Yanivs Evan hat schon viele gute Bikes gebaut – diese Harley-Davidson Panhead ist exemplarisch für seinen Stil

»Indian Larry und Shinya Kimura!« Es kommt wie aus der Pistole geschossen, als wir Yaniv Evan nach seinen Vorbildern fragen. Und eigentlich hätten wir es ja auch selbst wissen müssen. Ein Tribute-Bike zu Gunsten von Legende Larry hatte der gebürtige Israeli doch schon vor ein paar Jahren gebaut. Und dass die Handwerkskunst eines Kimura Vorbild für alle ist, die selbst am liebsten Metall bearbeiten, ist auch klar.

Dieser Panhead Chopper ist ein Ausnahme-Bike

Es ist einige Jahre her, als wir Yaniv das letzte Mal in seiner Werkstatt »Powerplant Choppers« in Hollywood besucht hatten. Und eigentlich war für den diesjährigen Trip nach SoCal ein Besuch bei ihm nicht vorgesehen. Doch als wir kurz zuvor Yanivs Panhead Chopper sehen, ruft dieses Bike eine Faszination hervor, der wir uns nicht entziehen können. Also planen wir die Stadt der Engel doch wieder ein, um dieses Ausnahme-Bike für unsere Leser im Bild festzuhalten.

Der Doppelvergaser mit der Bezeichnung „Dual Throat“ stammt, ebenso wie der Motor, von S&S

Gerade rechtzeitig, bevor die »P-16« getaufte Maschine auf die nächste Show gebracht wird. Yaniv ist dementsprechend very busy, aber so kennen wir ihn bereits. Wie einer dieser Flummibälle hüpft er umher, schneidet Grimassen, redet und redet, begrüßt Leute, die zu Besuch kommen, telefoniert und klärt uns zwischen all dem Wahnsinn über sein neuestes Werk auf.

Komplett handgemachtes Custombike im Stile der 60er-Jahre

Um seine Vorstellungen eines komplett handgemachten Custombikes im Stile der 60er-Jahre auf die Straße zu bringen, suchte Yaniv sich für den technischen Bereich zwei Firmen als Partner. Er wusste, dass er allein mit der Ausarbeitung seiner optischen Vorstellungen zeitlich ausgebucht sein würde, er musste also die motorseitigen Arbeiten an Experten abtreten. S&S und Baker Drivetrain sind die zwei Companys, die das Projekt unterstützten.

Das minimalistische Lackschema mit Edelstahl natur, ein bisschen Dunkelblau und goldenen Stripes findet sich am ganzen Bike

So lieferte S&S einen seiner 94cui-Panhead-Series-Aggregate nach Hollywood, und Baker kümmerte sich um das Vierganggetriebe für den V2. »Ich bin beiden Partnern zu großem Dank verpflichtet« erklärt der Top-Customizer. »Sie haben nicht nur die Parts geliefert, sondern waren immer bereit, mich mit Ratschlägen zu versorgen, als ich das Bike zusammenbaute.« Doch bevor das so weit war, stand ein ungeheures Arbeitspensum vor Yaniv – neben seinem normalen Tagesgeschäft wohlgemerkt.

Harley-Davidson Panhead mit Eigenbau-Starrrahmen

Basis für den Kracher ist der eigenhändig gefertigte Starrrahmen mit einfachem Unterzug, für den der Kalifornier nahtlosen DOM-Stahl – einen gerollten, harten Werkstoff – verwendete, den er mit seinen eigenen Bearbeitungsmaschinen auf die gewünschte Form biegt. Es folgte wochenlange Handwerksarbeit. Die fast 70 Jahre alte, originale Springergabel, die der Perfektionist selbstverständlich komplett überarbeitet und poliert hat, stellte er eng an den Gooseneck-Frame, die Gabelrohre enden quasi im Nichts. »Bei so einem Aufbau darf man niemals eine Vorderbremse verbauen, das würde jedwede Authentizität verpuffen lassen«, erklärt Yaniv, der zumindest hinten gnädigerweise eine Trommel bremsen lässt.

Die Lampenmaske war eine Menge Arbeit, die Form wurde mit dem Hammer aus Blech getrieben

Doch bleiben wir am Frontend. Der sanft gebogene Lenker besitzt eine Form, auf die Yaniv einen Geschmacksmusterschutz angemeldet hat. „Meine Entwicklung, mein Markenzeichen, handgefertigt“, erzählt er stolz. Der Lenker steht in perfekter Harmonie mit der eigenwilligen Lampenmaske, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, aber auf den zweiten Blick perfekt an dieses Motorrad passt. Auch sie ist natürlich ein eigens gefertigtes Teil, für dessen Formen Yaniv eine Metallplatte zurechtbog, um anschließend mit dem Hammer die endgültige Form herauszudengeln.

Edelstahl-Tank rubber mounted

Ähnlich der Benzintank aus Edelstahl, den er über Wochen bearbeitet und schließlich auf Gummis montierte, damit ja nichts wackelt oder scheppert. Natürlich versah er das Spritgefäß mit der für ihn typischen Finne, die ihre Form bis zum Heck zieht und ihr Ende auf der Endkappe des – natürlich – ebenso selbstgedengelten Fenders findet.

Es versteht sich von selbst, dass der Ledersitz handgenäht ist

Solche Detaillösungen sind Yanivs Spezialität und er treibt sie hier auf ein Wahnsinnsniveau. Dass zum Beispiel die Auspuffanlage steil nach oben ragt, ist nichts Neues. Dass aber eines der Rohre innerhalb des Rahmens läuft und das andere außerhalb, sieht man nicht alle Tage. Und selbstverständlich sind alle Halterungen, die das wunderbare Konstrukt an seinem Platz halten, reine Handarbeit.

Die Batterie ist im Öltank versteckt

Genauso wie jede Fußraste, jede Schraube und jedes Fitting, der Tankdeckel und das »Powerplant«-Plättchen auf dem Öltank. Der ist übrigens nur zur Hälfte ein Tank – in der anderen Hälfte ist die Batterie versteckt. Die Besessenheit des Yaniv Evan bei diesem Motorrad geht sogar so weit, dass er eigens einen Hinterradständer aus alten Gilera-Brocken konstruierte.

Ein Endrohr sitzt innerhalb der starren Heckstrebe, das andere außerhalb

In den zwei Wochen vor der Born Free Show, auf der er die P-16 zum ersten Mal zeigen wollte, schloss Yaniv seinen Laden, um sein Masterpiece in Ruhe zu vollenden. Der Aufwand wurde später mit dem Public-Choice-Pokal bei der Show belohnt. Sie Trophäe, die das Publikum verleiht, ist fast noch wertvoller als ein Best-Of-Show-Pokal, weil hierüber immerhin mehrere tausend Besucher abstimmen dürfen.

Harley-Davidson Panhead – Probefahrt zur Born Free Show

Übrigens: Wer als Bikebuilder zur Born Free Show geladen wird, der muss eine Regel befolgen: Das gebaute Bike muss voll fahrfähig sein und auf zwei Rädern mit eigenem Antrieb aufs Gelände blubbern. Yaniv steckte die 50 Meilen auf der Pan locker weg. Es war seine Probefahrt, das Motorrad war erst wenige Stunden zuvor fertig geworden.

Info | Powerplant

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.