Wer wünscht sich das nicht – ein absolutes Einzelstück, nie zuvor und nie wieder danach gebaut. Norbert besitzt sowas in Gestalt einer AME-Zündapp und weiß: »In diesem Fall ist der Hubraum völlig egal.«

Michael Lemm will es zunächst nicht recht glauben. Der Kerl am Telefon aber wiederholt und sagt: »… doch, du hast es gewonnen, das Easy-Rider-Mofa!« Jetzt fällt es Michael wie Schuppen von den Augen – stimmt, da war was – vor gut einem Jahr. An der Umfrage der deutschen Jugendzeitschrift »Easy Rider« hatte er mitgemacht. Und nun gewonnen. Kurz ist er sprachlos, dann krächzt er »Wahnsinn« in den Hörer.

Im Januar 1982 ist die AME-Zündapp abholbereit

Der Anruf kommt im Spätjahr 1980. Michael ist da bereits siebzehn. Eigentlich denkt der Autoschlosserlehrling zu diesem Zeitpunkt an ein Auto und ein ausgewachsenes Motorrad – jedenfalls ans eigene Auto. Und jetzt … im Januar 1982 ist das Chopper-Mofa abholbereit und der junge Mann aus Au am Rhein wird Besitzer eines einzigartigen Fahrzeugs. Easy Riders damaliger Technik-Mitarbeiter heißt Gert Bender. Der Rennfahrer ist amtierender deutscher Meister der 125er Rennklasse und hat reichlich Erfahrung bezüglich Eigenbauten.

Wie bei einer Großen. AME in Schaumburg baute den Mini-Chopper exakt nach den Vorbildern seiner bekannten großen Chopper

Und auch wenn diese eigentlich eine ganz andere Richtung vorgeben, ist Bender trotzdem fähig, Leserideen zu analysieren – und sie der Firma AME klarzumachen. AME ist damals Deutschlands bekannteste Chopperschmiede. In Schauenburg bei Kassel, der Heimat von AME, entsteht in den Folgemonaten also dieses Sahnestück. Beeindruckend umgesetzt und für die Straße legalisiert. Alles daran ist wie an den großen AME-Choppern ausgeführt: Sonderlack mit AME-Tankgemälde auf dem Mustang-Tank, die rote wildlederne Spezialsitzbank mit den Chromnieten.

Wer würde gewillt sein, ab 3.500 D-Mark dafür auszugeben?

Chrom auch an allen Gabelteilen, dem T-Lenker, auch an der Hinterradschwinge und an der Bremstrommel. Selbst an dem 50-ccm-Motörchen, das aus Zündapps ZD-50-Mofa stammt, glänzt jetzt reichlich Chrom. Große Pläne stehen im Raum. Die Macher des Magazins und AME stellen sich eine Kleinserie vor. Doch der Preis? Wer würde gewillt sein, ab 3.500 D-Mark dafür auszugeben? Eine weitere Umfrage im Heft soll das noch klären. Michael jedenfalls ist fein raus. Er holt seinen gewonnenen Chopper in den Nordschwarzwald und fährt ihn, bis er den Autoführerschein in der Tasche hat.

Als Basismotor dient ein Zündapp-Zweitakter …

Das Zündapp-AME-Einzelstück kommt danach als Deko in eine Pforzheimer Bikerkneipe. Hier steht sie in einer Wandvertiefung hinter Glas und ist vor Zigarettendunst und neugierigen Händen geschützt. Als das Lokal dichtmacht, übernimmt ein Motorradsammler das Chopperchen für sein Privatmuseum. Des einen Leid ist des anderen Freud: Irgendwann veräußert die Witwe des Sammlers dessen Devotionalien. Über den Hinweis des Szenegängers »Buddel« geht das Easy-Rider-AME-Mofa diesmal an Norbert Edinger. Der ist Betreiber der »Moped Garage« im badischen Neulußheim. Auch er sammelt, hat momentan schon über 160 Mopeds und Mofas, vorwiegend Raritäten.

Nach Jahrzehnten beginnt die Wiederbelebung der AME-Zündapp

Norbert will natürlich die Historie zu seinem Neuerwerb ausgraben. Er sucht und findet Kontakt zu dem ursprünglichen Gewinner via Facebook, macht sich an die Wiederbelebung des Mofas: Ölwechsel in Gabel und Motor sind nach so langer Standzeit obligat. Ärger macht die Vorderbremse. Sie ist fest, braucht Kolbendichtungen. Neue Beläge gibt’s gleich mit. Teilweise festgerostete Bowdenzüge sind durch eigene Maßanfertigung zu ersetzen, genauso wie die seinerzeit so trendigen Chromspiralhüllen. Deren Optik hatten Versprödung, Bruch und Gilb ganz schön zugesetzt. Der Mopedteile-Profi findet manches im eigenen Sortiment.

… dazu kommen MustangTank, T-Lenker, viel Chrom an Motor, Lenker, Schwinge oder Bremstrommel …

Probleme zeigen sich, nach Vergaser Reinigung und Luftfiltertausch, als das Teilchen einfach nicht hochdrehen will. Es hilft kein Zündkerzentausch, keine Zündungsüberprüfung: Der Hase liegt sprichwörtlich im Ansaugweg und in den Schalldämpfern begraben. Verstopft … Das war alles zu sehr auf Viertaktmotor zugeschnitten. Da hatte AME wohl nicht miteinkalkuliert, dass ein Zweitakter auch geringe Mengen an Ölnebel mit ausscheidet. Nachdem dauerhaft verbesserte Luftzufuhr gewährleistet, die Tröten von Ölkohle gereinigt und die hochragenden Rohre mit einem tiefliegenden Abtropfloch im Sammler versehen waren, war endlich freie Fahrt möglich.

AME-Zündapp – mit Topspeed zum Fotoshooting

Zu unserer Fotolocation prügelt Norbert sein 1,4-PS-Schätzchen mit Topspeed. Er erzählt von der Restaurierung, auch von anderen Sammlungsexponaten, erzählt von Reproduktionen, dem Prototypenbau seiner Nachfertigungsaktionen … in eigener Fertigung … auf 2000 Quadratmetern in separater Halle; aber auch in Österreich und Italien, bei den Originalproduzenten und Zulieferern der einstigen Mopedhersteller.

… und ein aufwendiger Sonderlack. Zur geplanten Serienfertigung kommt es allerdings nicht, so bleibt das hier ein Unikat

Der Chef erwähnt Ausstellungen, Messen, Rennen, Radio- und Fernsehauftritte seiner »Moped-Garage«. Doch Norberts Begeisterung für die kleinen Chromblitze hat durch sein Fulltime-Engagement als Firmenleiter keineswegs gelitten. Norbert Edinger kann sich über die kleinen Fluchten mit seinem Easy-Rider-AME-Chopper freuen. »Er ist einmalig!« Ja richtig, daran gibt es nichts zu rütteln. Denn … zu der geplanten Serienfertigung ist es nie gekommen.

Info |  moped-garage.net

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.