ab Bestellung, bis ein neues Arch-Modell ausgeliefert wird. Dabei wird der Kunde zum Teil in den Entstehungsprozess mit einbezogen, vor allem in Hinblick auf die Ergonomie. Heute sind bei Arch Motorcycle drei Modelle erhältlich:

Arch Motorcycle – KRGT-1

Das »Grundmodell« wurde erst im Spätjahr 2019 aufgefrischt und mit neuen Parts versehen. Als Antrieb dient ein zwei Liter großer V-Twin von S&S (124 Kubikzoll), der, je nach Konfiguration, um die 140 PS leistet und mehr als 165 Newtonmeter an die Kurbelwelle liefert. Mehr als zwanzig Änderungen und über einhundertfünfzig neu designte und hergestellte Komponenten verspricht der Hersteller gegenüber dem Vorgänger.

Als Antrieb von KRGT-1 und 1S dient ein 124 Kubikzoll großer V-Twin von S&S, der, je nach Konfiguration, um die 140 PS leistet und mehr als 165 Newtonmeter an die Kurbelwelle liefert

Das Chassis besteht nach wie vor aus einem Rundrohrrahmen mit einem CNC-gefrästen Hilfsrahmen und einer Schwinge. Am Frontend setzt man auf eine Öhlins-Gabel, kombiniert mit ISR-Sechskolbenbremszangen und ABS. Im Vordergrund standen bei der Entwicklung der überarbeiteten KRGT-1 vor allem Gewicht, Performance und Handling, was auch die Carbonräder erklärt. 

Arch Motorcycle 1S und Method 143

Die Arch Motorcycle 1S kommt ein gutes Stück geschärfter daher. Im Vergleich zur KRGT-1, die noch Curiser-Gene in sich trägt, ist diese Variante wesentlich aggressiver und sportlicher konzipiert. Ihr Rahmen ist ein Materialmix aus Leichtmetall und Stahl, die Einarmschwinge besteht aus Aluminium. Öhlins- und ISR-Teile sowie der wuchtige Motor sind identisch mit der KRGT-1. Carbonräder und eine gefräste Tankeinheit dürften sie mindestens genauso teuer machen. 

Alter Schwede: FGRT Gabel und voll einstellbares Federbein von Öhlins, radiale Sechskolben-Monoblock-Stopper von ISR

Doch die Kalifornier können noch eins drauflegen und präsentieren mit der Method 143 die aus unserer Sicht bisher stimmigste Arch. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Spezialisten Suter wurde eine neue Einarmschwinge konstruiert. Das übrige Chassis besteht aus Kohlefaser, der Tank ist in den Rahmen integriert. Befeuert wird das Hightech-Bike von einem 143 Kubikzoll (2343 ccm) großen V-Zweizylindermotor mit 160 PS Leistung und 204 Newtonmeter Drehmoment.

Arch Motorcycle – Unter 100.000 Euro geht nix

Über den Preis schweigen sich die Kalifornier als Gentlemen aus. Doch falls man überhaupt noch in den Genuss des auf dreiundzwanzig Stück limitierten Modells kommen sollte, ist in jedem Fall eine sechsstellige Summe fällig. Zumindest soviel ist bekannt: Zu Zeiten des Trumpschen Handelskrieges mit der EU waren inklusive Strafzöllen für die KRGT-1 knapp 145.000 Euro fällig. Die Nettopreise der drei Modelle liegen zwischen 84.000 und 95.000 Euro, das heißt unter 100.000 Euro brutto geht hierzulande nichts.

Das bislang schärfste Schwert von Arch Motorcycle: Method 143 mit 2,3-Liter-V2 von S&S

Allerdings geht hierzulande seit Einführung der Euo-5-Norm ohnehin nichts mehr, selbst wenn man das nötige Kleingeld besitzt. Speedbox, der hiesige, in der Schweiz ansässige Arch-Importeur, erzählt uns vom Zulassungselend: »Der S&S-Motor wäre theoretisch Euro-5-tauglich, allerdings ist für diese Norm ein Onboard-Diagnosesystem vorgeschrieben, das es nicht gibt. Und bei den geringen Stückzahlen ist es natürlich wirtschaftlicher Unsinn, extra eines zu entwickeln.« Somit bleibt es bei den bislang – noch mit Euro-4 zugelassenen – sieben Archs in Europa. Immerhin zwei davon stehen bei Speedbox aktuell zum Verkauf.

Morgen gibt’s dann an gleicher Stelle noch ein Interview mit Keanu Reeves zum Thema Arch …

Info | archmotorcycle.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.