Ton Beerepoot ist Kunstschmied und Autor. Seine Freunde nennen ihn Beer. Er baut Chopper, fährt Chopper, lebt Chopper – schon sehr lange

»Mein Leben war eine Achterbahn, zum Glück mit mehr aufwärts als abwärts, und ich bin zutiefst geehrt, hier etwas darüber erzählen zu dürfen.  Gut, lasst mich überlegen, wie war damals?  Schon 1979 hatte ich ja unseren Club mitbegründet, Chopper waren eben immer mein Lebensinhalt und – aaah, wie lange schon …? Sagen wir mal so: Vor 30 Jahren war ich schon eine Zeitlang Biker – und ich war zwei Jahre vorher zum ersten Mal in Sturgis gewesen. Dort fand ich einen Lifestyle wieder, den wir in Europa irgendwie verloren hatten.

Beer und die schwedischen Chopper

Jahre vor diesem Besuch in den USA und in Sturgis hatten meine Freunde und ich begonnen, mit unseren Choppern nach Schweden zu fahren, drei- bis vierwöchige Trips, jedes Jahr. Wir wurden dort mit einer Welt konfrontiert, die wir so noch nirgends gesehen hatten. Schwedische Biker waren so freundlich und sie waren sogar interessiert an uns Holländern auf unseren groben Choppern. Wir erlebten eine unglaubliche Gastfreundschaft: Du brauchtest nur einen Chopper zu fahren und die Clubhaustüren standen dir offen – in jeder Stadt, in der wir pausierten! Und wir waren fasziniert von den Choppern, die diese Kerle bauten, unglaublich cooles Zeug! Aber die Aufgeschlossenheit der schwedischen Clubs hielt nicht an: Über Nacht wandelte sich die Szene und die gleichen Clubhaustüren blieben zu, außer man gehörte zu den engen Freunden.

1979: Der junge Beer fährt Yamaha, Chopper natürlich, selbstgebaut natürlich. Dieser Maxime ist er bis heute treu

1990, fünf Jahre nach unseren »guten Zeiten« in Schweden, war ich also mit meinem besten Freund und Clubbruder Schweik (RIP) zum ersten Mal in den Staaten. Chopper schienen langsam von den Straßen zu verschwinden – so dachten wir –, bis wir auf unserem Weg an die Westküste auf einen amerikanischen Club, die Outsiders, trafen. Schon beim ersten Anblick wussten wir: Die sind echt! Bärtige wilde Langhaarige auf noch wilderen Choppern. Wir wurden in ihr Clubhaus eingeladen und hatten uns schlagartig in die Welt dieser Männer verliebt.

Das erste Mal in die USA

Die Outsiders waren die aufrechten Biker, die in unserer Vorstellung existierten, seit wir als 16-jährige Kids zum ersten Mal eine »Easyriders« in den Händen hielten. Und diese Outsiders hatten Freunde; andere Clubs, die genauso immer noch am Chopperbau festhielten. Diese Kerle zelebrierten die wahre Bruderschaft mit einem Leben voller Partys und Reisen. Wir waren also per Zufall auf eine Szene von mindestens dreißig bis vierzig Chopperclubs im Nordwesten der USA gestoßen: Clubs, die in den ganz frühen Anfängen gegründet wurden. Clubs mit Namen wie Brother Speed, The Righteous Ones, Free Souls, Branded Few, Barons …

Die ersten Touren führten Beer jedes Jahr nach Schweden, gecampt wurde wild in der Natur

Eigentlich bleibt der Zugang zu dieser speziellen Clubszene Fremden wie uns verwehrt. Doch ich denke, die Tatsache, dass uns die Outsiders – die damals als die ungehobeltsten der Horde galten – bereits akzeptiert hatten, erleichterte es uns, in diese Welt einzutauchen. Also haben wir so weitergemacht, besuchten andere Clubs auf unserem Weg durch die ganze Neue Welt. Wir fanden eine Unterkunft überall, wo wir anhielten, genossen das echte Bikerleben im Extremen. Unser Traum war wahr geworden.

Unfrieden zwischen den europäischen Clubs

Zurück in Europa versuchten wir hier das Gleiche zu praktizieren, doch die Situation war eine andere: Wir fanden uns in einer Welt wieder, die unsere amerikanischen Freunde längst hinter sich gelassen hatten. In Europa herrschte immer noch eine Menge Unfrieden zwischen den Clubs … und viel Gewalt. Das war einer der Gründe, dass einem keiner mehr vertraute. Was wir damals in Skandinavien erlebt hatten, war scheinbar total verloren gegangen. Aber beharrlich und stur wie meine Clubbrüder und ich damals schon waren, dachten wir, dass es doch immer noch möglich sein müsste, Gleichgesinnte und Freunde zu finden und somit eine ähnliche Welt zu schaffen, wie wir sie zuletzt in den Staaten erlebten.

