Vierzylinder Automotoren im Zweirad: Die Automotor-Motorradschrauber aus Bad Bramstadt mit ihren Einzigartigen Bikes
»Da musst du einfach hin«, hatte mir Guzzi-Stephan fasziniert geraten, »da bauen zwei Rentner Automotoren in Motorrad-Fahrgestelle, quer, längs, und so was von sauber.« Diese ungespielte Begeisterung machte mich neugierig. Noch am gleichen Tag rief ich bei Günther, einem der vermeintlichen Eigenbauer aus dem norddeutschen Bad Bramstedt, an und vereinbarte einen Termin. In der riesigen Halle des pensionierten KFZ-Meisters angekommen, trifft mich fast der Schlag. Die stattliche Privatsammlung des Rentners umfasst rund 15 NSU-Autos – vom Prinz 4 bis zum Ro 80 – und ein paar feine NSU-Motorräder aller Epochen.
Dazwischen parkt stolz ein Eigenbau-Gespann, welches Auto und Motorrad gekonnt vereint. Unübersehbar und in alter Münch-Tradition trägt es den Vierzylinder-Motor eines NSU zwischen den Rahmenrohren. Die Idee, Automotoren in Motorrad-Fahrgestelle einzubauen, war vor allem in den Sechziger Jahren populär. Als es kaum schnellere Gespannmaschinen als die 42 PS starke BMW R 69 S gab, mussten sich die Alltagsfahrer halt etwas einfallen lassen. Nicht erst als Friedel Münch 1966 sein Mammut präsentierte, waren Automotoren in Krädern in aller Munde.
Automotoren im Zweirad – Power-Krad
Wieso Günther diesen riesigen Kraftakt unternommen hat, den TT-Vierzylinder in ein Guzzi 850 GT-Fahrgestell zu verpflanzen, will ich wissen. »Ich wurde schon in der Jugend geprägt«, erklärt Günther, der seit 1968 bei einer NSU-Vertretung auf dem Hamburger Mittelweg gearbeitet hat. Doch nicht allein die reine Tat macht sein Gespann so sehenswert. Das Ganze hat der Schrauber so elegant und formschlüssig verpackt, dass die gesamte Maschine wirklich stimmig aussieht.
Die Zahl der handwerklichen Glanzleistungen geht ins Unermessliche. Meine Blicke streifen den selbstgefertigten, komplexen Primärdeckel, den Kettenzwischentrieb zur Lichtmaschine, den optimierten Ural-Seitenwagen mit Tür und erweitertem Fußraum. Ich wundere mich über den mächtigen Gabelstabilisator, die aus Einzelteilen verschweißten Edelstahl-Fächerkrümmer oder die Sitzbank, in die der Perfektionist zwei NSU-Rückleuchten integriert hat.
Günther mag es gerne etwas flotter und hat dem TT-Motor kräftig auf die Sprünge geholfen. Er überarbeitete die Zylinderköpfe, erhöhte die Verdichtung und bestückte das Aggregat mit der Viervergaser-Anlage einer Suzuki GSX-R 1100. Das Resultat dieser Maßnahmen ist eine Motorleistung von 90 PS. »Der dreht bis 9000 Umdrehungen«, weiß der Rentner. An das Powerpack hat er ein NSU-Konsul-Viergang-Getriebe gekoppelt, das die reichlich eingeschenkte Kraft über eine Rollenkette zum Hinterrad überträgt.
Nicht nur der TÜV-Prüfer zeigte sich begeistert von dem einzigartigen Dreirad. Die Aussage eines Münch-Besitzers auf einem Motorradtreffen hat Günther besonders stolz gemacht: „Als zwei Passanten meinen Eigenbau entdeckten, riefen sie: Hey, das ist ja eine halbe Münch. Darauf meinte der daneben parkende Münch-Fahrer: Nee, das ist eine anderthalbfache Münch.“ Wie lange er denn wohl an dem Projekt getüftelt hat, brennt es mir auf der Seele. Günther grinst: »Ist über den Winter fertig geworden. So lange kann ich mich da schließlich nicht dran aufhalten. Ich bin schon länger alt.«
Automotoren im Zweirad – Längseinbau
Weiter geht es zu Günthers Kumpel Bruno, ebenfalls ein KFZ-Meister im Unruhestand, der in seiner Garage ein paar Straßen weiter auf uns wartet. Garage? In dieser antiseptisch cleanen Halle steht fein säuberlich aufgereiht die Moto Guzzi-Collection des 69jährigen, dazwischen eine voll versenkbare Hebebühne. Im hinteren Raum befinden sich eigenhändig restaurierte Dreh- und Fräsbänke sowie ein geordnetes Teilelager. Bruno hat gleich zwei Bikes mit Auto-Aggregaten aufgebaut. Als Basis verwendet auch er Fahrgestelle von Guzzi. Noch im Bau befindet sich ein Bike mit längs eingebautem NSU-Motor. Sein anderes Projekt, fertiggestellt vor vier Jahren, wird befeuert von dem 1200 ccm Vierzylinder-Grauguss-Motor eines Opel Kadett.
45 niedertourige PS leistet das »Nähmaschinchen«, das im Ruf steht, unkaputtbar zu sein. Anders als Günther bevorzugt Bruno auch hier den Längseinbau. »Einerseits interessieren mich Vierzylinder der 20er Jahre, außerdem hat Moto Guzzi von 1952 bis 1954 selbst eine Rennmaschine mit längs eingebautem 500 ccm-Vierzylinder gebaut.» Dem Italo-Sammler geht es weniger um Hochleistung.
Er liebt die beschauliche Gangart und stattet seine Bikes mit touristischem Zubehör im klassischen Design aus. Zwischen weit heruntergezogenen Fendern, Suchscheinwerfern und Isabella-Tacho („Ich habe 1956 bei einer Borgward-Vertretung hier im Ort gelernt.“) befindet sich allerdings eine ähnlich aufwändige Technik wie in Günthers NSU-Umbau. Um den großen, wassergekühlten Opel-Motor einbauen zu können, musste der 850 GT-Rahmen um 25 Zentimeter verlängert werden. Geschweißt hat die Rohre das Luftfahrttechnische Institut in Hamburg, selbstverständlich blitzsauber und mit Gutachten. »Man kämpft da um jeden Millimeter«, zeigt Bruno auf die schmale Eigenbau-Wasserpumpe und die stark verrippte Alu-Ölwanne.
Ein teurer Spaß
Da der Opel-Motor nur drei Auslass-Ports hat, Bruno aber unbedingt die Optik der vier Auspuffkrümmer haben wollte, baute er ein Zwischenteil aus Aluminium. Als Getriebe wählte er ein BMW-/6-Räderwerk, dessen Übersetzung bei der Firma Kayser angepasst wurde. Daher hat das ehemalige Fünfgang-Teil jetzt nur noch vier Gänge. »Hat alleine 3000 Euro gekostet«, so Bruno über die Kosten eines solchen Projekts. Durch den Längseinbau konnte der Bad Bramstedter den Kardanantrieb beibehalten.
Stephans Begeisterung über die Schrauber-Crew aus Bad Bramstedt hat sich mittlerweile voll auf mich übertragen. Ruhestand scheint schön zu sein.
Ich stehe auch total auf Motorräder mit Automotoren. Habe selber 4 Stück 😁
Der Opel sieht top aus.