Den wahren Spirit fand er aber in den USA, zum Beispiel bei den Outsiders, deren Member auch durchaus mal Waffen trugen

Wir suchten explizit nach Leuten und Clubs, die genauso wie wir die alten Bikerprinzipien lebten. Wir suchten das Gespräch bei einem Drink auf Partys und wenn es »klick« machte, fragten wir sie, ob wir sie mal besuchen könnten auf unseren Touren. Wenn sie uns dazu willkommen hießen und  Interesse zeigten, luden wir sie zu uns ein, tauschten Anschriften und sorgten dafür, dass sie jedes Jahr Einladungen zu unseren Treffen bekamen. Und das funktionierte: Es existierten unzählige dieser Ol’-Skool-Biker; überall, in ganz Europa!

Schritt für Schritt verbindet Beer sich mit mehr Leuten

So legten wir peu à peu immer mehr Leute frei, die sich in unser Bild von einer idealen Bikerwelt einfügen ließen, die Ähnliches praktizierten, wie wir es aus den USA und dem Schweden der frühen achtziger Jahre kannten. Selbst unsere Beziehungen zu MCs, die vorher nicht wirklich zu unseren Freunden zählten, wurden um einiges besser! Wir suchten speziell hier in meiner Heimat Holland die Gespräche und lernten, dass auch sie nur Menschen sind.

Besuch im Clubhaus: Kein Club hat Beer so sehr geprägt, wie die Outsiders. Hier fand er den Biker-Lifestyle, der in seiner Vorstellung schon existierte, als er mit 16 seine erste »Easyriders« las

Doch während wir an unserem Lifestyle festhielten, entwickelten sich andere MCs weiter, »gingen mit der Zeit«, wie sie es ausdrückten. Gerade die Chopper, aber auch viele andere Dinge, von denen meine Freunde und ich dachten, sie wären wichtig, verschwanden in der übrigen Welt der MCs um uns herum fast vollständig. Da gab es kaum noch abgerissen aussehende Tramps, die Clubbiker sahen jetzt langsam aus wie gestriegelte Playboys. Anstatt selbstgebauter Lowbudget-Chopper, gingen sie dazu über, teure Bagger zu fahren.

Zeiten ändern sich

Wenn Peter Fonda im Film »Easy Rider» symbolisch seine Uhr weggeworfen hatte, um Freiheit zu demonstrieren, liebten es die neuen Hardcore-Biker jetzt, Armbanduhren zu tragen: große goldene  Rolex … oder andere goldene Schmuckstücke. Jedem das seine, die Zeiten ändern sich eben, aber ich persönlich denke, dass sich die Szene zu weit vom Ursprung entfernt hat!

Immer wieder Schweden: Mit Freunden vor dem Tor von Custom Cycles in Uppsala …

Die neue MC-Szene begann zu wachsen. Und ja, sie wuchs wie verrückt! Plötzlich mussten sie alle unzählige Chapter haben und auch neue Clubs tauchten überall auf. Während wir lange Zeit nur acht Clubs in Holland hatten, sind es heute fast hundert. Meine Freunde und ich zählen zu einer Minderheit. Die wenigsten Einprozenter-Biker sind noch wie wir. Manche bezeichnen uns deswegen als altmodisch – ich würde es Ol’ Skool nennen. Doch wisst ihr was? Das geht uns am Arsch vorbei! Wir lieben es wirklich, zu den wenigen zu gehören … zu den wahrscheinlich nur zwei Prozent aller Biker, die diesen alten Lifestyle leben. Und wir sind stolz darauf, wer wir sind und wissen, dass es weltweit viele Gleichgesinnte gibt.

Beer, der 2%er

Wie könnte also eine Möglichkeit aussehen, sich gegenseitig leichter zu erkennen? Sind es die Chopper, die ja im Zentrum unserer Existenz stehen? Wir starteten unseren Blog, stellten auch dort die Chopper in den Mittelpunkt und entwickelten auch ein aussagekräftiges Kennzeichen: das 2%er-Patch zum Aufnähen! Den neuen Türöffner! Ihr wollt wissen, wofür das Zeichen steht? Nun: Nur zwei Prozent aller Biker fahren und bauen noch Chopper! Es dreht sich bei uns alles um die Bikes, in diesem Fall um die Chopper. Sie sind das Wichtigste in unserer Oldschool-Welt. Chopper halten uns alle zusammen. Wir entschieden bald, dass unser 2%er-Patch nicht nur Clubmitgliedern vorbehalten sein soll, sondern vielmehr alle Chopperfreunde auszeichnen könnte.

… Oder auf der Party des Sofia Hogs MC, dem ältesten schwedischen Chopperclub

Und wisst ihr was? Er ist genügend Platz- um diese Oldschool-Szene noch weiter zu vergrößern. Speziell jetzt könnten wir sie richtig ans Laufen bringen, sodass sie bald der Welt entspricht, in die Schweik und ich vor 25 Jahren in den Staaten eingeführt worden sind. Es wird harte Arbeit sein, aber wir sind ja nicht länger allein. Und ja, wir können jetzt mit unerwarteter Hilfe rechnen: Es ist etwas geschehen, von dem niemand dachte, dass dies wirklich noch irgendwann passiert.

Eine neue Generation

Wir durften Zeuge werden, beim Start einer neuen Generation von Bikern: Ex-Skatern, BMXern und anderen jungen Draufgängern, die sich dem Lifestyle der Chopperfahrer aus den siebziger Jahren verschrieben haben. Seht euch um: Sie sind überall! Ich denke, anfangs war denen nur ihr eigener Look wichtig und das Aussehen ihrer Bikes den Siebzigern angepasst. Doch jetzt entscheiden immer mehr dieser Youngsters, auch so zu leben; ihre Chopper wirklich zu fahren, viel zu fahren, auch lange Strecken! Sie halten die Kosten niedrig und beginnen, Gleichgesinnte zu besuchen, um mit ihnen zu feiern. Sie fangen an, das Gleiche zu machen wie wir.

Schrauben, fahren, feiern: Beer lebt den Chopperspirit mit ganzem Herzen und bis heute

Zunächst blieb diese »Neue Generation« unter sich. Aber momentan ist diese Szene am Kapieren, dass es da auch noch was gibt, was außerhalb ihrer eigenen Welt gelebt wird, dass diese Bikerwelt, die sie bisher ja eigentlich nur aus alten Magazinen und Filmen kennen, wirklich existiert. Die Kerle fanden heraus oder bemerken jetzt zunehmend: Diese von ihnen so ersehnte alte Szene ist bereits vorhanden. Und diese alte Szene agiert und lebt genauso, wie sie das selbst jetzt vorhaben.

Chopper als gmeinsamer Nenner

Ja, Freunde, hier reden wir von mir, meinen Freunden und unseresgleichen, die dieses Leben all die Jahre aufrechterhielten: Biker, die das einst begonnen hatten. Biker, die immer noch Chopper fahren und bauen, die nie von ihrem Weg wichen und allzeit zu den traditionellen Bikerwerten standen. Sie haben uns entdeckt und wir sie … und zur Hölle, ja wir, die »golden Oldies«, sind begeistert darüber! Wir treffen uns seit kurzem mit ihnen, feiern zusammen und ich denke, es ist eine gute Entwicklung. Unser gemeinsamer Nenner ist der Chopper!

Die Haare waren lang, die Jeans eng, die Chopper laut: Fachsimplen mit schwedischen Bikern in den Achtzigern beim Mothers Harley Shop im schwedischen Göteborg

Chopper bauen und fahren verlangt eine Menge Hingabe, das ist nichts für jedermann. Wenn du also jemanden auf einem Chopper triffst, wirst du wahrscheinlich vieles mit dieser Person gemeinsam haben, so wie es auch schon in den alten Tagen war. Einen Chopper zu haben, macht dich irgendwie zum Freigeist und zu einem der Echten. Einen Chopper selbst gebaut zu haben und mit ihm überall hinzufahren, ja, das macht das meiste aus deinem Leben, das ist es, was die Leute verbindet, damals wie heute.

Chop, Ride & Party

Also ihr Chopperliebhaber: Es ist Zeit eure Bündel zu packen, fahrt eure verdammten Chopper, besucht die alte Clubs, die sich immer noch mit Choppern abgeben und habt dabei eine gute Zeit. Trefft euch mit Leuten, die wissen, worüber ihr redet. Ich denke, die alten Kerle werden es lieben, wenn die Jungen vorbeikommen, ich jedenfalls tue das. Die Welt kann dir gehören – mach es einfach: Chop, ride and party!«

Beer hat gemeinsam mit seiner Frau schon 2017 ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben und fotografiert, es hieß wie sein Lebensmotto: »Chop, Ride & Party Yearbook«. Mittlerweile gibt es mehrere Bände seiner 2%er Roadbooks, ihr könnt sie direkt bei Beer oder über Zodiac bestellen. Beers Club ist der Rogues MC aus den Niederlanden, den Blog der Jungs findet ihr hier: Rogues MC.

 

 

Beerepoot/Heiler